Richard Wagner: »Götterdämmerung«
24. Jänner 2016
19. Vorstellung in der Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf
Eric Halvarson /Hagen), Boaz Daniel (Gunther) und Christian Franz (Siegfried). Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
I.
Der Ring ist den Kindern des Rheines zurückgegeben, der Vorhang hat sich über den verklingenden Des-Dur-Akkorden geschlossen. Nun gilt es zuzuwarten bis zur Spielplan-Pressekonferenz für die nächste Saison, wenn ein neuer Alberich sich wiederum in den Besitz des Horts zu bringen wissen wird, ewig sich wiederholendes Spiel der Geschichte.
Unter den Wiener Opernfreunden kursiert selbstredend längst die Mär von zwei Ring-Zyklen im Frühjahr 2017. Camilla Nylund erzählte jüngst in einem Interview mit dem MerkerOnline, daß sie wieder in Wien Sieglinde singen werde. Und hinter vorgehaltener Hand wird Peter Schneider als Dirigent genannt, ein Kapellmeister im besten Sinne des Wortes und als solcher geschätzter Kollege — »esteemed colleague« nennt man das in England — von Ádám Fischer.
Dieser blieb auch in der Götterdämmerung seiner Linie der gemäßigten Tempi, dabei aber dynamisch aufgefächerten und damit sängerdienlichen Interpretation treu. Ádám Fischer lenkte die Geschicke im Graben und auf der Bühne mit sparsamen Gesten, und das Staatsopernorchester mit Rainer Küchl und Albena Danailova am Konzertmeisterpult ließ den vierten Teil von Richard Wagners großer Liebesgeschichte fein abgemischt erklingen. Pech für die Horngruppe, dass gerade an der exponierten Stelle zu Beginn des dritten Aufzugs die Konzentration ein wenig nachließ…
II.
Während für die Nornen mit Monika Bohinec, Ulrike Helzel und Ildiko Raimondi bewährte Kräfte aus dem Ensemble aufgeboten waren, feierten bei den Rheintöchtern Andrea Carroll und Rachel Frenkel gelungene Rollen-Debuts im Haus am Ring (Flosshilde: Juliette Mars). Wie sie Siegfried im Boot spielerisch umgarnten, ließ szenische Probenarbeit (oder Eigeninitiative oder beides) erahnen. — Mehr Textdeutlichkeit bei den Nornen verbuchten wohl nicht nur jene, welche Siegfried letzte Woche versäumt hatten, als willkommenes Service des Hauses.
III.
Anna Larsson, die Erda im Rheingold und im Siegfried, kehrte uns erstmals an der Staatsoper wieder als schlanke, gut aussehende, aber in ihrem Versuch, Brünnhilde zur Rückgabe des Rings an die Rheintöchter zu bewegen, glücklose Waltraute.
Eric Halfvarson, Regine Hangler. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
IV.
Der Alberich des Jochen Schmeckenbecher beschwor seinen Sohn Hagen so eindringlich, sich des Rings zu bemächtigen, daß man sich bei dem Gedanken »Gerne wieder!« ertappte. Hagen, von Eric Halfvarson stimmlich und schauspielerisch eindrucksvoll gestaltet und mit kräftigem Baß nicht nur die Mannen zum Feiern auffordernd, zog an Gibichs Strand die Fäden der Intrige gegen den »hehrsten Helden«. Was Wunder, daß der Herr der Gibichungen — Boaz Daniel ersetzte den erkrankten Markus Eiche — da chancenlos war und einen das eine oder andere Mal auch stimmlich zaudernden Gunter darstellte. Seine Schwester wurde erstmals von Regine Hangler gesungen. Die oberösterreichische Sopranistin ließ keinen Zweifel daran, daß ihr die Gutrune viel besser in der Kehle liegt als die Rosalinde. Man lauschte einer hellen, schön geführten Sopranstimme und ertappte sich bei den Gedanken an eine Daphne oder, in ein paar Jahren, eine Arabella. Vordem wäre es allerdings interessant, sie ein paarmal in Mozart-Partien zu hören, um den gestrigen, günstigen Eindruck überprüfen zu können.
V.
Neben Boaz Daniel hatte man auch Christian Franz, nach seiner Unpäßlichkeit letzte Woche wieder gesundet, als Siegfried den Einspringerbonus zuzugestehen. Christian Franz profitierte wohl am meisten an diesem Abend von Ádám Fischers umsichtiger Disposition am Pult und dankte es mit einer guten Leistung und einer Aufmerksamkeit heischenden Reminiszenz an die Waldvogel-Szenen aus dem Siegfried. Man mache sich nicht unglücklich und forsche in der Vergangenheit, ob nicht Bess’res sich finde.
VI.
Seine Brünnhilde, Christian Franz‘ Schirm und Schutz nicht nur letzte Woche, wurde von Linda Watson gesungen. Leider vermochte sie nicht an ihre großartige Leistung in der Walküre anzuschließen, aber für einen sehr guten Abend mit sparsamem Einsatz ihrer stimmlichen Mittel und den Höhepunkten im zweiten Aufzug reichte es allemal. Die einfache Handbewegung und doch großzügige Geste, mit welcher sie Gutrune die Erlaubnis erteilte, Siegfrieds Leichnam zu bedecken, das rührte. Gewiß, man mochte sich nicht nur den Schlußgesang eindrucksvoller wünschen, mitreißender, bewegender, wie man ihn — auch von ihr selbst — schon hören konnte; aber das Publikum war’s zufrieden und dankte.
Die schönsten Geschichten sind eben auch in der Oper die tragischen Liebesgeschichten.
Thomas Prochazka
MerkerOnline
25. Jänner 2016