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WIEN/ Staatsoper: GÖTTERDÄMMERUNG

08.06.2015 | Oper

WIEN/Staatsoper: GÖTTERDÄMMERUNG

am 7.6.2015  (Helmut Christian Mayer)

 
Richard Paul Fink, Falk Struckmann. Foto: Wiener Staatsoper/Pöhn

 Diesmal trieb er es besonders arg: Denn gerade als Simon Rattle den Taktstock für den Beginn des dritten Aktes von Richard Wagners Götterdämmerung in der Wiener Staatsoper hob, schrie der einsame Rufer in die Stille nochmal ein kräftiges Buh hinaus, was das übrige Publikum zu neuerlichem Applaus und Jubel, wie zuvor für Dirigent und Orchester und einen Logengast zu einer Beschimpfung bewog.

Mit diesem singulären Buhgeschrei scheint jemand wirklich seine persönlichen Animositäten auszuleben. Denn es gab den gesamten Abend keinen Grund für irgendwelche Missfallenskundgebungen. Im Gegenteil, denn das Orchester der Wiener Staatsoper unter Simon Rattle muszierte mit Schönheit, Subtilität, kammermusikalischer Transparenz aber auch hochdramatischen, spannungsgeladenen Ausbrüchen. Auch der, wie auch so manch anderes, vom Tempo sehr breit angelegte „Trauermarsch“ wurde zum Ereignis.

Und dann stand da mit Evelyn Herlitzius eine Brünnhilde auf der Bühne mit nie versiegender Kraft und unerschöpflichen, nur manchmal etwas scharfen Spitzentönen. Besonders ihr Schlussgesang „Starke Scheite schichtet mir auf“ wurde zu einem ganz besonderen Erlebnis. Intensiv und mitreißend ganz besonders im zweiten Akt war auch ihr Spiel gemeinsam mit Hagen und Siegfried. Dieser lag wieder in der bewährten, konditionsreichen „Gurgel“ von Stephen Gould mit allen Spitzentönen und nie versiegender Kraft. Sein „Brünnhilde, heilige Braut“ im Angesicht des Todes ließ niemanden kalt. Der dritte im Bunde war Falk Struckmann als Hagen, den Sven-Eric Bechtholf in den absoluten Mittelpunkt seiner Inszenierung stellte, was allerdings bei der Persönlichkeit, seiner überragenden Präsenz und seinem gewaltigen, bekannt knorrigen Bass, nicht sonderlich schwer war. Kaum je hat man ihn böser und intrigantenhafter gesehen, kaum je als den fiesen, genialen Drahtzieher des Geschehens, dem das Geschwisterpaar Gunther (gezeichnet als völliges Weichei singt Boaz Daniel ihn sehr kultiviert) und Gutrune (etwas blass: Caroline Wenborne) beinahe hündisch ergeben ist. Hagen selbst wurde wiederum als Marionette seines Vaters Alberich (Richard Paul Fink verlieh ihm ein besonders prägnantes Profil) gezeigt. Herausragend und eine Klasse für sich war Anne Sofie von Otter als Waltraude. Monika Bohinec, Stephanie Houtzeel und Ildikó Raimondi waren „Luxus“-Nornen. Ileana Tonca, Ulrike Helzel und Juliette Mars ebensolche Rheintöchter.

Wotan mit zerbrochenem Speer steht in einem gigantischen, rotglühenden Feuersturm, dann scheint ein wilder Wasserstrudel alles mitzureißen und zu vernichten, bevor auf der leeren Bühne ein junges, nacktes eng umschlungenes Menschenpaar als Symbol eines zukunftsvollen Hoffnungsschimmer erscheint: So lässt Bechtolf die „Götterdämmerung“ enden. Aber abgesehen von diesen finalen, spektakulären Videoprojektionen erlebt man im Haus am Ring vom deutschen Regisseur keinerlei Versuch einer Deutung der endzeitlichen Tetralogie. Dank  der exzellenten Singschauspieler geriet der dritte Tag des Bühnenfestspiels jedoch zu einem ganz besonders mitreißenden Abend.

 Helmut Christian Mayer

 

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