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WIEN / Staatsoper: „GIULIO CESARE IN EGITTO“ oder „TOD AUF DEM NIL“ –   Dritte und letzte Vorstellung am 9.7.2024

WIEN / Staatsoper: „GIULIO CESARE IN EGITTO“ oder „TOD AUF DEM NIL“ –   Dritte und letzte Vorstellung am 9.7.2024

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Carlo Vistoli. Foto: Marco Borrelli

 Seit Jahren leitet Cecilia Bartoli überaus erfolgreich die Salzburger Pfingstfestspiele (und würde sich damit für die Zukunft als mögliche Intendantin auch für die Sommerfestspiele empfehlen). Für ihre ersten Pfingstfestspiele im Jahr 2012 wählte sie Händels Oper „Giulio Cesare in Egitto“ und trat damals in der humorvollen Inszenierung von Moshe Leiser und Patrice Caurier an der Seite von Andreas Scholl, Anne Sofie von Otter, Philippe Jaroussky, Christophe Dumaux und Jochen Kowalski selbst als Cleopatra auf. Und nun stellte Cecilia Bartoli nach ihrem überaus erfolgreichen ersten Gastspiel des Opernhauses von Monte-Carlo vor zwei Jahren unter dem Motto „Rossini Mania“ nun bei ihrem zweiten Gastspiel im Haus am Ring Händels „Giulio Cesare in Egitto“ in den Mittelpunkt des diesjährigen Programms, das unter dem Motto „Barocchissimo“ steht.

Natürlich wäre es nicht sehr fair ihre Leistung von damals mit ihrer Leistung von heute zu vergleichen, noch dazu, wo sie gerade erst eine Covid-Infektion überstanden hat. Aber sie ist in jeder Phase eine Königin, in der Erscheinung, im Spiel und natürlich im Gesang. Sie singt Koloraturen, als wäre das das Leichteste auf der Welt. Sie kann allein mit ihrer farbenreichen Stimme eine Bandbreite an Ausdrucksmöglichkeiten bieten, von der andere Sängerinnen nur träumen können. Egal ob sie mit gurrenden Tönen und perfekten Trillern Freude ausdrückt, mit einschmeichelnden Tönen sinnliche Verführungskünste vollbringt, oder mit empfindsamen Tönen Traurigkeit vermittelt (die Arie „Piangerò la sorte mia“ kann man nicht gefühlvoller singen). Und selbst wenn sie auch gelegentlich die Diva spielt, macht sie das immer mit einer ordentlichen Portion Selbstironie, wie in der Arie „V‘adoro, pupille“, die sie wie eine Nachtclubsängerin präsentiert. Ihre Cleopatra ist ein Ereignis, das muss man gesehen haben.

Was ebenfalls die von Cecilia Bartoli verantworteten Aufführungen auszeichnet: sie weiß ganz genau, welche Stimmen zusammenpassen. (Das würde ich mir auch an der Staatsoper so manches Mal wünschen.) Wenn sich am Ende des 1. Aktes die samtweiche Alt-Stimme von Sara Mingardo (eine der raren Vertreterinnen des Stimmfachs Contralto) als Cornelia mit der hellen Stimme des Countertenors Kangmin Justin Kim als Sesto im Duett „Son nata a lagrimar“ verbindet, dann ist das an Stimmschönheit kaum noch zu übertreffen; einer der vielen musikalischen Höhepunkte des Abends, bei der der Sohn im Schoss der Mutter liegt wie bei einer Pietà.

Der Countertenor Carlo Vistoli, der in der ersten Vorstellung noch etwas vorsichtig begann, hat in dieser letzten Vorstellung nun von Anfang an mit vollem Stimm- und Körpereinsatz als Titelheld überzeugen können. Seine Virtuosität und seinen Humor hat er vor allem im 2. Akt unter Beweis stellen können, als er die Arie „Se in fiorito ameno prato“ wie ein Popstar vorträgt.   

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Kangmin Justin Kim (Sesto) und Satas. Foto: Marco Borrelli

Der böse Gegenspieler Tolomeo lag bei Max Emanuel Cenčić sowohl stimmlich als auch darstellerisch in den richtigen Händen. Fiese Typen liegen ihm einfach am besten, man merkt wie er mit viel Freude diesen Schurken spielt und dennoch mit Ironie diese Figur gelegentlich auch der Lächerlichkeit preisgibt.

Péter Kálmán, der 2012 in Salzburg noch den Curio gesungen hat, brachte diesmal mit seinem kräftigen Bass-Bariton als gutmütiger Achilla ein wenig Buffo-Stimmung in die Aufführung.

Federica Spatola mit schönem Legato als Nireno und Luca Vianello als Curio ergänzten diese ausgezeichnete Besetzung, in der es so gut wie keine Schwachstelle gab.

Les Musiciens du Prince-Monaco erweckten auf ihren historischen Instrumenten unter der musikalischen Leitung von Gianluca Capuano Händels Partitur zum Leben. Hervorzuheben ist der Soloviolinist Thibault Noally, der auf der Bühne in Kostüm mit Carlo Vistoli ein „vokales Duell“ ablieferte, das das Publikum anschließend in lautstarken Jubel ausbrechen ließ. Der Chor des Opernhauses von Monte-Carlo (Einstudierung: Stefano Visconti) hatte zwar nicht viel zu tun, war aber mit viel Spielfreude und Einsatz bei der Sache.

Der italienische Regisseur Davide Livermore arbeitet gerne mit filmischen Mitteln. Unvergesslich seine großartige Inszenierung von Rossinis „Ciro in Babilonia“ beim Rossini Festival in Pesaro mit der grandiosen, viel zu früh verstorbenen Ewa Podles. Für Händels „Giulio Cesare in Egitto“ nahm er unübersehbar Anleihen bei dem Film „Tod auf dem Nil“ nach dem Roman von Agatha Christie. Die ganze Handlung spielt sich auf einem Kreuzfahrtschiff ab, das den Nil entlang fährt. Wenn am Anfang alle handelnden Personen an Bord gehen, wartet man allerdings vergebens darauf, dass auch Hercule Poirot auftritt. Giulio Cesare entpuppt sich als Kapitän des Schiffes und die Handlung nimmt ihren Lauf, wobei man nicht genau weiß, ob sich die Handlung tatsächlich so abspielt oder das Ganze nur für die Touristen an Bord inszeniert wird. Im Hintergrund werden Ägyptens Sehenswürdigkeiten wie die Pyramiden in Vorbeifahren gezeigt, dazwischen sieht man teils ruhiges Wasser, teil wogende Wellen (Videos: DWOK). 

Das Bühnenbild von Giò Forma besteht aus praktikablen, leicht heb- und senkbaren Brücken, Stiegen und Geländern. Die prachtvollen Kostüme von Marianna Fracasso führen uns in die Zwanzigerjahre des vorigen Jahrhunderts. Für die ausgezeichnete Ausleuchtung der Bühne sorgte Antonio Castro. Die Auflösung des Krimis, wer tatsächlich der Mörder des Pompeio ist, wird am Ende in einem Schwarz-Weiß-Stummfilm gezeigt. (Leider ist dies von der Galerie aus nicht zu sehen!)

Eine Viertelstunde lang jubelte das dankbare Publikum und durfte dafür das Finale als Zugabe noch einmal hören. So einen lautstarken Jubel hat die Staatsoper während der ganzen Spielzeit kein einziges Mal erlebt. Das Wiener Publikum kann eben doch zwischen Mittelmaß und besonderer Qualität unterscheiden.

Walter Nowotny

P.S. Die Wiener Staatsoper beantwortet dieses Gastspiel mit einer konzertanten Aufführung von Mozarts „Don Giovanni“ an der Opéra de Monte-Carlo in der nächsten Spielzeit. Möge diese fruchtbare Zusammenarbeit der beiden Opernhäuser weiter gepflegt werden und hoffentlich bald das 3. Gastspiel mit Cecilia Bartoli an der Wiener Staatsoper stattfinden.

 

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