WIEN/ Staatsoper: Giacomo Puccini: » Turandot « (II)
Wiener Staatsoper
Von Thomas Prochazka
Jetzt ist es genug — sagte sich diesmal das Publikum und ließ seinen Empfindungen bei der Première freien Lauf. Zu berichten ist vom Scheitern eines Abends, nachdem der Komponist bereits an seinem Werk gescheitert war. (Man soll bei der Wahrheit bleiben.)
Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
Puccinis letzte und unvollendet gebliebene Oper markiert das Ende des E-19, des » erweiterten 19. Jahrhunderts « der Operngeschichte. An seinem Anfang stehen die nach der Gluck’schen Opernreform erst möglich gewordenen letzten Werke Mozarts in ihrer Vorahnung des Säbelrasselns der Französischen Revolution und der napoleonischen Waffengänge, an seinem Ende die gesellschaftlichen und politischen Verwerfungen des Ersten Weltkrieges…
Der Verlag Ricordi bestimmte Franco Alfano (1875 – 1954), Turandot unter Verwendung nachgelassener Skizzen Puccinis zu beenden. Arturo Toscanini, jahrelanger Freund-Feind des Komponisten, forderte von Alfano zahlreiche Kürzungen und amputierte dessen, mit eigenem motivischen Material angereicherte Arbeit. Am Ende stand jene Fassung, welche heute als die gebräuchlichste gilt und auch als » Alfano II « bezeichnet wird.
Im Programmheft zur aktuellen Neuinszenierung an der Wiener Staatsoper ließ es sich Konrad Kühn angelegen sein, die Entscheidung für die Fassung » Alfano I « ausgiebig zu bewerben. Das funktioniert — bis man diese Fassung auf der Bühne sieht und hört. Denn Alfanos Komposition erreicht in keiner Wendung das Niveau des Mannes aus Lucca. Wenn also schon eine zweitklassige Komposition Puccinis Werk beschließen soll: Warum dann nicht die Angelegenheit kürzestmöglich zu Ende bringen (selbst um den Preis dramatischer Unglaubwürdigkeit)? Oder gar — wie Toscanini bei der Uraufführung — die Oper mit Liùs Tod enden lassen?
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Thomas Prochazka/ www.dermerker.com