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WIEN/ Staatsoper: FIDELIO – aus der Sicht eines Dirigenten

08.05.2016 | Oper

Wiener Staatsoper:  7.5.2016: „FIDELIO“ –  Mustergültige Repertoire-Vorstellung


Egils Silins, Lars Woldt. Copyright: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

 Am Pult Peter Schneider, ein Kapellmeister der „guten alten Schule“, der ohne künstliche Aufgeregtheit das Schiff in allen Situationen auf sicherem Kurs zu halten imstande ist, ein Kapellmeister, der das Wissen, die Erfahrung und das Können hat, große Spannungsbögen zu bauen, und der in der Lage ist, Dramatik und Lyrik in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Seine Tempi, inklusive der so essentiell wichtigen Temporelationen sind weit weg von den Extremen vieler anderer Interpretationen unserer Tage, sie erzeugen aber gerade deshalb ein Gefühl der Sicherheit und Stabilität; und das oftmals in diesem Zusammenhang gebrauchte Argument, dass emotionale Ausnahmesituationen auf der Bühne auch ein extremes Pendant in der musikalischen Performance benötigen, ist natürlich völliger Quatsch: geniale Musik ist ohnehin so komponiert, dass sie alle diese Extreme zu 100% in sich trägt, und alles darüber hinaus gehende Getue bedeutet doch nur doppelt gemoppelt und erzeugt den gegenteiligen Effekt.

Schneider weiß das natürlich sehr genau – und auch das Orchester. Unter solchen Vorbedingungen kann dann eben eine der Komposition würdige Interpretation entstehen, die nicht nur dem Publikum, sondern auch den Mitwirkenden das Gefühl gibt: so muss es sein, so ist’s richtig!

Apropos Orchester – für mich der Star des Abends! Es vermittelte überzeugend sowohl die dramatische Intensität der „Fidelio“-Partitur wie deren lyrische Momente. Und so wurde – fast wäre ich geneigt, zu sagen, logischerweise – die (von Schneider äußerst klug disponierte und vom Orchester virtuos dargebotene) 3. Leonoren-Ouverture zum heimlichen Höhepunkt dieses Opernabends; sie war schließlich das Fundament, welches den enormen emotionalen Höhenflug der Schlussszene erst möglich machte.

Dazu die zwar schon in die Jahre gekommene, aber immer noch perfekt funktionierende und sehr zweckmäßige Inszenierung von Otto Schenk – Herz was willst du mehr!

Etwas differenzierter ist da schon die Sängerriege zu sehen: Alexandra LoBianco ist, abgesehen von dem Manko im Dialog, welcher natürlich auf ihre amerikanischen Herkunft und dem damit verbundenen Akzent zurückzuführen ist, eine sehr intensive Leonore, die im Laufe des Abends immer besser wurde. Ihre Stimme hat die für diese Rolle notwendige Attacke ebenso wie die lyrische Qualität für zarte und einfühlsame Pianissimi (etwa im Quartett des 1. Aktes). Robert Dean Smith war ein ebenbürtiger Partner, der mit tenoraler Strahlkraft aufwarten konnte, dessen Stimmtimbre aber vielleicht nicht Jedermanns Sache sein mag. Lars Woldt (Rocco) sprach den mit Abstand besten Dialog und konnte auch stimmlich weitgehend überzeugen, allerdings ist er nicht der Bass, der als tragendes Fundament des Ensembles von Vorteil und enormer Wichtigkeit wäre; aber das ist nicht ihm zuzuschreiben, sondern ist schlicht und einfach eine besetzungstechnische Angelegenheit…

Don Pizarro (Egils Siliņš) setze seine machtbesessene Verderbtheit zwar recht gut in Szene, manchmal hätte ich mir aber – darstellerisch und stimmlich – ein wenig mehr schurkische Durchschlagskraft und offenkundige Brutalität, wie sie ja in der Musik vorgegeben ist, gewünscht.

Ileana Tonca gab eine recht „brave“ Marzelline, auf die sängerisch wirklich Verlass ist, und die in ihrer Arie („Oh wär‘ ich schon mit dir vereint“) auch echte Gefühle transportieren konnte. Positiv überrascht hat mich die Durchschlagskraft ihrer Stimme in den Ensembles, wo sie ja oft die oberste Stimme zu singen hat (und Leonore drunter liegt). Rollendeckend, wenn auch in sehr unauffälliger Manier, war Joseph Dennis als Jaquino. Wirklich enttäuschend war allerdings Adam Plachetka als Don Fernando, kein Zoll ein Minister.

Der Chor war leider oft rhythmisch ungenau und im Tempo unpräzise, aber – und das sei besonders hervorgehoben – von ausgezeichneter stimmlicher Qualität.

Alles in allem war es zwar unsgesamt kein Abend der Superlative, aber sicher einer, wie man ihn als Repertoirevorstellung doch weltweit mit der Lupe suchen müsste.

Heinz Prammer

 

 

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