
Adam Palka als Mephistophéles. Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn
WIEN/Staatsoper: FAUST von Charles Gounod
5. Aufführung in dieser Inszenierung
4. November 2021
Der Faust von Gounod hat es an der Wiener Staatsoper nicht immer leicht gehabt, erfolgreich zu sein. Einmal lag es an den Sängern und ein anderes Mal an der Regie. In der Aufführungsgeschichte hat man Faust öfters einem Starregisseur anvertraut, in der Hoffnung eine außerordentliche Aufführung im Talon des Spielplanes zu haben. Darunter waren große Namen wie Ponnelle oder Ken Russel, der durch erfolgreiche Musikfilme schon einen großen Namen hatte. Wobei es die von Paul Hager (Regie) & Jean-Pierre Ponnelle (Bühne und Kostüme) geschaffene Produktion ab 1963 auf 54 Vorstellungen brachte, die von Russel, welche auch im Fernsehen gezeigt wurde, auf 21 Aufführungen ab 1985.
Diesmal steht eine Inszenierung des deutschen Starregiseures Frank Castorf am Programm. Diese Inszenierung wird durch das Problem der Covid-Epidemie zuerst im Fernsehen gezeigt und dann erst zu einem späteren Zeitpunkt vor Publikum aufgeführt. Eine echte Neuinszenierung der Wiener Staatsoper ist es auch diesmal nicht, da Castorf die Produktion bereits früher für Stuttgart erarbeitet hat. Frank Castorf wartet mit einer neuen Idee auf, indem er die Handlung in das Paris der Ur-Aufführungszeit legt und immer auch wieder die 1960er Jahre miteinbezieht. Begleitet wird das Geschehen immer wieder von Echtzeitkameras, die versuchen der Handlung zu folgen. Dies ergibt eine unglaubliche Anzahl von Details, denen man teils nicht mehr folgen kann, da das Auge dann doch irgendwann ermüdet. Das Bühnenbild, man verwendet die Drehbühne, zeigt eine konzentrierte Version von nicht mondänen Pariser Stadtvierteln.
Die musikalische Verantwortung liegt in den Händen von Bertrand de Billy, was wieder einmal ein Glücksfall für die Staatsoper ist, da er heute als einer der besten Dirigenten des französischen Faches gilt und mit enormer Erfahrung aufzuwarten hat. Von der feinsten lyrischen Szene bis zur großen Dramatik kann er mit dem Staatsopernorchester die vielschichtige Partitur umsetzen. An diesem Abend scheint ihm einfach alles zu gelingen. Wie er die Sänger begleitet und dabei Wert auf Melos und Ductus der französischen Sprache legt, macht einfach Freude.

Stephen Costello als Faust.
Faust wird in dieser Vorstellung von Stephen Costello gesungen, der die erste Vorstellung der Serie krankheitshalber absagen musste und sich wegen einer Indisposition am Beginn der Vorstellung entschuldigen läßt. Er singt die Partie mit klarer schöner Stimme, die nur in den höchsten Lagen nicht richtig anspringen will. Die große Salut-Arie gestaltet er ausdrucksvoll mit angenehmen Timbre bis auf den Spitzenton, den jeder von ihm erwartet und der nur mit letzter Kraft kommt. Mag sein, dass ihzm die Indisposition an diesem Abend das Singen erschwert, aber es gibt da sicherlich auch gesangstechnische Probleme. Darstellerisch steht er an diesem Abend im Schatten der anderen Mitwirkenden und scheint sich vorrangig auf seinen Gesang zu konzentrieren.
Die eigentliche Protagonistin ist bei Gounod freilich Marguerite, die von Rachel Willis-Sörensen gegeben wird. Die amerikanische Sopranistin besitzt eine jugendlich-dramatische Stimme, die durch strahlende Spitzentöne beeindruckt. Nach ihrem großen Erfolg als Desdemona in Verdis Otello muß man jedoch erkennen, dass sie stimmlich der Rolle entwachsen ist.
Adam Palka ist der Mephisto, der schon in der ersten Szene Fausts Blut saugt und schleckt. Dieses Werk hat schon immer Regiseure dazu angeregt, Obszönitäten zu zeigen. Man erinnere sich nur an die Russel-Inszenierung, bei der Mephisto in ein Weihwasserbecken pinkeln musste und die Kirche einschritt. Palka ist ein guter Mephistopheles für diese Inszenierung, in der er eigentlich ein Kind unserer Zeit darzustellen hat. Er ist mit Sicherheit der beweglichste Bösewicht, den man auf der Bühne sehen kann. Stimmlich muss er noch in die Rolle hineinwachsen, da würde man sich schon bei den großen Szenen mehr Stimmvolumen wünschen. Man fragt sich jetzt immer öfter, ob es denn keine großen Bassstimmen mehr im Haus am Ring gibt?
Die stimmlich beste Leistung an diesem Opernabend bietet Étienne Dupuis als Valentin. Sein kraftvoller Bariton drängt schon ins große Kavaliersfach. Mit der sehr hohen Lage der Partie hat er keine Schwierigkeiten, doch könnte sein Gesang etwas differenzierter sein.
Siebel ist Margaret Plummer, deren angenehme Stimme in der Höhe doch sehr begrenzt erscheint. Als Wagner lernt man Ilja Kazakov vom Opernstudio kennen, als Marthe ist Monica Bohinec wieder einmal überbesetzt. Chor und Extrachor tun ihr Bestes, um zu diesem doch sehr interessanten Abend beizutragen.
Am Applaus des Publikums merkt man doch eine gewisse Müdigkeit nach den vielen bemerkenswerten Eindrücken dieser Regie. Da hat doch jeder gedanklich etwas zu verarbeiten. Mit den entsprechenden Sängerpersönlichkeiten könnte das eine Kultinszenierung der Wiener Staatsoper werden.
Karlheinz Schöberl