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WIEN / Staatsoper: EUGEN ONEGIN von Piotr I. Tschaikowski

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Das Applausfoto vor dem Bühnenbild des 3. Akts zeigt, dass von der Galerie aus der hintere Teil des Geschehens wegen der in der Höhe stark beschnittenen Guckkastenbühne kaum zu sehen ist, obwohl hier der dominante Tisch in der Mitte steht und nicht, wie in Akt 1 und 2, hinten fast an der Wand. Da sieht man dann wirklich nur noch Schuhwerk und abgeschnittene Beine. Foto: Karlheinz Schöberl

WIEN/Staatsoper: EUGEN ONEGIN von Peter I.  Tschaikowski

8. Aufführung in dieser Inszenierung (Derniere)

26. Oktober 2021

Der Welttag der Oper (25. 10) ist vorüber – der eiserne Vorhang hat eine neue Verklebung bekommen (ein Erbe aus der Ära Holender auf Grund der Nazi-Ideologie des Künstlers des Original-Vorhanges, Rudolf Hermann Eisenmenger), und man kann somit wieder zum Opern-Alltag übergehen. Über die aktuelle Onegin-Serie ist bereits sehr viel und sehr ausführlich berichtet worden, auch über die Probleme durch den Ausfall des Chores  aus Bratislava wegen Covid-Erkrankungen. An diesem Abend, dem letzten der aktuellen Serie, läuft der Wiener Staatsopernchor zur Höchstform auf und kann auch die ausgefeilten choreographischen Bewegungsabläufe blendend ausführen. Ein großes Lob dem Chor!

Neu in der Besetzung dieses Abends ist die 35-jährige russische Sängerin Elena Guseva – sie wurde für den Golden Mask Award for Opera vorgeschlagen – als Tatjana. Sie beginnt den Abend eher schwächer, mit einigen Schärfen in den Ensembles. Im Laufe des Abends kann sie sich aber kontinuierlich steigern und singt eine inspirierte Briefszene mit sehr schönen Piani, wie man sie bei diesem Herzstück der Oper oft vermisst. Die Klangfarbe der Stimme ist eine typisch slawische und daher auch wesentlich dunkler als die mancher Rollenvorgängerinnen. Erfreulich auch die Textverständlichkeit in der Mittellage. Von der Darstellung her bietet Guseva eher eine sehr introvertierte Tatjana, was gut zur Rolle passt. Zur Zeit der Handlung war es doch eine mutige, ungewöhnliche Art für ein Mädchen, einem Mann Briefe in dieser Offenheit zu schreiben.

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Elena Guseva (Tatjana) und André Schuen (Onegin). Foto: Wiener Staatsoper / Michale Pöhn

Ihr Gegenspieler Eugen Onegin, André Schuen, steht noch am Beginn seiner Rollenentwicklung. Der Onegin kann eine sehr gute Rolle für ihn werden, kommt aber derzeit, auch was die Stimmentwicklung betrifft, wohl etwas früh, da ja auch der älter gewordene Onegin darzustellen ist. Außerdem macht es ihm die Regie nicht ganz einfach, muss er einen Abend lang doch einen unsymphatischen Menschen darstellen. Einen so begabten jungen Sänger, der in dieser Phase seiner Karriere vorrangig Mozart und Verdi singen sollte, in kurzer Zeit so oft hinterereinander Onegin singen zu lassen, könnte der Stimme schaden. Aber was der junge Mann jetzt schon in der Kehle hat, zeigen seine fulminanten hohen Töne am Schluss.

nAnna Goryachova ist eine verlässliche Olga mit wenig Tiefe in der Stimme. Bogdan Volkov beeindruckt durch die ausgefeilte, berührende Interpretation der großen Lenski-Arie, während die Stimme noch an Volumen gewinnen sollte. Dimitry Ivaschenko singt den Fürsten Gremin für eine Repertoirevorstellung recht gut, man dürfte sich in solch einem Opernhaus aber durchaus auch mehr erwarten.

Dass man für die kleine Rolle der Filipjewna den ehemaligen russischen Star Larissa Diadkowa aufbietet, überrascht, da man doch sicher eine gleichwertige Sängerin im Ensemble hätte. Saretzki und der Vorsänger waren mit Dan Paul Dumitrescu gut besetzt.

Für die musikalische Leitung des Abends ist Tomás Hanus verantwortlich. Es gelingt ihm, Spannung und Differenzierung in seine Interpretation zu bringen. Hanus wartet mit vielen Orchesterdetails auf und bewährt sich als wunderbarer Begleiter für das Sängerensemble. Die fulminant gespielte Polonaise wird in dieser Inszenierung leider nicht getanzt, was den Intentionen Tschaikowskis widerspricht und zudem das Ballett um Auftritte bringt.

Der Beifall nach den Arien ist eher kurz und fällt auch beim Schlussapplaus herzlich, aber nicht gerade euphorisch aus. Mag sein, dass das Publikum – es es gibt zwei Pausen- bereits einigermaßen erschöpft war.

Karlheinz Schöberl

 

 

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