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WIEN/ Staatsoper: EUGEN ONEGIN. Premiere der Tcherniakov-Inszenierung


Nicole Car, Dimitry Ivashenko, Andre Schuen. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

EUGEN ONEGIN – Premiere Staatsoper am 25.10.2020

(Heinrich Schramm-Schiessl)

Von den für diese Saison eingekauften (Neu)inszenierungen schien jene von „Eugen Onegin“ die bemerkenswerteste zu sein, stammt sie doch von Dmitri Tscherniakov, der mit ihr schlagartig zu einem der wichtigsten Vertreter des modernen Regietheaters wurde. Sie wurde im September 2006 am Moskauer Bolschoitheater erstmals gezeigt und sorgte dort für einiges Aufsehen, löste sie doch eine Produktion aus dem Jahr 1944 ab.

Ich habe diese Inszenierung vor einigen Jahren im Fernsehen gesehen – als sich das ZDF noch einen eigenen Kulturkanal leistete – und gewann einen durchaus positiven Eindruck. Nicht dass mir Tscherniakovs Zugang zu dem Werk gefallen hätte, aber ich fand es gut und professionell gemacht. Um so größer war jetzt die Enttäuschung, als man nicht von der Kamera klug gewählte Ausschnitte sah, sondern die gesamte Bühnentotale. Da mußte man feststellen, dass vor allen Dingen  die Personen- und Chorführung nur bedingt akzentuiert ist und manches einer gewissen Logik entbehrt. Dass die Duellszene, die eigentlich keine ist, sondern sich im Zuge einer Rangelei um ein Gewehr ein Schuss löst,  ein völliger Nonsens ist, hatte ich schon damals festgestellt. Warum Lenski das Couplet des Triquet singt, habe ich erst dem Programmheft entnommen. Weil er merkt, dass ihn ohnehin niemand von der Ballgesellschaft ernst nimmt, macht er sich selbst lächerlich. Das sind nur zwei Beispiele einer ganzen Reihe von Merkwürdigkeiten in dieser Inszenierung. Die größte Merkwürdigkeit spielt sich aber am Beginn des dritten Aktes ab. Sonst vermeiden es Regisseure im modernen Regietheater tunlichst Orchesterstücke ohne dazugehörige Bewegungsregie zu belassen. Hier aber, bei der berühmtem Polonaise, wo Bewegung durchaus angebracht wäre, tut sich nichts. Sie wird als reines Orchesterstück gespielt, während die Gäste des Fürsten Gremin speisen.

Die gesamte Oper spielt in einem Einheitsbühnenbild, für das ebenfalls Tscherniakov verantwortlich ist. Es handelt sich um einen sich nach hinten verjüngenden Saal, der in den ersten beiden Akten holzfarben und im dritten Akt rot/weiss ist. Beherrscht wird dieser Saal in allen Bildern von einem großen ovalen Tisch und den entsprechenden Stühlen. Ähnliches – ohne Tisch – hat ja bereits in deer Inszenierung von 1973 Jürgen Rose gemacht, allerdings das Duellbild doch ins Freie verlegt. Die Kostüme von Maria Danilova waren konventionell und durchaus kleidsam.

Leider war der Abend auch musikalisch keine Offenbarung. Das begann bereits beim Orchester unter der Leitung von Tomas Hanus. Er entwickelte einen Klang, der über weite Strecken grob und laut war. Die in diesem Stück so wichtigen Lyrismen kamen überhaupt nicht zu Geltung. Mit Ausnahme einiger dramatischer Aufschwünge plätscherte die Musik irgendwie dahin.


Bogdan Volkov, Andre Schuen. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Andrè Schuen war jeder Zoll kein Onegin. Sein Timbre ist für diese Partie viel zu rau. Er vermag zudem nicht wirklich zu differenzieren und musikalisch zu gestalten. Auch darstellerisch kann er nicht überzeugen. Nicole Car (Tatjana), zwei Tage vor der Generalprohe eingesprungen, hat zwar einen internationalen Ruf, konnte diesem aber in keiner Phase des Abends gerecht werden. Sie verfügt über kein spezifisches Timbre und gelangt sehr oft an ihre Grenzen. Darstellerisch war sie eher hascherlhaft, wobei das offenbar vom Regisseur durchaus gewünscht war. Das sonst so packende letzte Bild blieb diesmal ziemlich wirkungslos. Bogdan Volkov war als Lenski zweifelsohne besser als als Ferrando in Salzburg, aber wirklich reüssieren konnte er auch hier nicht. Das liegt in erster Linie daran, dass auch er über kein wirklich schönes Timbre verfügt und auch gestalterisch sowohl in stimmlicher als auch darstellerischer Hinsicht manches schuldig blieb. Dimitry Ivashchenko (Gremin) sang zwar laut, aber nicht unbedingt klangschön und blieb darstellerisch einigermaßen blass. Anna Goryachova war als Olga einer er wenigen stimmlichen Lichtblicke. Ähnliches gilt für Larissa Diadkova (Filipjewna), weniger aber für Helene Schneiderman (Larina).

Der Chor der slowakischen Philharmonie (Einstudierung: Jozef Chabron) sang zufriedenstellend. Es muss allerdings schon die Frage gestellt werden, warum nicht der hauseigene Chor zum Einsatz kam. Er wird den Text und die Musik doch seit dem 26.11.2019 (letzte Vorstellung in der alten Inszenierung) doch wohl nicht vergessen haben. Außerdem hat man die Slowaken sicher extra entlohnen müssen. Ähnliches gilt für die vom Regisseur dazu erfundene Rolle einer „Alten Dame zu Gast“, für die man Johanna Mertinz engagiert hat, die das sicher auch nicht umsonst gemacht hat.

Am Ende gab es verhaltenen Jubel. Beim Erscheinen des Regieteams hörte man eher gleichgültigen Applaus.

Heinrich Schramm-Schiessl

 

 

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