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WIEN / Staatsoper: ELEKTRA

Elektra - ein Juwel in der bewährten Pflege des Opernschaffens von Richard Strauss

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Ausrine Stundyte (Elektra), auf dem abgeschlagenen Kopf der Statue ihres ermordeten Vaters Agamemnon. Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: ELEKTRA

77. Aufführung in dieser Inszenierung

14. Dezember 2023

Von Manfred A. Schmid

Harry Kupfers 2020 wiederbelebte Inszenierung aus dem Jahr 1989 gibt der antiken Tragödie im musikalischen Gewand des Expressionismus den gebührenden Raum, um sich – im Schatten des ermordeten Feldherrn und Herrschers Agamemnon, dessen monumentales Standbild das Geschehen dominiert – als Rachedrama mit all seinen psychologischen Facetten und Konflikten voll entfalten zu können. Etwas, das in der beengten Kohlenkeller-Version eines hier nicht näher genannten Regisseurs, die sie abgelöst hat, schwer möglich war. Die emotional aufgeheizten Gespräche, die die Königstochter Elektra mit ihrer Schwester, ihrer verhassten Mutter und ihrem sehnlichst erwarteten, aber längst verschollen und schließlich tot geglaubten Bruder führt, finden vor und zwischen den Beinen der Statue des zu Rächenden statt. Er ist es, der die Handlung bestimmt und bis zum blutigen Racheakt weiter vorantreibt. Schnüre baumeln von der Statue herab und reichen bis zum Boden. Keiner, der sich nicht in ihnen verfängt, auch wenn er sie gar nicht berührt, weil er ihnen auszuweichen oder gar davonzulaufen versucht. Sie sind da: Unerbittlich wie die Fäden des unabwendbaren, auf die Katastrophe und Katharsis zulaufenden Schicksals, das sich in aller Härte erfüllen muss und erfüllen wird,

Die Bühne von Hans Schavernoch und die feine Personenführung Harry Kupfers bieten jedenfalls ideale Voraussetzungen für eine musikalisch gelungene Umsetzung. Dass sich diese auch tatsächlich einstellt, besucht wurde die zweite Aufführung der laufenden Serie, dafür sorgt zunächst und in erster Linie Alexander Soddy am Pult des Staatsopernorchesters. Die kühnen, emotional aufgeheizten Klangballungen, in denen sich Richard Strauss weit in die Moderne vorgewagt und die Grenzen der Tonalität fast ins Unerträgliche erweitert hat, treten in voller Wucht in Erscheinung. Dennoch ist Soddy stets darauf bedacht, die Sängerinnen und Sänger auf der Bühne nicht heillos zu überfordern. Beim Schlussapplaus wird er dafür begeistert gefeiert und erhält zu Recht den größten Applaus. Strauss liegt den Wiener Philharmonikern im Blut, was natürlich, diese Anmerkung sei erlaubt, auch für den Namensvetter mit dem scharfen ß zutrifft, wie sie demnächst zum Jahreswechsel wieder der ganzen Welt zeigen werden.

Die aus Litauen stammende Sopranistin Ausrine Stundyte hat sich mit ihrem Debüt bei den Salzburger Festspielen2020 als Elektra international einen Namen gemacht und ist in dieser Rolle danach auch schon an der Staatsoper aufgetreten. Mit Erfolg, auch wenn manche Kritiker bemängeln, dass ihr für diese heroische Figur die heldisch-große Stimme fehle. Das mag stimmen, aber eine junge, seelisch durch eine traumatische Erfahrung verletzte und weiterhin verletzliche Elektra, die sich verzweifelt bemüht, den Auftrag, den Tod des Vaters zu sühnen, zu erfüllen und alles – unter Verzicht auf ein übliches Frausein – auf diese Karte setzt, ist eine durchaus stimmige Lesart. Ihr etwas dunkler, aber Wärme ausstrahlender Sopran spiegelt die inneren Konflikte wider, die sie bei der Umsetzung ihrer Bestimmung überwinden muss. Ein Prozess des Self-Empowerments, der Respekt und Bewunderung verdient und er sich in weiterer Folge auch in sarkastischen, spöttischen Äußerungen gegenüber ihrer harmoniebedürftigen Schwester und ihrer von Albträumen geplagten Mutter äußert. Darstellerisch imponiert Stundyte mit starken Gesten.

Der klare, helle Sopran von Camillla Nylund passt auch stimmlich zur Person der Schwester von Elektra und unterstreicht die Gegensätzlichkeit der beiden Frauen. Auch Chrysothemis leidet unter dem Trauma des Verlusts ihres, aber sie träumt von einem einfachen Leben in einer idyllischen, bukolischen Gegend fernab vom verrucht-verfluchten Königshof, den sie als Kerker empfindet. Chrysothems sucht ihr Heil in der Flucht: Sie ersehnt sich ein anderes Leben, wo sie ihr traditionellen Vorstellungen vom Frausein verwirklichen kann: Heirat, und sei es nur ein Bauer, KInderkriegen, Heim und Garten.

Dass Michaela Schuster eine begnadete Sängerdarstellerin, hat sie an der Staatsoper erst kürzlich als hartherzige Tante in Suor Angelica und als ausgelassen komische Base in Gianni Schicchi im Rahmen der Premiere von Puccinis Il trittico unter Beweis gestellt Die vielseitige Mezzosopranistin, eine gesuchte Wagner-Sängerin, ist eine bühnenpräsent auftretende Klytämnestra, herrisch und machtbewusst, zugleich aber offensichtlich auch verunsichert durch ein schlechtes Gewissen, das zu Schlaflosigkeit und böse Träume führt. Ihre Auseinandersetzung mit Elektra, von der sie sich eine Entspannung erhofft, die aber nicht eintritt, sondern die Unversöhnlichkeit verfestigt, gehört zu den dramatischen Höhepunkten des Abends.

Günther Groissböck ist ein markiger, stimmstarker Orest und singt, wie bei ihm üblich, mit wunderbarer Textdeutlichkeit, was ihn, wie auch Michaela Schuster, auszeichnet und bei einem Libretto, das von Hugo von Hofmannsthal stammt, eine Wohltat ist.Ugo von HOrmannsthak

Thomas Ebenstein hat einen kurzen, aber nachhaltigen Auftritt als kauziger, Charakterschwächen offenlegender Ägisth, Wolfgang Bankl ein treuer, verlässlicher Pfleger des Orest und wie immer, auch in den kleinsten Rollen, bestes vorbereitet und darstellerisch und gesanglich überzeugend.

Hervorragend besetzt mit Kräften aus dem Ensemble und dem Opernstudio sind auch die vielen weiteren Nebenrollen, allen voran die fünf Mägde (Stephanie Maitland, Julietta Mars, Daria Sushkova, Regine Hangler und Aurora Marthes) und deren resolute Aufseherin (Stephanie Houtzeel).

Die Aufmerksamkeit auf sich ziehen weiters auch Lukas Schmidt und Marcus Pelz als junger und alter Diener sowie die junge Daria Kolisan als Vertraute und Alma Neuhaus als Schleppenträgerin.

Sehr erfreulich, dass sich die Pflege des Opernschaffens von Richard Strauss, der vor rund hundert Jahren Chef des Hauses war, in dieser Saison schon mit mehreren Werken gut präsentieren und bestätigen konnte, Das gilt erfreulicherweise auch für die begeistert gefeierte Elektra.

der einmal deer ganzen Welt zeigen werden.

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Camilla Nylund (Chrysothemis) und Surine Stundyte (Elektra)

Die aus Litauen stammende Sopranistin Ausrine Stundyte hat sich mit ihrem Debüt bei den Salzburger Festspielen2020 als Elektra international einen Namen gemacht und ist in dieser Rolle danach auch schon an der Staatsoper aufgetreten. Mit Erfolg, auch wenn manche Kritiker bemängeln, dass ihr für diese heroische Figur die heldisch-große Stimme fehle. Das mag stimmen, aber eine junge, seelisch durch eine traumatische Erfahrung verletzte und weiterhin verletzliche Elektra, die sich verzweifelt bemüht, den Auftrag, den Tod des Vaters zu sühnen, zu erfüllen und alles – unter Verzicht auf ein übliches Frausein – auf diese Karte setzt, ist eine durchaus stimmige Lesart. Ihr etwas dunkler, aber Wärme ausstrahlender Sopran spiegelt die inneren Konflikte wider, die sie bei der Umsetzung ihrer Bestimmung überwinden muss. Ein Prozess des Self-Empowerments, der Respekt und Bewunderung verdient und er sich in weiterer Folge auch in sarkastischen, spöttischen Äußerungen gegenüber ihrer harmoniebedürftigen Schwester und ihrer von Albträumen geplagten Mutter äußert. Darstellerisch imponiert Stundyte mit starken Gesten.

Der klare, helle Sopran von Camillla Nylund passt stimmlich gut zur Person der Schwester von Elektra und unterstreicht die Gegensätzlichkeit der beiden Frauen. Auch Chrysothemis leidet unter dem Trauma des Verlusts ihres, aber sie träumt von einem einfachen Leben in einer idyllischen, bukolischen Gegend fernab vom verrucht-verfluchten Königshof, den sie als Kerker empfindet. Chrysothems sucht ihr Heil in der Flucht: Sie ersehnt sich ein anderes Leben, wo sie ihr traditionellen Vorstellungen vom Frausein verwirklichen kann: Heirat, und sei es nur ein Bauer, Kinderkriegen, Heim und Garten.

Dass Michaela Schuster eine begnadete Sängerdarstellerin, hat sie an der Staatsoper erst kürzlich als hartherzige Äbtissin in Suor Angelica und als ausgelassen komische Base in Gianni Schicchi im Rahmen der Premiere von Puccinis Il trittico unter Beweis gestellt Die vielseitige Mezzosopranistin, eine gesuchte Wagner-Sängerin, ist eine bühnenpräsent auftretende Klytämnestra, herrisch und machtbewusst, zugleich aber offensichtlich auch verunsichert durch ein schlechtes Gewissen, das zu Schlaflosigkeit und bösen Träume führt. Ihre Auseinandersetzung mit Elektra, von der sie sich eine Entspannung erhofft, die aber nicht eintritt, sondern die Unversöhnlichkeit verfestigt, gehört zu den dramatischen Höhepunkten des Abends.

Günther Groissböck ist ein markiger, stimmstarker Orest und singt, wie bei ihm üblich, mit wunderbarer Textdeutlichkeit, was ihn, wie auch Michaela Schuster, auszeichnet und bei einem Libretto, das von Hugo von Hofmannsthal stammt, eine Wohltat ist,

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Günther Groissböck (Orest),

Thomas Ebenstein hat einen kurzen, aber nachhaltigen Auftritt als kauziger, Charakterschwächen offenbarender Ägisth, Wolfgang Bankl ein treuer, verlässlicher Pfleger des Orest und wie immer, auch in den kleinsten Rollen, bestes vorbereitet und darstellerisch und gesanglich überzeugend.

Hervorragend besetzt mit Kräften aus dem Ensemble und dem Opernstudio sind auch die vielen weiteren Nebenrollen, allen voran die fünf Mägde (Stephanie Maitland, Julietta Mars, Daria Sushkova, Regine Hangler und Aurora Marthes) und deren resolute Aufseherin (Stephanie Houtzeel).

Die Aufmerksamkeit auf sich ziehen weiters auch Lukas Schmidt und Marcus Pelz als junger und alter Diener, ebenso die junge Daria Kolisan als Vertraute und Alma Neuhaus als Schleppenträgerin sowie die sechs Dienerinnen, die es verdienen, namentlich erwähnt zu werden: Maria Isabel Segarra, Secil Ilker, Jaya Maria Last, Dymena Mejts, Zsuzsanna Szabo, Sabine Kogler.

Sehr erfreulich, dass sich die Pflege des Opernschaffens von Richard Strauss, der vor rund hundert Jahren Chef des Hauses war, in dieser Saison schon mit mehreren Werken gut präsentieren und bestätigen konnte, Das gilt erfreulicherweise besonders auch für die vom Publikum geührend gefeierte Elektra.

 

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