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WIEN/ Staatsoper: ELEKTRA – Zwei Brünnhilden und eine Königstochter

Staatsoper Wien 14.12.2025 ELEKTRA

Zwei Brünnhilden und eine Königstochter

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In Mykene nichts Neues – und das ist gut so: Die Atriden-Meuchelei wird in einer weiteren Aufführungsserie in der bereits 36 Jahre alten zeitlos-zeitgemäßen Inszenierung von Harry Kupfer im imposanten Bühnenbild von Hans Schavernoch und den beeindruckenden Kostümen von Reinhard Heinrich – dies alles kann man getrost als Glücksgriff bezeichnen – an der Wiener Staatsoper präsentiert.

Alexander Soddy, ebenso ein Glücksgriff und mittlerweile häufiger Gast an vielen großen Bühnen der Welt – so arbeitet er unter anderem am neuen Ring-Zyklus an der Mailänder Scala  –, führt das Wiener Staatsopernorchester gekonnt mit großem Bogen ebenso wie unter detailliert gezeichneter Ausgestaltung der musikalischen Subtilitäten (besonders in der Erkennungsszene Elektra – Orest) durch alle Fallstricke der Partitur über das große griechische Drama.

Besonders spannend und ungewohnt die Besetzung der drei zentralen Damenrollen der Hofmannsthal-Strauss’schen Tragödie in ihrer Kombination: Rollendebütantin Nina Stemme als Klytämnestra und Publikumsliebling Camilla Nylund als Chrysothemis waren bzw sind als weitgereiste Brünnhilden unterwegs, während sich Aušrinė Stundytė als Elektra im Vergleich dazu eher lyrisch ausmacht. Dies führt im Gesamtkonzept zu einer selten gehörten Dynamik:

Stundytė zeigt neben ihrer alle Blicke auf sich ziehenden Darstellung, die sich von gehetzt, gekränkt, beleidigt, trotzig, nervös bis hin zu ekstatisch erstreckt, eine Atridentochter der subtilen Töne, von der man sich die eine oder andere Attacke vor allem in der Höhe gewünscht hätte. Ihre stärksten Momente hat sie daher in den Monologen und der besonders emotional-sensitiv gestalteten Szene mit ihrem Bruder. Mit den unerschöpflich scheinenden vokalen Mitteln ihrer weiblichen Verwandtschaft kann sie hingegen nicht mithalten.

Nina Stemme im Gegensatz dazu wird engagiert und liefert: Ohne jegliche stimmliche Abnützungserscheinungen verkörpert sie die Gattenmörderin vielleicht weicher und liebevoller als manche ihrer Rollenvorgängerinnen, während Camilla Nylund in gewohnter Manier große (und hier besonders passend: weibliche) Eleganz bei ihrer Gestaltung in stimmlicher und schauspielerischer Hinsicht walten lässt.

Derek Welton als Orest verfügt über einen wohltönenden Bassbariton und zeigt mit prononciert männlichem Habitus einerseits, dass er das Zeug und den Wunsch hat, der neue Herr (und König) im Haus zu sein, und andererseits, dass er die Morde auch aus Liebe zu seiner Schwester begeht.

Jörg Schneider präsentiert mit großer Wortdeutlichkeit einen zwischen Angst und Überheblichkeit schwankenden Aegisth, der seiner Stieftochter zu Recht misstraut.

Das Publikum durchlebte das mörderische Bühnengeschehen mit Jammer und Schaudern und zollte mit Ausnahme einiger Buh-Rufe für die wohl für manche zu lyrisch klingende Elektra begeisterten Applaus.

Sabine Längle

 

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