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WIEN/ Staatsoper: ELEKTRA

Starke Musik und kraftvoller Gesang aus Graben und Kellerloch

17.10.2018 | Oper


Waltraud Meier (Klytämnestra), Lise Lindstrom (Elektra). Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

WIEN/Staatsoper: ELEKTRA VON RICHARD STRAUSS am 16.10.2018

Starke Musik und kraftvoller Gesang aus Graben und Kellerloch

16.10.2018

Von Manfred A. Schmid

Sie geht weiter – die höchst erfreuliche – nur von der spektakulären Neuproduktion von Berlioz´ Troyens unterbrochene – Serie von durchwegs überdurchschnittlich guten Repertoirevorstellungen im Haus am Ring. Nach Ariadne, Don Pasquale, Barbiere, Nozze und Eugen Onegin nun also Elektra von Richard Strauss. Die 17. Aufführung der bei ihrer Premiere im März 2015 beim Publikum auf wenig Gegenliebe gestoßenen Neuinszenierung von Uwe Eric Lauffenberg zeigt u.a., dass man sich an einen damals vermeintlich konstatierten Geburtsfehler durchaus gewöhnen kann. „Ein Gemenge aus Nacht und Licht, schwarz und hell,“ mit diesen Worten beschrieb der Textdichter Hugo von Hofmannsthal in einem Brief an den Komponisten Stimmungslage wie auch Ambiente der ersten gemeinsamen Oper. Diese Aussage hat den Bühnenbildner Rolf Glittenberg offensichtlich dazu bewogen, ausgerechnet einen Kohlenkeller zum Schauplatz der Handlung zu statuieren. Macht nichts. Die Personenführung ist stimmig, und was an diesem Abend aus diesem Kellerloch zu hören ist, lässt tatsächlich kaum Wünsche offen. Und die Parade der blutüberströmten Racheopfer im patenosterähnlichen Doppelaufzug ist auch nicht ohne…

Erfolg oder Misserfolg, das hängt in diesem Werk in erster Linie von der Güte der alles beherrschenden Dreierkonstellation Elektra – Klytämnestra – Orest ab. Lise Lindstrom, mit ihrem ausdrucksstarken Sopran am Haus am Ring schon als Salome sowie als Turandot in Erscheinung getreten, ist stimmlich und darstellerisch bei ihrem Rollendebüt in der Titelpartie eine wahre Wucht. Expressiv in ihrer Trauer um den ermordeten Vater, höchst dramatisch in ihrer Auseinandersetzung mit der ehebrecherischen Mutter, und fähig zu zartesten Liebesbekundungen gegenüber ihrer Schwester, wenn sie diese als Komplizin für die längst fällige Vergeltungstat, die all ihre Denken und Fühlen beherrscht, zu gewinnen versucht. Dass die große Wagnersängerin Waltraud Meier eine ebenso überwältigende Klytämnestra hinlegt, war ebenso zu erwarten wie die starke und raumfüllende Bühnenpräsenz eines Sänger- Darstellers, wie René Pape einer ist. Meier zeichnet das erschütternde Porträt einer verunsicherten, von Albträumen heimgesuchten, alternden Frau. Wüsste man nichts von ihrer grausigen Untat, man könnte fast Mitleid mit ihr bekommen. Pape als Orest ist der sich zur Rache an seinem geschändeten Vater kompromisslos verpflichtet fühlende Sohn, der endlich die Stunde der Wahrheit gekommen sieht. Berührend die Erkennungsszene mit seiner Schwester Elektra, die er seit Kindestagen nicht mehr gesehen hat, ebenso berührend die Erkenntnis Elektras, wie sehr sie – die einst doch „schön war“, wie sie sagt – durch die unseligen Vorkommnisse und ihre unbedingte Rachegedanken all ihre einstigen weiblichen Reize und Tugenden eingebüßt hat. Und wenn die Rache zum allein bestimmenden Lebensinhalt geworden ist, dann wird auch verständlich, dass sie im ekstatischen Tanztaumel nach vollendeter Tat ihr Leben aushaucht und zu Boden sinkt.


Rene Pape (Orest). Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Eine gute Besetzung ist Anna Gabler als Elektras Schwester Chrysotemis, die sich nach einem erfüllenden Leben als Frau sehnt und das triste, einengende Leben im Palast, der voll von beunruhigenden Erinnerungen ist, fliehen will. Auch sie eine Rollendebütantin wie Ulrike Helzel, die als Schleppenträgerin kurzfristig für Zoryana Kushpler eingesprungen ist. Ein weiterer Einspringer an diesem Abend ist die Hausbesetzung Jörg Schneider, der die ursprünglich Herbert Lippert zugedachte Partie des Aegisth übernommen hat und eine achtbare Leistung erbringt. Geradezu luxuriös besetzt mit guten Kräften aus dem Haus sind die Riegen der je fünf Stimmen zählenden Mägde und Dienerinnen, selbiges gilt auch für die beiden mit Benedikt Kobel und Markus Pelz verkörperten Diener und für Wolfgang Bankl als Begleiter Orests.

Ein verrätseltes Geheimnis bleibt weiterhin Elektras gesungenes Bekenntnis: „Ob ich die Musik nicht höre? Sie kommt doch aus mir.“ Der instrumentale Musikanteil an Oper kommt aber auch an diesem Abend natürlich aus dem Orchestergraben. Die Wiener Philharmoniker – pardon: das Staatsopernorchester – und Richard Strauss, das ist eine Liebesgeschichte, die schon oft beschworen wurde. Michael Boder am Dirigentenpult lässt die Wogen von Hass und Verzweiflung jedenfalls hochgehen, das Blech in blendender Verfassung. Viel und begeisterter Applaus und die leise Hoffnung: So könnte es im Repertoirebetrieb noch eine Weile weitergehen.

Manfred A. Schmid

17.10.2018

 

 

 

 

 

 

 

 

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