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WIEN/ Staatsoper: DON PASQUALE – etwas für schlichte Gemüter

30.04.2015 | Oper

Wiener Staatsoper, Don Pasquale, 29. April 2015

Etwas für schlichte Gemüter


Valentina Nafornita. Foto: Barbara Zeininger

In einem Radiointerview vor der Premiere erläuterte der Wiener Staatsoperndirektor Dominique Meyer die Schwierigkeiten seiner Spielplangestaltung. Für einen reibungslos funktionierenden Repertoirebetrieb, wie er an seinem Hause gesetzlich vorgeschrieben ist, müssen seiner Aussage nach immer wieder sogenannte „einfache“ Stücke angesetzt werden. Und das ist jetzt nicht in künstlerischer  Hinsicht gemeint, sondern betrifft die technischen Auf- und Umbauten und die problemlosen Besetzungsmöglichkeiten. Meyer nannte in diesem Zusammenhang folgende vier Werke im laufenden Repertoire, die relativ einfach gespielt werden können, sollten Opernball oder aufwändige Probenarbeiten anstehen: Tosca, Liebestrank, „Barbier“ und Salome. Auch um eben diese Auswahl zu vergrößern, wählte man Don Pasquale für die Spielzeit 2014/15 als Premiere aus, zuletzt sah man dieses Donizetti-Werk an der Staatsoper vor mehr als 30 Jahren.

Irina Brook – die Tochter des legendären britischen Theaterregisseurs Peter Brook – verpflanzte die Handlung in ein italienisches Nachtlokal der 1960iger Jahre. Ein Anflug von „Italianità“, die auch zu Donizettis Musik passen würde, kam in dieser Aufführung leider nur selten auf. Noëlle Ginefri-Corbel hatte nämlich ein zunächste eher düsteres und schäbiges Lokal, das man in Wien als Cafe-Espresso bezeichnen würde, auf die Bühne gestellt. Weit entfernt von einem mondänen Nightclub, weit entfernt von einer italienischen Bar. Auch die Kostüme von Sylvie Martin-Hyszka hinterließen keinen bleibenden Eindruck, ich frage mich manchmal, wieso kann man nicht einmal talentierte Absolventen von Modeschulen dazu bringen für das modische Outfit auf Opernbühnen zu sorgen.

Nun gut, an die szenischen Darbietungen während einer Ouvertüre hat man sich heute leider fast schon gewöhnt, in den meisten Fällen – so auch diesmal – ist das Visuelle ja komplett überflüssig. Wenn die nächtliche Putzbrigade beim presto der Noten plötzlich wie wild durch das Lokal fegt, ist man eher irritiert als beschwingt. Die Musik des italienischen Vielschreibers Donizetti ist für sich allein spritzig genug und stimmt auch bei geschlossenem Vorhang perfekt auf die – zugegeben seichte – Handlung ein. Und auch die textlichen Ungereimtheiten – etwa wenn Don Pasquale in seiner stickigen Bude über den aufkommenden Wind singt – sind heute eher die Regel des Opernalltags als die Ausnahme.

Dass Brook aber offenbar das Qualitätsniveau in dieser Komödie an amerikanische TV-Vorabendserien oder Musikantenstadl-reife Gags annähert, das verwunderte doch einigermaßen. Wenngleich das Publikum lautstark Gefallen an diesem Klamauk fand. Über das dauernd  verrutschende Toupet des Titelhelden wurde in den Premierenrezensionen schon der Kübel des Spottes gegossen. Wie witzig ein Don Pasquale sein kann, hatte man das vor drei Jahren in Klosterneuburg – ausgerechnet bei einem oft belächelten Freiluft-Sommertheater – in einer Inszenierung von Andy Hallwaxx wesentlich niveauvoller erleben dürfen. Ja, Tragödien sind oft leichter zu inszenieren als das luftig, leichte Witzige!

In musikalischer Hinsicht bemühte sich Jesús López Cobos am Pult des Wiener Staatsopernorchesters um Esprit, was ihm aber nicht in allen Phasen gelang. Star des Abends war natürlich Juan Diego Flórez als Ernesto, der einige Anlaufzeit brauchte, im dritten Akt aber voll auftrumpfen konnte. Seine Stimme besitzt immer noch ihren unverwechselbaren Klang und mit der Höhe spielt sich der Wahlwiener immer noch. Bei seiner Serenade und dem anschließenden Duett mit seiner geliebten Norina spürte man auch lyrische Emotionen. Die positive Überraschung für mich war Valentina Naforniţa als eben diese Norina. Bildhübsch, gertenschlank und sexy – ja warum soll man dies nicht erwähnen – überzeugte sie auch mit einer makellosen Gesangsleistung. Sicher ist sie noch nicht am Ende ihrer musikalischen Entwicklung angelangt, das hört man bei einigen eher erkämpften Übergängen, aber dennoch Chapeau! Michele Pertusi bemühte sich mit allen Kräfte um eine liebenswürdige Charakterzeichnung und sang auch mit wunderschönem Bass, allein den alten Mann wollte man ihm nicht so recht abnehmen. Wesentlich besser gelang es hingegen Alessio Arduini dem Dr. Malatesta ein eigenes Profil zu geben. Sein eher rauer Bariton blühte in den höheren Regionen auf, immenser Spielwitz rundete eine gute Leistung ab. Wie eine peinliche Notarparodie wirkte hingegen Wolfram Igor Derntl, wofür der Sänger aber nicht verantwortlich zu machen war. Was die Regisseurin hier als lustig verstand erschloss sich mir wirklich nicht. Aber vielleicht sollte ich künftig nur mehr Tristan, Wozzeck oder Billy Budd besuchen!

Sein Ziel, eine flexibel einsetzbare leichte Oper mehr im Spielplan zu haben, hat Monsieur Directeur mit dieser Neuinszenierung sicher erreicht. Wie das Ganze aussieht, wenn einmal ein Florez und eine so attraktive Norina nicht zur Verfügung stehen, aber eine andere Geschichte. Dennoch Riesenjubel nach 2 ½ Stunden.

Ernst Kopica

 

 

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