WIEN / Staatsoper: DON PASQUALE – gänzlich neu besetzt und revitalisiert
52. Aufführung in dieser Inszenierung
9. November 2024
Von Manfred A. Schmid
Die Spannung ist groß im ausverkauften Opernhaus, stehen doch für alle Stimmen spektakuläre Rollendebüts auf der Besetzungsliste für Irina Brooks knallbunter Inszenierung, an die man sich inzwischen schon einigermaßen gewöhnt hat. Allen voran Erwin Schrott, der von der Staatsoper schon vor vier Jahren als Don Pasquale angekündigt worden war, aber erst jetzt zum ersten Mal als düpierter älterer Herr auf Freiersfüßen auf der Bühne steht. Der aus Uruguay stammende Sänger/Darsteller, der seinen Rollen gerne eine eigene, unverwechselbare Note verleiht und u.a. als Dulcamara bereits sein komödiantisches Talent unter Beweis gestellt hat, verzichtet weitgehend auf den von Vorgängern wie Ambrogio Maestri geführten ewigen Kampf mit dem verrutschenden und auf den Boden fallenden Toupet und lässt stattdessen lieber seinen markigen Bassbariton verrutschen. Sein noch recht jugendlich wirkender, glatzköpfiger, mit einem Schmerbauch ausgestatteter Titelheld imitiert spöttisch den Tonfall seiner Widersacher und bringt hin und wieder ganz eigene Stimmverrenkungen zu Gehör, um komische Effekte zu erzeugen. Mit zunehmender Dauer wirken diese witzigen Eskapaden allerdings doch etwas angestrengt: Komisch Singen ist eine schwere Kunst. Richtig gelöst und versöhnt mit seiner Rolle ist er erst ab dem herrlich gut gelaunten, zungenbrecherischen Duett „Cheti, cheti immantinente“ mit Malatesta vor dem Vorhang.
Einen nicht ganz gelungenen Start legt diesmal der stimmschöne Tenor Edgardo Rocha hin, der in seiner Auftrittsarie gegen Ende hin mit den hohen, scharf klingenden Tönen zu kämpfen hat. Spätestens in der schmachtenden, von mexikanischen Mariachis begleiteten Serenade „Comé getil“ sowie im anschließenden Duett „Tornami a dir che m’ami…“ mit Norina zeigt er seine Qualitäten als einer der gesuchten jungen Belcanto-Tenöre der Gegenwart.
Ganz in ihrem Element ist Pretty Yende bei ihrem Wiener Rollendebüt als Norina, die sie an anderen großen Häusern, u.a. in London (Covent Garden) und Paris, schon mit Erfolg gesungen hat. Sie braucht für diese Rolle nicht die allergrößte Stimme (die sie nicht hätte), dafür aber eine gesangliche Wendigkeit, um in den höchsten Tönen mit mühelosen Trillern und anmutig hellen Tönen punkten zu können. Ihr zuzuhören und zuzusehen, wie sie mit Don Pasquale umgeht, ist ein Vergnügen, auch wenn man den Eindruck hat, dass sie sich als Geliebte Ernestos wohler fühlt als in der Rolle der Dohn Pasquale malträtierenden Xanthippe. Man spürt in jedem Moment, dass sie Freude am Singen hat und diese Freude auf das Publikum übertragen kann. I feel pretty – you feel pretty.
An diesem Opernabend ist es aber der Malatesta des italienischen Baritons Davide Luciano, der mit seiner wendigen, komödiantischen Allgegenwart und seiner farbenreichen Stimme alle anderen Mitwirkenden in seinen Schatten stehen lässt. Was für ein herrlich singender wie auch spielender Belcanto-Bariton, der zudem auch das Zeug für einen Mozart-Sänger hat und gewiss auch um Verdi keinen Bogen machen muss.
Dirigent Giacomo Sagripanti beeindruckt schon mit seinen perfekten Temporückungen in der Ouvertüre und offenbart sein feines Gespür für musikalische Komik, gibt aber in der von einem wehmütigen Trompetensolo (Christoph Probst) eingeleiteten Arie „Povere Ernesto“ dem Abschied nehmenden Ernesto alle Zeit, um sein Schicksal zu beklagen. Sagripanti ist auf dem besten Weg, im italienischen Repertoire in die Fußstapfen eines Marco Armiliato zu treten, der in Wien erst im Mai in der Tosca auftreten wird.
Ein insgesamt mitreißender, revitalisierter Opernabend, zu dem auch der erst im letzten Akt, dann aber intensiv eingreifende Chor seinen gefällogen Beitrag leistet.