WIEN / Staatsoper: DON PASQUALE
5. September 2023
Von Manfred A. Schmid
Wenn auf dem Programmzettel einer Buffo-Oper der Name Ambrogio Maestri zu lesen ist, kann man davon ausgehen, dass man auf seine Kosten kommen und viel zu lachen haben wird. Ob es sich nun um Verdis Falstaff oder, wie im vorliegenden Fall, um Gaetano Donizettis Don Pasquale handelt, beste Unterhaltung ist garantiert. Der italienische Bass ist ein begnadeter Sänger/Darsteller, der auch in ernsten Rollen, wie etwa als Amonasro, international gefragt ist, inzwischen aber vor allem in komischen Rollen Erfolge feiert und Begeisterung auslöst. Wie Maestri in Irina Brooks grellbunter Inszenierung als beleibter Bonvivant auf dem Massagetisch liegend von Doktor Malatesta sanft gequält wird oder später um die als Unschuld vom Land daherkommenden Norina wirbt, die ihn dann, nach einer Fake-Hochzeit, schonungslos drangsaliert, ist an selbstgefälliger, tollpatschiger Drolligkeit kaum zu übertreffen. Auch wenn ihm, dem alten Hagestolz, noch so übel mitgespielt wird und er sich tatsächlich in einem fort lächerlich macht, bleibt dieser Mann trotzdem eine sympathische Figur, die schließlich in der Lage ist, über sich und ihre Torheit selbst zu lachen. Die Konstellationen und Charaktere mögen aus der commedia dell’arte kommen, doch die Musik Donizettis leuchtet sie aus und lässt sie zu echten Menschen mit wahren Gefühlen, Träumen und Fehlern werden. Und so steht am Ende auch ein Abschied: Don Pasquale muss einsehen, dass sein Traum, ein junges Mädchen zu heiraten, nicht wahr werden wird. Aber ein mögliches Happyend deutet sich an: Don Pasquale sitzt im Lehnstuhl, eine ältere Dame, Norinas Friseurin, streichelt, ihn liebevoll tröstend, seine Hand und seine Wange.
Stefan Asthakof ist Doktor Maltesta, der in der Intrige, die Don Pasquale eine Lehre erteilen und dem jungen Paar Norina und Ernesto zu ihrem Glück verhelfen soll, die Fäden zieht. Der deutsche Bariton wurde nach seinen ersten Jahren im Opernstudio in das Ensemble aufgenommen und hat sich als darstellerisch vielseitig einsetzbarer Künstler international bereits einen guten Namen gemacht. Wie er und Don Pasquale vor dem Vorhang im Duett Pläne schmieden, wie sie Norina und Ernesto bei ihrem Rendezvous im Garten ertappen und bestrafen würden, ist an stimmtechnischer Brillanz – in den atemberaubend rasant plappernden Passagen – wie auch an komödiantischer Lust kaum zu übertreffen. Überhaupt fällt auf, dass die Protagonisten viele eigene Gestaltungsideen und Gags in die ursprünglich doch ziemlich strikt durchorganisierte und durchchoreographierte Inszenierung einbringen. Das belebt die Aufführung, macht sie abwechslungsreich und persönlicher, auch wenn Don Pasquales Haarersatz vielleicht doch etwas weniger oft verrutschen und auf den Boden fallen könnte.
Die amerikanische Sopranistin Andrea Caroll ist eine quirlige, graziöse, Koketterie und Witz ausstrahlende Norina. Das ehemalige Ensemblemitglied bezaubert mit ihrem Spiel nicht nur Don Pasquale, sondern auch das Publikum. Ihre hell-silbrig klingenden Koloraturenläufe sprudeln aus der Kehle, dass es eine Freude ist. Carrolls zierliche Fgur an der Seite des großgewichtigen Maestri, das hat schon was.
Ernesto, der vierte im Bunde, ist dem russische Tenor Dmitry Korchak, an der Staatsoper ein gern gesehener Gast, anvertraut. Als der in die sich entspinnende Intrige noch nicht eingeweihte Ernesto erfährt, dass sein Onkel ausgerechnet Norina heiraten werde, beklagt er in der Arie „Povero Ernesto … Cercherò lontana terra“ sein Schicksal und kündigt seine Abreise an. Eingeleitet wird die Abschieds-Szene von einer unendlich wehmütig klingenden Solotrompete (Bühnenmusiker: Bernhard Bittermann). Eine einzigartige kompositorische Idee Donizettis, die noch hundert Jahre später die Filmgeschichte inspiriert und Anstoß zur Trompete spielenden Gelsomina in Fellinis Film La strada sowie zur Trompeten-Kennmelodie in Der Pate von Francis Ford Coppola gegeben hat. Originell instrumentiert ist auch die von zwei Gitarren begleitete Serenade, bei der Ernesto vom unsichtbaren Chor hinter der Kulisse unterstützt wird. Regisseurin Brooks inszeniert das augenzwinkernd als mexikanisches Marriachi-Ständchen. Korchak, in weißem Anzug, tritt auf wie ein Vorstadt-Casanova und singt mit Schmelz und Inbrunst. Ein musikalischer Höhepunkt, der nahtlos in das pianissimo zu singende, belcantisch süße Duett „Tornami a dir che m’ami…“ mit Norina übergeht.
Gianluca Capuano am Pult des Staatsopernorchesters zeigt schon in der melodiös angelegten Ouvertüre, dass er bei aller Rasanz bestrebt ist, die Eigenart der Musik Donizettis herauszuarbeiten und sie so von Rossini abzuheben. Das Ergebnis ist eine einfallsreiche, spritzige und komödiantische Musik, die aber auch lyrische, idyllische und melancholische Züge aufweist. Der Belcanto-Stil des späten Donizetti weist schon in Richtung Hochromantik.
Das Publikum im erneut nicht ganz ausverkauften Haus zeigt sich begeistert und geizt nicht mit Beifall und Jubelrufen. Es war ja auch ein unterhaltsamer, schwungvoller Opernabend.
Anmerkung: Der beliebte „Programmzettel“ mit Besetzungsliste und Kurzbiographien der Künstler, der um 90 Cent erworben werden kann, ist neu getaltet. Man wird sich an die neue Form bald gewöhnen. Auffällig ist, dass im Fall von Don Pasquale nicht mehr angeführt ist, um die wievielte Aufführung der Inzenierung es sich handelt. Auf dem gestrigten, ebenfalls bereits neuen Programmzettel zu La clemenza di Tito hingegen ist noch „17. Aufführung in dieser Inszenierung“ vermerkt. Willkür oder System?