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WIEN/ Staatsoper: DON GIOVANNI. Premiere. (erlebt als Live-Stream)

DON GIOVANNI – Premiere Staatsoper am 5.12.2021 (Livestreeam)

(Heinrich Schramm-Schiessl)

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Stanislas de Barbeyrac, Hanna-Elisabeth Müller. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Don Giovanni ist jene Oper mit den meisten Neuinszenierungen seit der Wiedereröffnung des Hauses am Ring. Sechsmal stellte man das Werk schon zur Diskussion, aber tatsächlich konnten bislang lediglich zwei Inszenierungen überzeugen. Jene aus dem Jahr 1963 von Oscar Fritz Schuh und jene aus 1972 von Franco Zeffirelli. Nun folgte zu Beginn des neuen Da Ponte-Zyklus die siebente Produktion  durch Barrie Kosky. Nun, Kosky hat mit seinen bisherigen Wiener Inszenierungen – dem „Legoland“-Lohengrin von 2005 und dem eher öden „Macbeth“ im Juni dieses Jahres – nicht überzeugen können und dieser Umstand trifft auch diesmal zu. Eigentlich fragte man sich, was für eine Oper man eigentlich sieht. Sicher, die Musik war von Mozart und das Libretto von Da Ponte, aber das was man auf der Bühnen zu sehen bekam, hatte bestenfalls in Spurenelementen etwas mit Don Giovanni zu tun. Das beginnt schon beim Einheitsbühnenbild von Katrin Lea Tag, die auch für die Kostüme verantwortlich zeichnet, das eine Felslandschaft darstellt, die im Laufe des Abends nur geringfügig verändert wird. Für den 2. Teil des 1. Aktes wachsen plötzlich Bäume aus den Felsen, im 1. Teil des 2. Aktes ziert dann eine Felsskulptur die Bühne und ab der Friedhosszene ein Bassin – Karl- Ernst  Hermann lässt grüßen.

Alle Merkwürdigkeiten der Regie aufzuzählen, würde den Rahmen dieser Kritik sprengen, sodass ich nur drei Beispiele erwähnen möchte. Gleich in der 1. Szene werden wir Zeugen, dass Leporello Don Giovanni hilft, den Komtur umzubringen, also sozusagen zum Mittäter wird. Da es in der Folge die von Don Ottavio gerufenen Diener nicht gibt, man aber die „Leiche“ des Komturs in der nächsten Szene auf der Bühne nicht mehr brauchen kann, steht dieser auf und geht gemächlich durch den Hintergrund ab. Masetto kommt im 2. Akt ohne Freunde auf die Bühne, sodass die Arie des Giovanni, in welcher er alle in verschiedene Richtungen schickt, völlig ihren Sinn verliert. In der Friedhofsszene gibt es natürlich kein Monument des Komturs, sondern Giovanni und Leprello werfen sich, während sie im Wasser waten müssen, gegenseitig einen kleinen runden Stein zu, der offenbar den Kopf des toten Komturs symbolisieren soll.

Auch die Personeführung bleibt eher unauffällig, außer dass Giovanni kein aristkratischer Verführer, sondern bestenfalls ein Praterstrizzi und Leporello über weite Strecken ein  Zappelphilipp ist. Überhaupt sind die meisten Protagonisten und auch der Chor, wie es im heutigen Theater ja üblich ist, ständig in Bewegung und hüpfen natürlich zeitweise im Takt der Musik. Da das ganze ja im Heute spielt – die Alltagskostüme lassen darauf schliessen – wird natürlich mit eindeutigen körperlichen Zugriffen nicht gespart. Nur der Vollständigkeit halber – Don Giovanni fährt natürlich nicht zur Hölle, sondern stirbt offenbar an einem Herzinfarkt, was auch nicht unbedingt neu ist.

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Patricia Nolz, Peter Kellner und Chor. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Leider kommt auch dazu, dass die musikalische Ausführung nicht dem Standard entspricht, den man bei diesem Werk im Haus schon erlebt hat. Alle Sänger waren durchaus bemüht, aber man wurde immer wieder daran erinnert, dass man alles schon viel viel besser gehört hat. Kyle Ketelsen in der Titelrolle sang zwar ganz ordentlich, differenzierte aber kaum. So war zum Beispiel in der Klangfarbe zwischem dem Duett mit Zerlina und der Champagnerarie – Übergenaue mögen mir verzeihen, aber in Wien heißt sie nun einmal so – überhaupt kein Unterschied. Philippe Sly als Leprello bot einen ähnlichen Eindruck wie als Figaro. Er sang alles recht brav aber blieb weitestgehend wirkungslos. Hanna-Elisabeth Müller als Donna Anna zeigte in den lyrischen Stellen durchaus auf, stieß aber, wenn es dramtisch wurde, an ihre Grenzen. Stanislas de Barbeyrac als Don Ottavio setzte seine schon ins Zwischenfach gehende Stimme recht gekonnt ein, allerdings ist sein Timbre für Mozart eigentlich nicht wirklich geeignet. Kate Lindsey teilt das Schicksal vieler Mezzosopranistinnen, die die Donna Elvira singen – die Partie wird ihr irgendwann zu hoch, meist in der großen Arie im 2. Akt.. Im 1. Akt konnte sie mir durchaus gefallen, nach der Pause blieben dann einige Wünsche offen. Patricia Nolz vom Opernstudio ist als Zerlina durchaus ein Vesprechen für die Zukunft. Es fehlt ihr allerdings der Silberklang in der Stimme, der für diese Rolle unabdingbar ist. Peter Kellner bemühte sich redlich um den Masetto und Ain Anger als Komtur war leider nicht ganz auf der Höhe seiner Möglichkeiten. Über die Rollengestaltung der einzelnen Sänger etwas zu sagen, fällt mir schwer. Sie taten zwar offenbar alles, was der Regisseur von ihnen verlangte, irgend eine Eigeninitiative konnte ich nicht bemerken.

Philippe Jordan hat das Orchester sicher korrekt einstudiert, allerdings ging von diesem wie schon beim „Figaro“ kaum eine Atmosphäre aus. Das Zeitmaß passte zwar halbwegs, aber man merkte überhaupt keinen Unterschied in der Stimmung der einzelnen Szenen. Beiläufig, wenn nicht zeitweise sogar unpräzis waren leider wieder einmal die Rezitative. Das ist ein Phänomen, das schon lange auffält – offenbar nehmen sich die Dirigenten nicht mehr wirklich die Zeit, die Rezitative mit den Sängern zu erarbeiten. Das Orchester, das das Werk natürlich bestens kennt, versuchte das Beste aus der Situation zu machen. Der von Thomas Lang einstudierte Chor entledigte sich seiner Aufgabe zufriedenstellend.

Heinrich Schramm-Schiessl

 

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