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WIEN/ Staatsoper: DON GIOVANNI – die Staatsoper jetzt endgültig im Repertoire angekommen

WIEN/ STAATSOPER – 21.9.2022 „DON GIOVANNI“

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Kyle Ketelsen, Philippe Sly. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Die beiden „Eröffnungswochen“ sind vorbei, mit dem „Don Giovanni“ ist die Staatsoper jetzt endgültig im Repertoire angekommen. Dabei erweisen sich Kyle Ketelsen in der Titelpartie und Philippe Sly als Leporello mit ihrer sportlichen Bühnenpräsenz als treibende Kräfte der im Dezember 2021 unter Lockdown-Bedingungen aus der Taufe gehobenen Neuinszenierung in der Regie von Barrie Kosky.

Die beiden sind seit der Premiere der unermüdliche Motor dieser Produktion, beleben das karge, schwarze Felsplateau des Bühnenbildes, tragen die Aufführung. Don Giovanni selbst ist voller schlaksiger Umtriebigkeit. Er zeigt gut gebaut die nackte Brust, punktet aber mehr mit seinem Körper und weniger mit seiner Stimme. Seine gesanglichen Verführungskünste nehmen sich viel zu hölzern aus, für das Finale fehlen die stimmlichen Reserven, um wirkungsvoll die Selbstbehauptung des Individuums gegenüber den höllischen Mächten herauszustreichen.

Dass dabei zunehmend der Leporello des Philippe Sly die präsentere Wirkung ausübt, ist eine interessante Entwicklung. Leporello jongliert, hüpft, taucht ins Wasser, ist nicht nur Diener, sondern auch clownesker Unterhalter am Hofe Don Juans – ein Mozartscher Puck, ein dienstbeflissener Geist des großen Verführers. Hat Sly nicht sogar den etwas stärkeren Schlussapplaus erhalten? Sly macht inzwischen auch gesanglich mehr aus seinen Möglichkeiten.

Es gab im Vergleich mit der letzten Aufführungsserie im Juni zwei Neubesetzungen: Pavol Breslik hat den Don Ottavio schon 2011 an der Staatsoper gesungen. Seine mit feinem Piano gestalteten Lyrismen im „Dalla sua pace“ nehmen sich inzwischen nicht mehr ganz so frisch aus. Sein Don Ottavio ist kerniger geworden, jetzt mehr Mann als Liebhaber. Insofern hätte er besser zur Donna Elvira der Tara Erraught gepasst, die sich mit dieser Aufführungsserie erstmals in dieser Rolle dem Wiener Publikum vorstellt. Kate Lindsey (Premierenbesetzung) war zwar besser auf das Kosky-Konzept eingeschworen und besitzt mehr darstellerische Power,  Erraught hat dafür mehr Stimme und bringt auch ihre große Arie kompakter, wenn auch mit einem Schuss Herbheit versehen, über die Rampe. Aber auch für sie gilt: Man würde sich für Mozart ausgewogenere Stimmen wünschen, konnte einen doch nicht einmal die Zerlina der Patricia Nolz diesbezüglich verwöhnen.

Die Donna Anna der Hanna-Elisabeth Müller beschränkte sich darstellerisch und gesanglich wieder auf eine „brave Verzweiflung“, die aus der Rolle kaum Profit zu schlagen vermag. Martin Häßlers Masetto und der undämonische Komtur von Ain Anger (mit seinen unmotivierten Ab- und Auftritten zudem ein Opfer der Regie) rundeten die  Aufführung ab. Das Orchester unter der Leitung von Philippe Jordan, der auch am Hammerklavier begleitete, hätte Mozarts Witz und Emotionen markanter nachspüren können. Vieles davon ging in einer eher breiten, mehr an der Oberfläche dahinströmenden „Romantik“ unter.

Das Publikum – viel Jugend auf der Galerie (Schulkassen?) – spendete kurzen, mehr pflichtbewussten Szenenapplaus und knappe fünf Minuten Schlussbeifall. Der Galeriestehplatz war schon auf Halb Mitte gähnend leer – kaum Stammpublikum anwesend.

Dominik Troger/ www.operinwien.at

 

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