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WIEN / Staatsoper: DON GIOVANNI

Neue frische Gesichter und Stimmen beleben Koskys Inszenierung mit neuen Facetten

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Davide Luciano (Don Giovanni) und Peter Kellner (Leporello). Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: DON GIOVANNI mit frischen neuen Stimmen

27. Aufführung in dieser Inszenierung

4. Oktober 2024

Von Manfred A. Schmid

Drei mit Spannung erwartete Gäste mit Rollendebüts in Barrie Koskys mit exzellenter Personenführung in einer rätselhaft bleibenden Bühne auftrumpfender Inszenierung prägen den Opernabend, indem sie in ihre Gestaltung der jeweiligen Figur neue Facetten einbringen. Es gibt jedenfalls Raum für kleine Abweichungen bei den bereits bekannten Wanderungen über Höhen und Tiefen einer kahlen, grauschwarzen Mondlandschaft, und der wird diesmal ausgiebig genützt. So ausgelassen haben sich Don Giovanni und sein Diener Leporello bisher jedenfalls noch nicht gebalgt wie Davide Luciano und Peter Kellner. Die Pritschel-Orgie vor dem Gastmahl und das Ballspiel mit dem auf einen Kopf geschrumpften Denkmal des Komturs – warum der so sein muss, bleibt ein Geheimnis – ist an Infantilität nicht zu überbieten und gibt vielleicht einen Hinweis auf Don Giovannis Verfassung: Ist er ein Mann, der nie erwachsen wurde? Luciano, der gefeierte Titelheld in Casteluccis Salzburger Festspiel-Don-Giovanni der letzten zwei Jahre, heuer unter der musikalischen Leitung von Teodor Currentzis, ist trotz seiner Jugend ein ausgezeichneter Don Giovanni, mit einem fabelhaft farbigen, etwas dunklen Bariton und unbändiger Spiellaune. Der in dieser Inszenierung schon erfahrene Peter Kellner blüht an seiner Seite regelrecht auf und gibt seinen bisher wohl besten Leporello. Die Registerarie ist facettenreich angelegt, erfüllt von Bewunderung, Neid, Respekt und Verachtung.

Ein treffliches Rollendebüt feiert auch die fast noch blutjung zu nennende Sopranistin Louise Alder. Bisher vor allem als Zerlina geschätzt und in Wien als Susanna in Mozarts Nozze in guter Erinnerung, wagt Alder nun den großen Sprung und zeigt, dass die 2017 mit dem Young Singer Award ausgezeichnete Sängerin das dafür nötige Rüstzeug hat und heuer mühelos in Glyndebourne auch als Gräfin Almaviva reüssieren wird. Mit ihrem lyrischen, klangvollen Sopran und ihrer anmutigen Art bezaubert sie das Publikum.

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Louise Alder (Donna Anna) und Bogdan Volkov)

Mit Superlativen ist auch das Debüt des kroatischen Basses Ante Jerkunica zu beschreiben, der den seit Langem eindrucksvollsten Auftritt als Komtur gestaltet. So schaurig und Gänsehaut hervorrufend geht er ans Werk und zerrt den sich hartnäckig unbelehrbar zeigenden Grafen der ewigen Lüste hinter sich her in die ewige Verdammnis.

Ilja Kazakov, eine Hausbesetzung für den etwas tölpelhaften Masetto, ist der vierte Debütant des Abends. Das aus dem Opernstudio kommende Ensemblemitglied hat sich als besonders vielseitig einsetzbar erwiesen und besonders im italienischen Fach bewährt. Für Mozart ist er vielleicht nicht gerade die beste Wahl, aber jedenfalls mehr als rollendeckend und auch darstellerisch bemüht. Ob er Komödie kann, bleibt offen.

Die übrigen Rollen sind mit in dieser Inszenierung bereits bestens bewährten Kräften besetzt. Bogdan Volkov stellt als Don Ottavio wieder einmal seine Stärke als Mozart-Tenor unter Beweis, und die famose australischen Sopranistin Nicole Car, die an der Wiener Staatsoper 2020 als Tatjana debütierte und u.a. bereits auch als Marguerite in Faust, Mimì und Desdemona zu bewundern war, überzeugt wieder als innerlich von ihrer toxischen Liebe zu Don Giovanni zerrissene Donna Elvira.

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Davide Luciano (Don Giovanni) und Ante Jerkunica (Komtur)

Isabel Signoret ist eine temperamentvolle, lebensfrohe Zerlina, ihr versöhnliches Angebot in „Batti, batti, o bel Masetto“ mag nach heutigen Standards zwar mehr als fragwürdig klingen, wird von ihr aber so unbeschwert vorgetragen, dass man gerne darauf vergisst, hier weiter nachzugrübeln.

Der in der Ukraine geborene Dirigent Oleg Ptashnikov, bei den Salzburger Festspielen in Mieczyslaw Weinbergs Oper Der Idiot am Pult der Wiener Philharmoniker gestanden, dürfte mit diesem Orchester schon ein gutes Einverständnis erreicht haben. Der Wiener Mozartklang hört sich jedenfalls an wie gewohnt, auch die Tempi passen. Am Hammerklavier werkt Annemarie Herfurth.

Der Applaus zeugt von großer Begeisterung, was sich auch in seiner Dauer niederschlägt: Die gewohnten fünf Minuten werden überboten. Wien und Mozart. Das hat schon was.

 

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