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WIEN / Staatsoper: DON GIOVANNI

Kontrastierende Rollendebüts geben neue Einblicke in die Psyche von Don Giovanni & Co.

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Andrzej Filonczyk (Don Giovannie), Christopher Maltman (Leporello). Alle Fotos: Wiener Staatsoper (Michael Pöhn)

WIEN / Staatsoper: DON GIOVANNI

24. Aufführung in dieser Inszenierung

14. April 2024

Von Manfred A. Schmid

Allzu langes Festhalten an der Premierenbesetzung Kyle Ketelsen/Don Giovanni und Philippe Sly/Leporello hat die Barrie-Kosky-Inszenierung aus dem Jahr 2021 zuletzt schon ziemlich auf der Stelle treten lassen. Durch kontrastreiche Rollendebüts wird sie nun endlich gründlich aufgefrischt und mit neuer Dynamik versehen. Mit Andrzej Filonczyk steht ein erstaunlich junger Don Giovanni auf der Bühne, dem man die in der Registerarie genannte Zahl an Eroberungen zunächst kaum glauben möchte. Der polnische Bariton, der in dieser Rolle sein Hausdebüt an der Semperoper in Dresden absolviert hat und als Don Giovanni vor zwei Monaten auch in Neapel zu erleben war, ist weniger zynisch und fies als Ketelsen. Unbändige Lebens- und Liebeslust als Antriebsfeder seiner erotischen Abenteuer nimmt man ihm eher ab als dem zwanghaft triebgesteuerten, sexsüchtigen Don Giovanni seines Vorgängers. Man ist daher eher geneigt, dem Mitleid, das ihm sein anhängliches Opfer Donna Elvira am Schluss zugesteht, beizupflichten. Man könnte ihm durchaus jugendlichen Leichtsinn und am Schluss, als er angesichts der drohenden Höllenfahrt nicht zur Reue bereit ist, jugendlich-trotzige Verweigerung konventioneller Gegebenheiten als Milderungsgrund zugestehen. Stimmlich zeigt sich Filonczyk den Herausforderungen dieser Rolle, mit seinen erst 30 Jahren, erstaunlich gut gewachsen. Natürlich gibt es da noch Entwicklungspotenzial, die Champagner-Arie könnte die hedonistisch grenzenlose Lebenslust überschwänglicher besingen. Man wird dem auch darstellerisch und hinsichtlich Bühnenpräsenz gut ausgestatteten Bariton aber gewiss noch oft begegnen und sich dann gerne an diese erste Begegnung mit ihm erinnern.

Christopher Maltmans Wiener Rollendebüt als Leporello kommt vielleicht 15 bis 20 Jahre zu spät. Trotzdem wird es zu einem Ereignis, geht man üblicherweise doch davon aus, dass Don Giovannis Diener etwas jünger oder etwa gleich alt wie sein Herr ist. Wie hier ein schon etwas in die Jahre gekommener Helfershelfer aktiv wird, bleibt nicht ohne Reiz. Vor allem aber legt Maltmann, der bei Premiere der Don Giovanni-Inszenierung von Claus Guth bei den Salzburger Festspielen 2008 noch in der Titelrolle gefeiert wurde, in seiner Gestaltung des Leporello mehr Gewicht auf die komischen Züge, was sich sowohl in seinen Interaktionen mit Don Giovanni als auch in seinem Gesang niederschlägt, wo er des Öfteren andere nachahmt und sich parodierend als kritischer Beobachter des Geschehens zu erkennen gibt. Er löst in Mozarts und Da Pontes „dramma giocoso“ vor allem den „giocoso“-Anteil mit sichtlicher Freude und Spiellaune ein. Mit seinem satten, wohlklingenden Bariton korrespondiert er vortrefflich mit Filonyzyks frischer Stimme, ohne sie in den Schatten zu stellen.

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Nicole Car (Donna Elvira), Andrzej Filonczyk(Don Giovanni)

Höchst erfreulich ist auch Nicole Cars erste Donna Elvira an der Staatsoper. Die australische Sopranistin, die in Wien u.a. bereits in Eugen Onegin und Faust Lob einheimsen konnte, geht als ewiges Opfer wie auch als vergebliche Retterin Don Giovannis mit unbeirrtem Elan ans Werk  und brilliert mit ihren stimmlichen Finessen ebenso wie mit ihrer fesselnden Darstellung. Wie sie in „Mi tradi“ die grausame Behandlung durch ihren den Verführer in sanftmütig anklagenden Koloraturen anprangert, ist die wohl packendste und eindringlichste Szene des Opernabends.

Die Liste der bemerkenswerten Rollendebüts wir vervollständigt durch den fabelhaften Bariton Jusung Gabriel Park aus dem Opernstudio des Hauses, der der Figur des nicht ohne Grund eifersüchtigen, etwas tölpelhaften, aber auch durchaus liebenswerten Masetto ein sympathisches Profil und eine ausdrucksstarke Stimme verleiht. Isabel Signoret als Zerlina ist eine in dieser Rolle schon bewährte Zerlina, die für ihre Arie „Vedrai, carino, se sei buonino“ zurecht ausgiebigen Applaus bekommt.

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Jusung Gabriel Park (Masetto), Isabel Signoret (Zerlina).

Bewährte Kräfte in dieser Inszenierung sind weiters Ensemblemitglied Slavka Zamecnikova als betörend singende, immer selbstbewusster und bestimmender auftretende Donna Anna, und Bogdan Volkov, der mit seinem lyrischen Tenor Don Ottavio, Donna Annas Bräutigam, mit innigem, mitfühlendem, mozartischem Flair ausstattet. Kein heldischer Tamino, sondern ein sensibler Softie, der gegen den verbrecherischen Don Giovanni nicht den Säbel zückt, sondern lieber den Amtsweg beschreitet und den Missetäter zunächst einmal anzeigt. Auch Antonio di Matteo als Komtur ist nicht neu, hat aber ein weiteres Mal mit seinem blutbefleckten Auftritt im letzten Akt mehr Furcht erregt als durch seinen in der Tiefe nicht ganz so profunden Bass. Doch auch hohle Töne können irgendwie schaurig wirken.

Auf Mozart bestens eingestellt – wie sollte es auch anders sein – erweist sich das Orchester unter der Leitung von Bertrand de Billy, der in diesem Frühjahr an der Staatsoper beinahe im Dauereinsatz ist und die von Mozart erstellte Mischung aus dramatischen, oft auch düster und geradezu dämonisch klingenden Tönen und lieblichen Klängen elegant und mitreißend gestaltet. Raffiniert und klug geht de Billy auch bei der dynamischen Akzentuierung  und der Wahl der Tempi vor. Lob gebührt Tommaso Lepore am Hammerklavier.

Starker Applaus des Publikums, in dessen Reihen sich diesmal – vor allem auf der Galerie – auffallend viele junge Leute befinden. Ob ihnen die eintönig dunkle Karstlandschaft gefällt, die zwei Akte lang die Bühne darstellt? Man kann wohl davon ausgehen, dass es vor allem die Musik Mozarts und der Zauber des Librettos von Lorenzo da Ponte ist, die hier im wahrsten Sinn des Wortes tonangebend sind und das Ensemble wie auch das Publikum beflügeln. Der kundige Personenführung durch den Regisseur Barrie Kosky ist eine Beteiligung am Erfolg nicht abzusprechen, auch wenn es ärgerlich ist, dass das, was die Protagonisten auf der Bühne machen, so oft im Widerspruch zu dem steht, was im Text steht, von ihnen gesungen wird und auf dem Display mitzulesen ist. Absoluter Widersinn und lächerlich absurd.

 

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