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WIEN/ Staatsoper: DON CARLO – eine szenische Nullnummer. Premiere

Wien: „Don Carlo“ Staatsoper-Premiere „Szenische Nullnummer“. 26.9.2024

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„Der Großinquisitor“ Dmitry Ulyanov. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Die erste Staatsopern-Premiere der neuen Saison wurde mit vielen Buhrufen „bedankt“. Kirill Serebrennikov hat Giuseppe Verdis „Don Carlo“ zu einer zeitgeistigen Kritik an den ausbeuterischen Praktiken der Textilindustrie umgemünzt. Im kühlen Ambiente des „Instituts für Kostümkunde“, das von Ökoaktivisten gestürmt wird, versandete Verdis Oper zur einer Nullnummer heutigen Regietheaters – aber auch musikalisch war es keine Sternstunde.

Diese Neuproduktion ist in der Tat ziemlich erklärungsbedürftig, ihr Bezug zur Oper „Don Carlo“ von Guiseppe Verdi schon dermaßen „konstruiert“, dass so ziemlich alles auf der Strecke bleibt, was den Gehalt dieser Oper ausmacht. Entsprechend schwer ist es, in dieser Inszenirung die von Verdi entwickelten Charaktere und ihre Handlungsmotive zu erkennen – und die marginalisierende und banalisierende Personenregie bot dabei keine Hilfestellung. Es ist also wenig überraschend, wenn sich bei mir bald der Eindruck einer kollektiven Lustlosigkeit einstellte – doch vielleicht ist das meinerseits zu „subjektiv“ interpretiert.

Es wäre allerdings unfair, wollte man nicht den Versuch wagen, sich ein wenig in die Gedankenwelt des Regisseurs „einzufühlen“. Kirill Serebrennikov hat die Handlung in das besagte „Institut für Kostümkunde“ verlegt, das „origineller“ Weise in Saint-Just angesiedelt ist. Das helle Bühnenbild wirkt kühl, bietet eine Mischung aus Labor und Büro. In grauen Schränken mit riesigen Laden werden Kostüme gelagert: mit großem Aufwand nach historischen Vorlagen erstellte Nachbildungen von Gewändern des 16. Jahrhunderts. Diese Gewänder werden von Statisten getragen, manchmal auch von den Sängerinnen und Sängern. Das Aus- und Anziehen der Gewänder – nackte Statisten, die man dann fürsorglich ein- und auskleidet – ist ein ganz wesentliches, sich wiederholendes, und zunehmend in Langeweile verebbendes Element der Inszenierung…

…Beim Schlussapplaus traf das Regieteam ein Buhorkan. Die Sänger wurden mehr oder weniger stark gefeiert – wobei sich das eigentliche Stammpublikum beim Beifall eher zurückhielt. Der Applaus dauerte um die acht, neun Minuten lang.

PS: Schon ganz am Beginn, als sich der Vorhang gerade geöffnet hatte, tönte süffisant eine Stimme aus dem Publikum, um das Bühnenambiente zu „würdigen“ – und sprach ein lautes „Schön!“. Die Pointe wurde verstanden, wie zustimmendes Gelächter bewies.

PPS: Die Vorgänger-Inszenierung von Daniele Abbado stammte aus dem Jahr 2012 und ist wirklich kein „Geniestreich“ gewesen, hat aber im Wesentlichen die Geschichte erzählt. Aber seitens der Direktion wird bei der „Erneuerung“ des Repertoires eine künstlerische „Augen-zu-und-durch“-Politik betrieben, die vor allem darauf berechnet scheint, dass die Ressource des touristischen Publikums für das Haus quasi ebenso „unerschöpflich“ ist wie die staatlichen Subventionen.

http://www.operinwien.at/werkverz/verdi/acarlos21.htm

Dominik Troger/www.operinwien.at

 

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