Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

WIEN/ Staatsoper: DON CARLO – diesmal mit Ramon Vargas

Wiener Staatsoper, „Don Carlo“, 19.12.2021

carlo1
Ekaterina Gubanova, Boris Pinkhasovich. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Die aktuelle „Don Carlo“-Serie an der Wiener Staatsoper war bereits im Vorfeld von Umbesetzungen geprägt. Der ursprünglich geplante Filippo wurde zum Großinquisitor, ein Gurnemanz sprang als spanischer König ein, die Königin und der Dirigent mussten ersetzt werden – und jetzt ist auch noch der Tenor erkrankt.

Die zweite Vorstellung des „Don Carlo“ empfing die Besucher mit dem bekannten rosa Zettel beim Abendplakat: Ramón Vargas übernahm die Titelpartie von Fabio Sartori. Vargas ist die Inszenierung bestens bekannt, hat er doch die Premiere und viele Reprisen gesungen. Er zählt an der Staatsoper seit vielen Jahren zu den verlässlichsten Interpreten dieser Rolle und hat sie auch viele Male in der französischen Version die Titelrolle gesungen.

Seine Stimme klang ausgeruht und er konnte wieder alle Vorzüge seines leicht baritonal gefärbten Tenors ausspielen, der den Don Carlo als melancholische Liebesgeschichte erzählt: ein Idealist des Herzens, der in einer Welt voller Intrige und Verrat von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Wie oft in der Vergangenheit kam auch diesmal seine Stimme erst nach dem ersten Bild so richtig in Schwung, um auch an diesen Abend für eine überzeugende Rolleninterpretation zu sorgen.

Sein „Bühnenvater“ – gesungen von René Pape – ist ohnehin mehr von deutschem Intellekt geprägt und hält die schwelenden Leidenschaften unter bürokratischem Zwang. Diesem Filippo scheint es um Macht zu gehen, um Ordnung und um männlichen Stolz. Sein „Ella giammai m’amò!” war gut durchgestaltet, hielt die Emotionen aber bis auf ein paar mächtige Ausbrüche in Zaum, ohne sich zu sehr vom Schmerz „anweichen“ zu lassen. Das hat womöglich auch mit seinem Bass zu tun, der sich dann doch nicht so süffig anschmiegt und den Bühnencharakter ein bisschen auf emotionaler Distanz zu halten scheint. Die imposante Bühnenerscheinung sichert Pape ohnehin das Königtum: Don Carlo hat gegen diesen autoritären Vater keine Chance. Pape stand wie Vargas 2012 in der Premierenbesetzung dieser Produktion. (Pape hätte in der aktuellen Serie des „Parsifal“ den Gurnemanz singen sollen, tauschte die Partie aber gegen den Filippo ein.)

carlo2
Maria José Siri, Rene Pape. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Als Elisabetta hat Maria José Siri die Partie von Asmik Grigorian übernommen. Siri war vor dem Lockdown im November schon als Abigaille eingesprungen, aber die Elisabetta ist die dankbarere und für ihren Sopran wohl auch passendere Rolle. Siri hielt die Stimme diesmal gut am „Zügel“, auch die Spitzentöne, und sorgte für ein stimmiges Rollenporträt. Sie fand in der großen Arie im vierten Akt zu innigen Tönen und schien gut mit Vargas zu harmonieren. Die beiden Liebesszenen hatten viel Herz und Schmerz.

Mit kräftigem Bariton gab Boris Pinkhasovich den Posa, eine vielversprechende Stimme, gerade auch für dieses Fach – und nicht nur kräftig, sondern auch mit Gestaltungswillen begabt. Sein Posa hatte jugendliches Feuer, zeigte gegenüber dem Filippo den nötigen Respekt – und suchte im Bühnentod einen mehr heroischen Zugang.

Die Eboli der Ekaterina Gubanova konnte im Vergleich nicht ganz mithalten, ein bisschen mehr Eleganz und wohlgerundetere Spitzentöne hätten nicht nur dem Schleierlied gut getan. Ihr Mezzo blieb sich den Abend über zu einförmig, ihre Bühnenpräsenz war hingegen überzeugend – und das ist in dieser hinlänglich bekannten, unauffälligen Inszenierung von Daniele Abbado schon die „halbe Miete“.

Ain Anger, ursprünglich als Philipp geplant, war ein guter Großinquisitor. Dan Paul Dumitrescu (auch seit der Premiere mit dabei) sang wieder den geheimnisvollen Mönch. Isabel Signoret (Tebaldo), Fabiola Varga (Gräfin von Aremberg), Robert Bartneck (Herold) und Ileana Tonca (Stimme vom Himmel) ergänzten. Der Chor agierte bewährt und begleitete musikalisch die armen Ketzer auf dem Weg zum Scheiterhaufen.

Für Philippe Jordan besteht heuer die Vorweihnachtszeit vor allem aus Arbeit. Den „Don Carlo“ hat er vom erkrankten Franz Welser-Möst übernommen und er steht aktuell noch beim „Don Giovanni“ und beim „Parsifal“ am Pult. Das Orchester spielte mit hoher Qualität und dem von Jordan inzwischen gewohnten, etwas breiten, leicht dunklen Klang, der für einen „Don Carlo“ gut passt. Manches geriet zu behäbig, wie das Freundschaftsmotiv, anderes spannend, wirklich mitreißend wurde es selten, aber auch nie langweilig. Für die eigentliche Spannung mussten letztlich die Sänger sorgen, was an diesem Abend aber kein Problem war. Der dankbare Schlussapplaus für eine, in Anbetracht der Besetzungskalamitäten überraschend gute Aufführung, dauerte rund acht Minuten lang. Das Haus war recht gut besucht, freie Plätze gab es vor allem auf der Seite.

Als man in der Pause auf die winddurchbrauste Terrasse eilte, um noch etwas vom Lichtermeer mitzubekommen, mit dem der Coronaopfer gedacht werden sollte, waren die Lichter schon alle ausgeblasen. Schade.

Dominik Troger / www.operinwien.at

 

 

Diese Seite drucken