Die Zauberflöte
Wiener Staatsoper, 3.9.2025 – Saisoneröffnung
Die erste Vorstellung der Saison 2025/26 war dem wahrscheinlich tiefgründigsten Werk von Wolfgang Amadeus Mozart gewidmet. Insgesamt war es ein guter, solider Beginn, der das Publikum, das zu gefühlten 90% aus Touristen bestand, zufrieden stellt. Positiv war anzumerken, dass einige Gruppen junger Leute anwesend waren – und diese auch bis zum Schluss blieben (auch die Stehplatzbesucher auf der Galerie.
Bevor ich mich der Produktion widme möchte ich die musikalischen Eindrücke Revue passieren lassen.
Michael Nagl ist ein waschechter Wiener und setzt die Tradition der „Wiener“ Papagenos fort – aktuell ist er Ensemblemitglied in Stuttgart und wird diese Saison leider nur ein paar Male in Wien die oben angeführte Rolle verkörpern. Klare Diktion, ein schöner Wiener Dialekt, schöne Tiefen und Höhen – mehr kann man von einem Bassbariton einfach nicht erwarten! Und auch seine schauspielerischen Fähigkeiten waren nicht zu verachten. Nagl war ein absolutes Highlight der Vorstellung.
Als Einspringer konnte Tareq Nazmi den Erfolg, den er schon vor drei Jahren bei den Salzburger Festspielen eingefahren hatte, wiederholen. Er ist vielleicht nicht der Schwärzeste aller Bässe, aber er traf bei seinen Arien alle Töne.
Leider kann man nicht das gleiche von Julian Prégardien behaupten, der wahrscheinlich einfach keinen guten Tag hatte. Schon zu Beginn überraschte er mit einer ungewohnten Kurzatmigkeit, sein Legato war auch nicht wirklich zufriedenstellend. Nach der Pause besserte sich die Leistung, er schrammte aber immer wieder knapp an den höheren Tönen vorbei. An diesem Abend war er leider eine Enttäuschung – ich hoffe, dass er bei den nächsten Vorstellungen eine bessere Form hat.
Clemens Unterreiner war durch die „Dignität“ seiner Rollen – Sprecher und 2.Priester – insofern gehandicapt, als dass er seine überragenden schauspielerischen Fähigkeiten nicht ausspielen konnte. Aber klare Diktion gehört ja auch zu seinen Stärken und es ist immer erfreulich ihn zu hören.
Was den Monostatos des Abends, Matthäus Schmidlechner, betrifft, so erwartete ich mir eine etwas „schneidendere“ Stimme a la Herwig Pecoraro von seinerzeit. Vielleicht war aber die Interpretation auch dem Rollenbild geschuldet, das doch um einiges „weicher“ inszeniert wurde als bei fast allen anderen Produktionen.
Adrian Autard (1.Priester), Lukas Schmid (1.Geharnischter) und Evgeniy Solodovnikov (2.Geharnischter) sangen – wie es so schön heißt – rollendeckend.
Die meine Ansicht nach beste Leistung der Frauen erbrachte Kathrin Zukowski als Pamina. Meine erste Begegnung mit dieser Künstlerin war im Vorjahr im Rahmen der „Palestrina“-Aufführungen, allerdings war ihre Rolle als Ighino nicht so groß wie in der Zauberflöte. Sie hat eine schöne Technik, eine gefühlvolle Stimmer, eine klare Sing- und Sprechstimme – leider ist sie nur in der September-Serie zu hören. Vielleicht kehrt sie ja in der Saison 26/27 wieder ans Haus zurück.
Die „Königin der Nacht“ hat zwei große, wichtige Auftritte. Während „Die Rache tobt in meinem Herzen“ die, neudeutsch geschrieben, „flashigere“ ist, ist diejenige im 1.Akt gemäß vielen Sängerinnen die schwierigere Arie. Serena Saenz schonte sich bei der letztgenannten hörbar, die Interpretation der 2.Arie war aber absolut gelungen und das Publikum dankte ihr mit dem größten Applaus des Abends.
Die drei Damen, Jenni Hietala, Alma Neuhaus und Stephanie Maitland waren sehr agil und taten das Ihre bei, dass dieser Abend zu einem großen Erfolg für alle Anwesenden wurde. Ilia Staple, ein neues Ensemblemitglied mit Erfahrungen aus Erl, Lugano und Linz, machte als Papagena eine gute Figur mit ein wenig Platz nach oben.
Das Orchester der Wiener Staatsoper wurde von Patrick Lange dirigiert – und nicht immer klappte das Zusammenspiel zwischen Orchestergraben und Bühne. Der Chor der Wiener Staatsoper gab eine gewohnt gute Leistung.
So, nun zur Produktion, die ich vorher noch nicht gesehen hatte. Ehrlich gesagt, finde ich diese als die beste/für mein Empfinden ästhetischste an diesem Haus der letzten 25 Jahre! Nicht alles, was Barbora Horakova auf die Bühne brachte, macht für mich Sinn, aber es sind oft die Kleinigkeiten, die den Zauber einer Inszenierung ausmachen.
Für das Bühnenbild und Videoeinspielungen ist Falko Herold zuständig, und besonders die Videos tragen enorm viel zur Stimmung bei und sind extrem gut gelungen. Mir hat auch das Bühnenbild gefallen, und auch viele Anspielungen an Genres jenseits der „klassischen, plüschigen Stehoper“.
Als Freund von Gothic-Horror, der „Rocky Horror Picture Show“ und der”Addams-Family” fühlte ich mich bestens aufgehoben und unterhalten. Einige Szenen erinnerten mich an die 1957er Produktion von „Twelve Angry Men“, dann sah ich noch Hinterhöfe aus New York in der Stimmung von „A Streetcar named Desire“. Ich liebe diese Ästhetik – und, wenn gut gemacht und besonders wenn gut „zu Ende gedacht“ kann man die Zauberflöte eigentlich in jede Umgebung setzen.
Was sich mir nicht erschloss war Folgendes ->
- Warum muss Sarastro auf einem Halbmond wie eine Dragqueen mit Perücke und Mantel vom Dachboden runtergelassen werden, ums diese sofort loszuwerden (gut, der Mantel hat die gleiche Farbe wie das Kostüm der Königin der Nacht, aber ?!??)
- Warum ziehen sich vor dem Schlussbild alle um und erscheinen dann in Alltagskleidung der Gegenwart (Ausnahme u.a. der „Sprechen“ ?!??
Was von einigen Rezensenten bemängelt wurde – es gibt bei dieser Produktion Änderungen zum Originaltext, besonders was die Rolle des Monostatos betriff. „.. weil ein Schwarzer hässlich ist“ wurde umgetextet. Nun, man kann jetzt darüber streiten wie man mit Texten, die jetzt an die 250 Jahre alt sind, umgeht. Es gibt sowohl für die Beibehaltung des Originals (mit eventuellen historischen Hintergründen, die dann im Begleitheft erscheinen sollten) als auch für eine dezente Umtextung ein Für und Wider. Ich will jetzt gar nicht werten, sondern erzählen, wie anderwo damit umgegangen wurde. Einer der wichtigsten buddhistischen Texte ist der „Brief an einen Freund“ von Nagarjuna. Dieser Text ist 2000 Jahre alt – und in einem Vers steht sinngemäß, dass, wenn eine Frau ein sittsames Leben führt und sich auch sonst nichts zuschulden kommen lässt, dass als Belohnung dafür als MANN wiedergeboren wird.
Das kling zutiefst sexistisch, oder? Nun, in neueren Übersetzungen im gleichen Kontext liest man jetzt „in FREIHEIT wiedergeboren“. Und im Prinzip ergibt das genau den gleichen Sinn. Vor 2000 Jahren waren Frauen den Männern untertan und auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, also nicht frei. Und genau das ist damit gemeint.
… und ich denke, dass wir das ebenso auf „den Fall Monostatos“ umlegen können, ohne dass jemanden die Zornesadern schwellen müssen.
Ich möchte mich bei allen Lesern für diesen Exkurs entschuldigen, aber ich denke, dass es wichtig ist, gewisse Zusammenhänge zu sehen.
Es war ein sehr schöner Abend mit einer überraschen stimmigen Inszenierung.
Kurt Vlach
P.S. Wer ein Fan von Zombiefilmen und dem „Texas Chainsaw Massacre“ ist, wird sich – so wie man hört – bei der Neuinszenierung der „Verkauften Braut“ sehr zu Hause fühlen. Es werden uns Kettensägen schwingende Zombies erwarten, wie ich aus normalerweise sehr gut informierten Quellen erfahren habe. Na wem’s gefällt….