
Peter Kellner (Papageno) und Golda Schultz (Pamina). Ale Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn
WIEN / Staatsoper: DIE ZAUBERFLÖTE – Dritte Vorstellung der laufenden Serie
40. Aufführung in dieser Inszenierung
13. September 2022
Von Manfred A. Schmid
Wenn man an die trotz gründlicher Überarbeitung immer noch nicht befriedigend gelöste Salzburger Festspiel-Inszenierung von Mozarts Meisterwerk denkt, gefällt einem die zunächst gar nicht so sehr geschätzte Staatsopernproduktion von Moshe Leiser & Patrice Caurier aus dem Jahr 2013 schon wieder um einiges besser. Wenn das so weiter geht, wird man sie noch richtig lieben lernen. Wer hätte das nach der Premiere gedacht!
Schikaneders Zaubermärchen wird – mit all seinen dramaturgischen Ungereimtheiten – ziemlich schlüssig, unterhaltsam und mit vielen, meist komischen Überraschungen gespickt, auf die Bühne gebracht. Die Kostüme nach Agostino Cavalca sind zwar nicht sehr fantasievoll gestaltet, dafür aber begeistert der Aufmarsch der wunderlichen Tiere, vom Drachen über die Bären bis hin zu den putzig-elegant daher trippelnden Straußenvögel das Publikum. Spätestens wenn die Wiener Polizisten – im Gefolge des hier eher harmlos agierenden Bösewichts Monostatos – die unter ihren Uniformjacken versteckten Ballettröckchen sehen lassen und possierlich zu tanzen beginnen, ist für helle Freude und Heiterkeit gesorgt. Dankbar nimmt das Publikum jede gebotene Möglichkeit für einen glucksenden Lacher zur Kenntnis. Was da geboten wird, ist tatsächlich ein oft staunenswertes, vergnügliches Märchen, voll der Wunder für Groß und Klein. Man fühlt sich fast wie in eine Vorstellung für Kinder versetzt, aber die gibt es traditionellerweise erst am Tag nach dem Opernball.
Die ziemlich kahle und trostlose Bühne von Christian Fenouillat ist leider weiterhin alles andere als eine Augenweide. Immerhin aber bietet sie Raum für eine spektakuläre Feuerprobe, die Don Giovannis Höllenfahrt fast in den Schatten stellt, sowie für eine Wasserprobe, von der man allerdings wenig mitbekommt, weil Sarastros Männer dabei ihre Schirme aufspannen und das Geschehen vor den Blicken unbefugter Adabeis geschickt verdecken. Die handelnden Personen tauchen aber nicht nur in tiefe, geheimnisvolle Abgründe ab, sondern erheben sich – von Zauberkraft angetrieben – auch in die Höhe. So Pamina und die Drei Knaben, vor allem aber Papageno und Papagena, die am Schluss der Oper geradezu in den Himmel der Liebe entschwinden.
All das aber genügt nicht, wenn die musikalische Komponente nicht passt. Doch keine Angst, die namhafte Besetzung bis in die kleinesten Rollen überzeugt diesmal nicht nur auf dem Papier (Programmzettel), sondern auch auf der Bühne. Es ist tatsächlich so, dass der Wiener Staatsoper mit den drei Herbstsaison eröffnenden Opern – La Bohème, Carmen und Die Zauberflöte ein beachtlicher Hattrick gelungen ist. Chapeau und weiter so!

Pavol Petrov (Tamino).
Den stärksten Applaus während der Vorstellung hat – eher unerwartet – Kathryn Lewek einheimsen können, denn die Auftritte der Königin der Nacht sind in dieser Inszenierung dramaturgisch gar nicht so spektakulär angelegt. Sie stattet ihre Rolle aber gesanglich mit allen Finessen aus und brilliert in der Rachearie mit Verve und geschmeidig funkelnden Koloraturen.
Beim Schlussbeifall ist es Peter Kellner, der als Letzter zur Verbeugung auf der Bühne erscheint und für seinen handfesten, eher robust dargestellten Papageno am meisten gefeiert wird. An seiner Seite macht auch Miriam Kutzrowatz, Mitglied des Opernstudios, als muntere Papagena gute Figur, was auch für ihren Opernstudio-Kollegen Lukas Schmidt gilt, der einen ernsthaften, nachdrücklich mahnenden 1. Priester abgibt, gilt.
Ruhepol und Zentrum des Geschehens ist Günther Groissböck als Respekt einfordernder, souverän singender Sarastro, auch wenn man nicht genau weiß, was für einer verschworenen Männergesellschaft dieser Mann überhaupt vorsteht. Warum er mit einem erlegten Hirsch auf den Schultern seinen ersten Auftritt zu absolvieren hat, den er dann eher achtlos zu Boden wirft, bis er später, an einem Fleischerhaken hängend, nochmals zu sehen ist, bleibt ein Rätsel. Sind die Männer mit Hut in seinem Gefolge Shareholder einer hochspekulativen geheimnisumwitterten Aktiengesellschaft? Man wird es nie wissen.
Pavel Petrov, 2019 beim Österreichischen Musikpreis für seinen Lenski im Grazer Eugen Onegin als bester Sänger ausgezeichnet, ist ein noch junger, tadelloser Tamino mit dem nötigen Schmelz und der ebenso erforderlichen Festigkeit in der Stimme. Darstellerisch bleibt er etwas blass, was angesichts der aufgeweckten, spielfreudigen Golda Schultz als Pamina noch deutlicher hervortritt. Die aus Südafrika stammende Sopranistin weiß mit ihrer gar nicht so großen Stimme jedenfalls viel anzufangen, wozu auch ihre anmutige Ausstrahlung das Ihre beiträgt.
Clemens Unterreiner ist ein edel artikulierender und würdevoll in Erscheinung tretender Sprecher. Wieder einmal bestätigt der vielseitig einsetzbare Bariton, dass er auch kleine Rollen liebevoll ausgestaltet und ihnen ein jeweils eigenständiges Profil zu verleihen gewillt ist.
Robert Bartneck ist ein eher ungefährlicher, bemitleidenswerter Monostatos mit weißgefactem Gesicht, darf aber zuweilen eine schwarze Halbmaske tragen. Das Duett der beiden Geharnischten wird von Jörg Schneider und Dan Paul Dumitrescu kraftvoll und bedeutungsschwer zu Gehör gebracht. Die Drei Damen von Anna Bondarenko, Stephanie Houtzeel und Monika Bohinec bestätigen, dass auch zwischen Hofdamen eine gewisse Stutenbissigkeit ausbrechen kann, wenn es darum geht, wer die Führungsposition im Vordergrund einnehmen darf. Lustvoll in der Gestaltung ihrer Auftritte, nicht immer aber stimmlich ausgewogen. Die Drei Knaben sind, wie erwartet, mit exzellenten Wiener Sängerknabennbesetzt.
Bertrand de Billy ist ein verlässlicher musikalischer Leiter einer im Orchestergraben insgesamt soliden, mehr als zufriedenstellenden Aufführung, an der auch der Staatsopernchor seinen Anteil hat.