Rafael Fingerlos, Benjamin Bernheim. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Die Zauberflöte
Wr. Staatsoper, 28.12.2018
Ich möchte gleich mit dem Höhepunkt dieses gesamthaft sehr gelungenen Abends beginnen – und zwar mit der Weltklasse-Leistung von Benjamin Bernheim als Tamino. In den 20 Jahren, in denen ich mehr oder weniger regelmäßig die Staatsoper besuche, habe ich keinen überzeugenderen Interpreten in dieser Rolle erlebt. Er besitzt eine hervorragende Diktion, spricht auch klar und deutlich und ist gut zu hören. In der Bildnisarie gelang es ihm sowohl in den lyrischeren als auch in den mehr „heldischen“ Passagen absolut zu glänzen. Also Vorbereitung hatte ich vor einigen Tagen die Aufnahme unter Karl Böhm mit Fritz Wunderlich angehört – und Bernheim kann da – auch schon mit leicht metallischen Anklängen – wirklich mithalten. Sollten sich die Gerüchte bewahrheiten, dass er diese Rolle zurücklegen möchte, wäre das ein ganz, ganz großer Verlust.
René Pape hat sich von einem Bassbariton, der noch in den 90er-Jahren in vielen Produktionen den Figaro verkörperte, zu einem Bass entwickelt. Auch er bestach durch Klarheit und auch durch Autorität, wenn er auf der Bühne präsent war. Ich persönlich würde einen Sarastro bevorzugen, der einen Deut mehr „schwärzer“ klingt.
Als Papageno heimste Rafael Fingerlos den meisten Schlussapplaus des Publikums ein. Diese Rolle ist einfach dankbar und das junge Ensemblemitglied machte das Optimum daraus. Spielfreudig wirbelte er über die Bühne und durch das Parkett. Eine Einschränkung – bei den Stellen, wo gesprochen wird, verwendet er eine Mischung zwischen Wiener und Salzburger Dialekt. Da bei den deutschen Untertiteln – im Gegensatz zu den fremdsprachigen – diese Stellen nicht angezeigt werden ist es für Personen, die nördlich des Weißwurstäquators wohnen, fast unmöglich ihm zu folgen, da er, besonders im ersten Akt, viel zu schnell sprach.
Überzeugend als Monostatos war der – ausgepolsterte – Benedikt Kobel, der die Chance wahrnahm, sich in einer etwas größeren Rolle als normalerweise zu präsentieren. Die beiden Geharnischten, Lukhanyo Moyake und Ayk Martirossian, fielen weder negativ noch positiv auf und erfüllten daher ihre Aufgabe zufriedenstellend. Das kann mach auch von Morten Frank Larsen (Sprecher/2.Priester) und Peter Jelosits (1.Priester) sagen. Auch die Drei Knaben fallen in diese Kategorie.
Hila Fahima ist eine sehr junge Königin der Nacht gewesen. Dass die Arie im 1.Akt nach Aussagen vieler Sängerinnen schwieriger zu bewältigen ist als die Rachearie bemerkte man auch an diesem Abend. Noch ist die Gestaltung von Fahima nicht perfekt, aber das wird sich mit der Zeit sicherlich legen. Mir fiel auf, dass besonders bei den Spitzentönen sie manchmal zu kleinen Unsauberkeiten tendierte. Weniger gefiel mir – aber das ist dem Regiekonzept geschuldet -, dass die sternflammende Königin hier als ziemlich hysterisch gezeichnet wurde. Wenn man während der Rachearie mit Stühlen herumwerfen muss, im 1.Akt während des Singens Schuhe ausziehen muss und auch diese herumwerfen – dies hilft sicherlich nicht, die beiden schwierigen Arien auf dem Niveau zu singen als wenn man sich 100%ig auf den Gesang konzentrieren kann.
Als Pamina war Valentina Nafornita aufgeboten, die jetzt auch schon seit fünf oder mehr Jahren in Österreich lebt. Dies merkt man, da sich fast akzentfrei sprach. Ihre Stimme ist größer und etwas dramatischer geworden, technisch hatte sie überhaupt keine Probleme – und dass sie eine bildhübsche junge Frau ist, sich zu bewegen weiß – nun, das ist ja kein Geheimnis. Meine kleine Einschränkung zu ihrer Leistung, und auch das kann man ihr nicht ankreiden, ist, dass sie fast schon ein wenig zu dramatisch klingt. Es kann jetzt mein persönlicher Geschmack sein, aber als Pamina wünschte ich mir einen etwas lyrischeren Sopran (mir fällt da Genia Kühmeier ein, die vor ein paar Jahren diese Rolle wunderbar verkörperte).
Ileana Tonca verkörperte entzückend wie immer die sehr dankbare Rolle der Papagena und auch die drei Damen trugen zum hohen Niveau dieses Abends bei, wobei für mich besonders Stephanie Houtzeel aus dem Trio hervorstach. Fiona Jopson klang manchmal zu schrill, Bongiwe Nakani erledigte ihren Part tadellos. Was die Damen betrifft, so konnte man hören, dass Houtzeel schon längere Zeit in Wien wohnt – eine tolle, akzentfreie Aussprache. Die beiden anderen haben da noch sehr viel Arbeit vor sich. Und der doch starke Akzent war für mich störend.
Adam Fischer ist ein Mozartexperte und er leitete das Staatsopernorchester und den von Martin Schebesta bestens vorbereiteten Staatsopernchor umsichtig – und hatte im Zusammenspiel mit Rafael Fingerlos auch noch sichtlich seinen Spaß.
Nun zum Leading Team – Moshe Leiser und Patrice Caurier haben die Charaktere gut gezeichnet. Was allerdings absolut nicht dem Sinn der Zauberflöte entspricht war das Bühnenbild ….(?!?). Es ist schon fast bewundernswert wie es Christian Fenouillat (Bühne) und Agostino Cavalca (Kostüme) schafften, dem Stück fast den ganzen Zauber zu nehmen. Die Lichteffekte, für die Christophe Forey zeichnet, konnten zumindest einiges retten.
Bis zur Pause war der Stehplatz auf der Galerie brechend voll, ich musste mich wieder einmal über Eltern wundern, die keine Problem damit zu haben scheinen, wenn ihre lieben Kleinen mit den Schuhen am Sessel sitzen, einige Tuberkel wurden auch wieder freigesetzt – und mein absoluten Highlight – wieso können Leute nicht begreifen, dass, wenn sie vom Sitzplatz aufstehen, um sich nach vorne zu beugen, der Sitz zurückschnalzt und das daraus entstehende Geräusch überaus störend ist? Kann ja einmal jedem passieren, aber wenn es die gleiche Person oder das selbe Kind pro Akt fünf Mal schafft derartig die Vorstellung zu stören – dann frage ich mich halt schon… Entschuldigen Sie diesen kleinen Ausbruch, aber es musste einmal gesagt werden.
Musikalisch war diese Vorstellung der Zauberflöte unglaublich bereichernd, ein überdurchschnittlich guter Repertoireabend. Oft wird die Mozartpflege in unserem Haus (zu Recht) kritisiert – diese Vorstellung kann man von der Kritik vorbehaltslos ausnehmen.
Kurt Vlach