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WIEN/ Staatsoper: DIE ZAUBERFLÖTE

mit Rafael Fingerlos als neuem Papageno

27.12.2018 | Oper


Rafael Fingerlos als Papageno. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: „DIE ZAUBERFLÖTE“ mit Rafael Fingerlos als neuem Papageno

26.12. 2018 (Karl Masek)

„Erinnerungsblatt“: Es gab einmal eine Zeit, da sangen an der Wiener Staatsoper „Papagenos“ aus den USA, aus Weißrussland – und in den 80er Jahren bei einer Neuinszenierung dieses Werkes war es ein dänischer Bariton (es war nicht Bo Skovhus), den sich das damalige Leading-Team eingebildet hatte. Vor allem die Prosastellen waren dabei höchst eigenartig. Folge war, dass ein damals noch ziemlich junger Wiener Ensemblesänger (der unvergessene Alfred Šramek, der den Papageno schließlich nie an der Wiener Staatsoper gesungen hat) sich mit dem damaligen Direktor nachhaltig überwarf, weil dieser ihm die Herzensrolle offenbar verweigerte…

Derzeit ist die Schikaneder-, Kunz-, Berry-, Holecek-Rolle im Haus am Ring wieder fest in österreichischer Hand. Zuletzt sangen den Vogelfänger der Kärntner Markus Werba bei der Premiere dieser Inszenierung von Moshe Leiser/Patrice Caurier aus dem Jahr 2013, später der Wiener Georg Nigl und kürzlich der Wiener Clemens Unterreiner. Diesmal war der 32-jährige Salzburger (aus Tamsweg) Rafael Fingerlos mit dem Wiener Rollendebüt als Papageno an der Reihe. Er benötigt gewiss keine lokalpatriotischen Anschieber. Der am Konservatorium Wien Privatuniversität Ausgebildete, Teilnehmer des renommierten Young Singers Project 2015, ist seit der Saison 2016/17 Ensemblemitglied im Haus am Ring. Er hat sich während dieser Zeit bisher eher rar gemacht. In der Semperoper in Dresden war das Rollendebüt als Papageno bereits 2016. Und wenn sich Christian Thielemann einen österreichischen Nachwuchssänger für seine Ariadne-Premiere krallt (Fingerlos sang dort kürzlich den „ Harlekin“), so heißt das schon was.
Er startet mit einem zurückhaltend angelegten „Der Vogelfänger bin ich ja…“, das ganze Orchestervorspiel wartet man, dass sich endlich was tut, betritt erst zwei oder drei Sekunden vor dem ersten Einsatz die Bühne. Das war zwei Jahre zuvor bei Georg Nigl haargenau gleich, ist also offenbar ein unerfindlicher „Regieeinfall“ des Duos Leiser/Caurier gewesen. Nach Papagenos Auftrittslied rührt sich keine Hand. Das ändert sich mit Fortdauer des Abends glücklicherweise. Fingerlos präsentiert nicht nur einen ausnehmend schönen, wohltemperierten, schlanken Bariton, sondern geht dann auch darstellerisch mehr aus sich heraus. Gestaltet die Prosastellen mit mehr Nachdruck und dem richtigen sprachlichen Idiom, wird doch noch zum Liebling des Abends. Kontinuierliche szenische Arbeit mit „wissenden“ Bühnenmenschen ist ihm zu wünschen, damit aus dem vorerst großen Versprechen mit sympathischer Bühnenausstrahlung ein profunder Sing-Darsteller wird.

Musikalisch kann er von einem so erfahrenen Dirigenten wie Adam Fischer gewiss profitieren. Auch in seiner bisher 19. „Zauberflöte“ an der Staatsoper schleicht sich keine Routine ein, im Gegenteil: Er baut eine überzeugende Tempoarchitektur auf, die Tempi stehen zueinander gut in Relation. Sie haben zumeist Rasanz, ohne gehetzt zu wirken. Mut zum Risiko zeigt er allemal, wenn er den Solisten wie dem reaktionsschnellen Chor (Einstudierung: Manfred Schebesta) gelegentlich überraschende Phrasierungen, Accelerandi oder Rubati abverlangt. Hang zum Schleppen war ihm noch nie vorzuwerfen, was Stellen der Zauberflöte, bei denen viele Dirigenten „langsam“ werden, wie „Bei Männern, welche Liebe fühlen, gut bekommt. Mit geradezu jugendlichem Temperament und mit Verve gestaltet das Ehrenmitglied Fischer, der sich dem unglaublichen 70-er nähert, ein Klangbild, das keinerlei Durchhänger kennt. Er spielt neuerdings sogar selbst das Glockenspiel („Ein Mädchen oder Weibchen“ und „Klinge, Glöckchen, klinge…“), gewinnt diesen Stellen besonderen Charme ab.
Das Orchester der Wiener Staatsoper spielt animiert und in Feiertagslaune, glänzt mit feinen Soli und kompaktem Klangbild.

Die Besetzung in der Reihenfolge des Programmzettels:
René Pape, der frischgebackene Wiener Kammersänger, erfreut mit einem inspirierten, präsenten Sarastro, der seine beiden Arien souverän „serviert“.


Rafael Fingerlos (Papageno) und Benjamin Bernheim (Tamino). Foto: Wiiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Benjamin Bernheim, der französische Tenor, der nach Donizetti und Puccini als Tamino sehr einnehmend einen zum Heldischen tendierenden Mozarttenor vorführt. Dem Vernehmen nach will er die Prinzen-Rolle nach dieser Serie ad acta legen. Das wäre zu bedauern!

Schwachpunkt des Abends: Morten Frank Larsen, dessen verquollen und kraftlos wirkender Bariton bedenklich schwächelt und in der kurzen aber wichtigen Rolle des Sprechers auch die ganze Zeit auf der Suche nach der richtigen Tonhöhe scheint.

Peter Jelosits
, der unerschütterliche 1. Priester, ist routinierter Begleiter bei den Prüfung

Hila Fahima bewältigt die exorbitanten Schwierigkeiten der Sternflammenden Königin der Nacht achtbar, wenngleich die Stimmführung mitunter flackrig wird und die Staccato-Koloraturen „nur“ annähernd perfekt daherkommen.

Valentina Naforniţa
bemüht sich sichtlich und hörbar um das „Fräuleinbild“ Pamina – und es ist optisch wie stimmlich keine Idealrolle für sie. Die Stimmführung ist hart, mit Fortdauer von „Ach, ich fühl’s…“ erkämpft sie sich schließlich melancholische Stimmfarben samt Schwebetönen.

Im Zusammenklang perfekt die drei Damen der „Sternflammenden“ (Fiona Jopson, das neue Ensemblemitglied aus Australien, führt couragiert an, sowie Stephanie Houtzeel und Bongiwe Nakani). An den Prosastellen wäre noch mit Sprachcoaches zu arbeiten.

Ileana Tonca ist die ewigjunge Papagena mit Dauer-Abo auf diese Rolle. Auch so ein wertvolles Ensemble-Mitglied, das stimmschön und verlässlich jederzeit zur Stelle ist, gerade auch, wenn es ans Einspringen geht!

Für Benedikt Kobel ist der Monostatos zu einer Leib- und Magenrolle geworden, die er mit Lust singt und darstellt. Die beiden Geharnischten Lukanyo Moyake und Ayk Martirossian runden die Feuer- und Wasserprobe rollendeckend ab.

Schließlich die immer wieder rettend eingreifenden Knaben (Wiener Sängerknaben) – die mit zarten Stimmen (von Adam Fischer rücksichtsvoll begleitet) naturgemäß das Publikum verzaubern.

Eine insgesamt sehr respektable Festtags-Vorstellung, die vom großteils touristischen Publikum stark, aber nur 5 Minuten lang akklamiert wird – mit baldigem Gedränge an den Garderoben.

Karl Masek

 

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