WIEN / Staatsoper: „DIE WALKÜRE“ – 22.05.2022
Stuart Skelton, Lise Davidsen. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Im zweiten Anlauf hat es dann doch noch geklappt. Lise Davidsen, die im ersten Ring-Zyklus absagen musste, hat nun erstmals an der Wiener Staatsoper die Sieglinde gesungen. Die norwegische Sopranistin hat diese Partie ja bereits an der Deutschen Oper Berlin (in der Premiere des neuen Herheim-Rings), an der Pariser Oper und bei den Bayreuther Festspielen gesungen. Und sie enttäuschte ihre Fans auch diesmal nicht. Sie gestaltete eine höchst intensive und glutvolle Sieglinde. Höhepunkt war im dritten Aufzug ihr mit Emphase gesungenes „O hehrstes Wunder“. Die Stimme leuchtet in allen Lagen und klingt bereits jetzt hochdramatisch. Bei ihr merkt man, dass die Sieglinde eine Halbschwester der Brünnhilde ist. Man kann nur hoffen, dass sie sich die Flexibilität ihrer Stimme erhalten kann. (Eine Birgit Nilsson konnte auch eine Donna Anna singen!) Lise Davidsen sollte noch ein wenig zuwarten, bevor sie sich ganz in das hochdramatische Fach vorwagt, auch wenn ihre Stimme bereits dorthin zu drängen scheint.
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Nina Stemme (Brünnhilde). Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
Man will es gar nicht glauben, aber Nina Stemme sang an diesem Abend erst zum vierten Mal die „Walküren“-Brünnhilde an der Wiener Staatsoper. Und wenn die Ankündigungen wahr sind, dann nimmt sie mit diesem Ring-Zyklus Abschied von dieser Partie. Sie ist nach wie vor die beste Brünnhilde der Gegenwart, sie war bestens disponiert und hatte keinerlei Probleme mit den Hojotoho-Rufen zu Beginn des 2. Aktes. Sie überzeugt dank ihrer Bühnenpräsenz sowohl als kampfeslustige Maid als auch als gefühlvolle Tochter Wotans und mitfühlende Halbschwester Siegmunds in der Todesverkündigung.
Die Frauenpower in dieser Vorstellung, die den Männern das Leben schwer machte, wurde komplettiert durch Monika Bohinec, die als Fricka ihrem Göttergatten unmissverständlich klar machte, wo der Hammer hängt, und dem stimmgewaltigen Walkürenoktett (Regine Hangler, Aurora Marthens, Tamuna Gochashvili, Margaret Plummer, Ulrike Helzel, Szilvia Vörös, Noa Beinart, Stephanie Maitland).
Da hatten es die Männer wahrlich schwer. Am besten hat sich noch Stuart Skelton geschlagen. Vor 20 Jahren debütierte er als Florestan an der Wiener Staatsoper (als Einspringer für den plötzlich und unerwartet verstorbenen Gösta Winbergh), 2004 sang er dann den Erik an der Staatsoper und den Don José an der Volksoper. Jetzt kehrte er nach langer Zeit wieder nach Wien zurück. Er singt den Siegmund mit dunklem Heldentenor, der einerseits die lyrischen Passagen wie die „Winterstürme“ schmelzreich singt, andererseits aber genügend Kraft für überlange Passagen wie die Wälse-Rufe besitzt. Dass er am Ende des ersten Aufzuges kurzfristig kleine Ermüdungserscheinungen zeigte, sei ihm gerne verziehen.
Wenig bedrohlich und stimmlich ziemlich eindimensional polterte Dmitry Belosselskiy als Hunding über die Bühne.
Monika Bohinec (Fricka), John Lundgren (Wotan). Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
John Lundgren meisterte den Wotan in der „Walküre“ besser als im „Rheingold“, dennoch kann man mit seiner Gesangsleistung nicht zufrieden sein. Die vielen angeschliffenen Töne und die unschönen Vokalverfärbungen stören den ganzen Abend lang, dazwischen versagt ihm immer wieder die Stimme. Außerdem erstaunt es, dass gerade bei einem schwedischen Sänger die Aussprache des deutschen Textes so miserabel ist. Gibt es an der Staatsoper da keinen Sprachcoach für die deutsche Sprache, wie wir das etwa bei „Peter Grimes“ für die englische Aussprache hatten?
Zufriedenstellend – aber leider nicht mehr – und gelegentlich auch unsauber war wieder die Leistung des Orchesters der Wiener Staatsoper. (Wie gut das Orchester beim Ring klingen kann, kann man auf der Aufzeichnung des Rings unter Christian Thielemann auf CD nachhören.)
Axel Kober hat neuerlich seine positiven Kapellmeisterqualitäten unter Beweis gestellt. Wenn wir doch nur öfter Dirigenten an der Staatsoper hätten, die sängerfreundlich begleiten können.
Viel Beifall, Jubel für Davidsen, Stemme und in etwas abgeschwächter Form auch für Skelton, massive Buhs für Lundgren. Katharina Wagner sollte sich langsam die Frage stellen, ob John Lundgren wirklich die richtige Wahl für die Besetzung des Göttervaters in der Neuinszenierung auf dem grünen Hügel in diesem Jahr ist?