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WIEN/ Staatsoper: DIE FRAU OHNE SCHATTEN – 2. Vorstellung (diesmal mit Schager)

am 14.10. (Karl Masek)

15.10.2019 | Oper


Mihoko Fujimura (Amme). Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

WIEN/Staatsoper: „DIE FRAU OHNE SCHATTEN“

Der Abend des wahrhaft „Philharmonischen“ Staatsopernorchesters

14.10. 2019 – Karl Masek

Als „Work in progress“: So werden in Bayreuth die Wagner-Opern über mehrere Saisonen gespielt. Da wird auch nach den Premierensommern weiter gefeilt, nachjustiert, verbessert. Vincent Huguet nahm sich da ein Beispiel und kam für die zweite Serie seiner Inszenierung (mit Premiere am 25.5.) wieder nach Wien – und entsprach damit wohl auch einem Wunsch von Christian Thielemann.

Über die gefällige, allerdings eher belanglose Bebilderung der Richard-Strauss-Hugo-von-Homannsthalschen „Prüfungsoper, die an uns besondere Fragen, die ans Zentrum des Mensch-Seins rühren, stellt…“ gingen die Meinungen auseinander. All jene Opernfreunde, die der Sichtweise des Robert Carsen in der Vorgänger-Inszenierung  von 1999, das sei ein Märchen, eine Erzählung mit psychoanalytischem Hintergrund, viel abgewinnen konnten, äußerten sich kritisch über eine „nichtssagende“, eine „entbehrliche Neuinszenierung“. Huguet gehört aber offensichtlich nicht zu jenen Regisseuren, die eine Inszenierung abliefern, um dann auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Es wurde also geprobt, nachjustiert – und im Detail gab’s wohl die eine oder andere Verbesserung. An der Substanz dieser Arbeit hat das aber wohl nicht viel geändert. Repertoire-tauglich ist sie allemal. Und schließlich kann man es als Operngeher, der gerne eigene Gedanken und Assoziationen „einbringt“, wenn man will, im speziellen Fall mit Bruno Bettelheim halten: „Wie bei jedem großen Kunstwerk ist auch der tiefste Sinn des Märchens für jeden Menschen und für den gleichen Menschen zu verschiedenen Zeiten seines Lebens anders. Je nach den augenblicklichen Interessen und Bedürfnissen entnimmt man dem gleichen Märchen unterschiedlichen Sinn…“, zu lesen im Programmheft auf Seite 140. Also weinen wir nicht der vergangenen Inszenierung nach…

Premierendirigent Christian Thielemann kam also nochmal für 3 „FroSch“-Vorstellungen. Die erste Aufführung dieser Miniserie am 10.10. fiel genau auf den 100. Jahrestag der Wiener Uraufführung. Runde Jubiläen feiert man natürlich gerne.

Und die „7. Aufführung in dieser Inszenierung“ war der Abend des Christian Thielemann und der Abend des wahrlich philharmonischen Orchesters der Wiener Staatsoper! In allererster Besetzung angetreten, angeführt von Rainer Honeck und Volkhard Steude, gab es eine Weltklasseleistung zu bejubeln. Die Damen & Herren (großteils) Philharmoniker spielten sozusagen auf der Sesselkante, lasen dem Maestro alle Wünsche von den Augen ab und lieferten ein Meisterstück an Beherrschung der „großen Form“ eines exemplarischen und besonderen Werkes, an Klangsensualität, des aufeinender-Hörens. Eine Wiedergabe aus einem Guss. Vom Pult gab es gestalterische Impulse vom Feinsten, eine außerordentliche Bandbreite des Ausdrucks und der Dynamik (mit ätherischen, schier unwirklichen Pianissimo-Stellen: „zum Niederknien“!). Und es wurde Rücksicht auf die Sänger genommen (Bei den orchestralen Zwischenspielen wurde naturgemäß mächtig aufgedreht).

Die hatten es an diesem Tag nötig, denn hier gab es einige Abstriche zu machen. Schade, der Abend hätte sonst durchaus Sternstunden-Charakter haben können. Dies gilt ausdrücklich NICHT für Camilla Nylund. Sie war in sensationeller Abendverfassung. Sie meisterte bravourös den „Spagat“, als Kaiserin sowohl die instrumentale, kristallklare Seite ihres schlank geführten, höhensicheren Soprans als auch den Wandel von der geisterhaft anmutenden Frau zum empathischen, mitfühlenden Menschen zu zeigen, was sich an der Stimmfärbung sehr schön zeigte.  Gute Mittellage, kraftvolle dramatische Höhen, ganz ohne Schärfen.

Sonst war es nicht zum Allerbesten bestellt. Der Sopran von Nina Stimme klang als Färberin von allem Anfang an strapaziert, in den Höhen unfrei. Im 2. Akt wurde es mit der Zunahme an tumultöser Dramatik prekär. Höhen wurden nur mehr geschrien, schließlich nur mehr mit höchster Anstrengung ruckartig hervorgestoßen. Nach der 2. Pause eine Ansage von Direktor Meyer höchstpersönlich: Indisposition. Nina Stemme brachte den Schlussakt mit dem ihr eigenen Aplomb doch noch über die Runden. Also, der „Richardl“ hat auch seinen Sopranistinnen Mörderisches abverlangt!  Die Färberin ist im 2. und 3. Akt fast wie „Brünnhilde“ und „Elektra“ zusammen!

Die andere „Mörderpartie“ ist die Amme. Mihoko Fujimura war in den Jahren 2000 bis 2009 im Haus am Ring eine sehr respektable Fricka, Brangäne, Kundry, Waltraute. Nun, im Herbst der Karriere, singt sie die Amme, ohne den nötigen Stimmumfang und die Kraft dafür zu haben. Als hoher Mezzo kann sie zwar mit sicheren Höhen aufwarten, die tiefe brustige Altlage steht ihr aber nicht zu Gebote – und da muss Thielemann die Regler schon fast auf Minimum zurückschalten, damit man die Sängerin noch hört. Als Figur bleibt sie eindimensional und verbreitetkaum dämonische Aura.

Auch der Kaiser, der hat es in sich. Andreas Schager hatte die erste Aufführung der Serie wegen einer Kehlkopfentzündung abgesagt. Im 1. Akt bei seinem Welt-Rollendebüt begann er noch etwas vorsichtig. Die Falknerszene gelang dann schon in fast gewohnter Weise, wie es die Art des „offenen“ Singens des Österreichers ist. Aber mit wirklich gesundem Kehlkopf und ausgeruhten Stimmbändern wird er die „sauschwere“ Rolle sicher mit dem ihm eigenen Draufgängertum meistern – als Alternative zu Stephen Gould.

Tomasz Konieczny war der neue Barak – der einzige bei Hofmannsthal-Strauss, der im Stück auch einen Namen hat! Er hat die Rolle hörbar noch nicht wirklich in der Kehle. Weder stimmlich noch sprachlich. Ihm geht für diesen gutherzigen, so lange geduldigen Sympathieträger jede warmgetönte Stimmfärbung ab. Und die lästigen gaumigen Vokal- und Zwielautverfärbungen kriegt er nicht und nicht weg!„Mir anvertraaaaut“ klingt genauso, wie wenn er im Rheingold als Wotan singt: „Folge mir, Fraaaau, in Wallhall wohne mit mir!“ Da müsste doch endlich etwas zu verändern sein. Wir wissen, der hochintelligente und sympathische Sänger spricht perfekt Deutsch!

Clemens Unterreiner folgte Sebastian Holecek nach – der Geisterbote, der ihm wohl zu tief liegt, wird nicht eine seiner Leib- und Magenrollen werden. Jörg Schneider war mitlyrischem Schmelz die Stimme des Jünglings,Maria Nazarova tönte aus dem Off als Stimme des Falken und Hüter der Schwelle. Rafael Fingerlos (Der Einäugige), Marcus Pelz (Der Einarmige) sowie Michael Laurenz (Der Bucklige) waren als Baraks Brüder mit Engagement bei der Sache. Tadellos die Stimme von oben und all die Stimmen der Ungeborenen und Solostimmen (von Monika Bohinec  bis zu Ileana Tonca, Valeria Sevinskaia, Szilvia Vörös, Stephanie Houtzeel, Bongiwe Nakani).

Viel Jubel, lautstarke  Anerkennung des Publikums für sängerische Schwerstarbeit. Die Phonzahl war besonders hoch für Thielemann, das Orchester und Camilla Nylund.

Karl Masek

 

 

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