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WIEN / Staatsoper: DIE FRAU OHNE SCHATTEN – 100 Jahre nach der Wiener Uraufführung

11.10.2019 | Oper


Tomasz Konieczny, Nina Stemme. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: DIE FRAU OHNE SCHATTEN – 100 Jahre nach der Wiener Uraufführung

  1. Aufführung in dieser Inszenierung am 10. Oktober 2019

Von Manfred A. Schmid

In den auf denTag genau 100 Jahren seit der Uraufführung an der Wiener Staatsoper hat es Die Frau ohne Schatten von Richard Strauss an diesem Haus auf insgesamt 150 Vorstellungen gebracht. Grund genug für Direktor Meyer, in seiner Würdigung vor Beginn der Vorstellung auch auf dieses runde Jubiläum einzugehen. Wenn man allerdings bedenkt, dass es seineSalome in 47 Jahren- und das nur bezogen auf die derzeit im Repertoire befindlichen Inszenierung aus dem Jahr 1972 – auf nicht weniger als 239 Abende gebracht hat, dann ist das vergleichsweise wenig. Neben dem Ruf der Oper, sinnüberfrachtet und zu bedeutungsschwanger zu sein, liegt diese gewiss in erster Linie an der besetzungsmäßigen Herausforderung: Fünf stimmlich herausragende Kaliber in den Hauptrollen, dazu acht weitere, nicht zu unterschätzende Gesangspartien, einige kleinere Ensembles und natürlich große Chöre.

Wenn es da zu einem Ausfall kommt, wie im vorliegenden Fall durch die Erkrankung von Andreas Schager, steht das Besetzungsbüro vor keiner geringen Aufgabe. Da trifft es sich gut, dass der bewährte und schon in der Premiere im Mai als Kaiser zum Einsatz gekommene Stephen Gould eben in Wien weilt, weil er den Bacchus in der derzeitigen Aufführungsserie der Ariadne auf Naxos singt. Seine Leistung ist erneut bewundernswert stimmig. Ein strahlender Heldentenor mit dem nötigen Format, souverän in der Höhe, wenn auch dort durchgängigeher auf einem forte-level, und stark im Ausdruck. Seinen Gipfelerreicht er im Zweiten Akt, in der Szene „Falke, Falke, du wiedergefundener“. Feinstes Legato mit zarter Stimmgebung (Spitzentöne sind hier kaum gefragt), wunderbar nachvollziehbar die allmähliche Eintrübung der Freude durch die Sorgen um seine Frau und seiner belasteten Beziehung zu ihr. An der bezwingenden Gestaltung dieser in kantabler Hinsicht perfekt gestalteten Szene hat auch der Cello-Solist Tamas Varga großen Anteil. Und natürlich der musikalische Leiter des Abends, Christian Thielemann und sein blendenddisponiertes Staatsopernorchester. Hinreißendes Klanggewoge, fein ausbalanciert.Mächtig, wo es darauf ankommt, und von zartester, transparenter Qualität, wie in der eben genannten Falken-Szene, die nachgerade kammermusikalisch angelegt ist, und in der die sehnsuchtsvoll geflöteten Schreie des Falken Gänsehaut hervorrufen. Da verwundert es nicht, dass Richard Strauss nicht umhin konnte, 1946, drei Jahre vor seinem Tod und 27 Jahre nach der Uraufführung, die vielen Zwischenspiele in einer Orchesterfantasie zusammenzufassen. Der differenzierte, alle Klangnuancen auslotende Umgang Thielmanns und des Staatsopernorchesters mit der komplexen, farbenreichen Partitur legt nahe, warum das so sein musste.

Als Barak hat Tomasz Konieczny sein Rollendebüt in Wien. Wer das unverkennbare Timbre seines gaumigen Baritons , die eigene Färbung der Vokale mag und ihn als Alberich und Wotan schätzt (der Rezensent tut es), wird an seinem bodenständigen, gutmütigen Färber, der gerne volkstümliche Melodien pfeift – pardon: singt – und lange braucht, bis er angesichts des rätselhaften Gehabe seiner Frau an den Rand der Verzweiflung gerät, Gefallen haben.

Ebenfalls ein Rollendebüt hat Clemens Unterreiner. Als Geisterbote ist er allerdings eher blass, wirkt stimmlich überfordert. Jörg Schneider hin wiederum hat bei seinem ersten Einsatz als Stimme des Jünglings damit zu kämpfen, dass er offenkundig sehr unvorteilhaft positioniert ist, so dass sein feiner Tenor nicht sehr durchdringt und verdeckt klingt.

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Camilla Nylund. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Mihoko Fujimura erstmalige Amme im Haus am Ring ist keine Offenbarung. Sie kann mit ihrer in der Mittellage hohl tönenden Mezzostimme, die sie mit viel Vibrato zu unterfüttern sucht, weder mit der überragend singenden Camillla Nylund, noch mit der stark und markant in Erscheinung tretenden Nina Stemme mithalten. Letztere hat sich als Färberin gegenüber ihrer Leistung bei der Premiere noch gesteigert. Störrisch, resolut und widerspenstig im Gebärstreik, was auch durch Ecken und Kanten in ihrer gesanglichen Gestaltung der Rolle zum Ausdruck kommt, schließlich aber versöhnungsbereit und bereit für einen Neubeginn.

Rollendeckend treten Rafael Fingerlos, Marcus Pelz und Michael Laurenz als verhaltensoriginelle Brüder Baraks auf. Ileana Tonca, Valeriia Savinskaia, Szilvia Vöros, Stephanie Houtzeel, Szilvia Vöros, Bongiwe Nakani sowie Monika Bohinec und Maria Nazarova bewähren sich in verschiedenen Formationen als Dienerinnen, Stimmen der Ungeborenen und als Solostimmen. Der Chor und die Opernschule Wiener Staatsoper runden die gewaltige Besetzung dieser Produktion ab.

Begeisterter Applaus, in den sich, als sich überraschenderweise auch der Regisseur Vincent Huguet und der Dramaturg Louis Geisler dazugesellen, ob des allgemeinen Jubels nicht sehr vernehmbare Missfallensbekundungen mischen. Zu Recht. Die Inszenierung und ihre mangelnde Auslotung der Handlung und vor allem der zentralen Personen bleibt der Schwachpunkt dieser Produktion. Trotzdem wäre es wünschenswert, dieses Werk in Hinkunft, d.h. auch in der neuen Direktion, öfter auf dem Spielplan zu sehen. Was die Wiener Aufführungszahl dieser Strauss-Oper betrifft, gibt es da ja wirklich noch ausreichend Luft nach oben.

Manfred A. Schmid

 

 

 

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