WIEN/Staatsoper: DER ROSENKAVALIER am 9.6. 2025
Octavian. Nach Alfred Roller
Das Erfreulichste vorweg: Adam Fischer dirigierte. Ohne Orchesterprobe. (Letzteres ist weniger erfreulich. Doch in diesen Juni-Tagen bleiben Orchesterproben dem Ring des Nibelungen vorbehalten.) Man hörte es kaum. Dafür sah man es auf der Bühne umso deutlicher. Eine Inszenierung nach Otto Schenk …
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Der Richard Strauss des Adam Fischer ist, nein, war, niemals aquarelliert, sondern immer pastos. Der Walzer im dritten Aufzug: rustikales Vorstadt-Wien. (Hört man den Komponisten seine Rosenkavalier-Walzer dirigieren, wird rasch klar: Genau das hatte Strauss im Sinn gehabt.) Adam Fischer: keine Ziselierung wie bei Carlos Kleiber 1994, nicht so durchsichtig wie bei Kirill Petrenkos vier Abenden zwanzig Jahre später. Anstelle dessen musikantischer Schwung: erfrischend. Wenn die Marschallin Mariandl nach dem Medaillon sendet, bricht sich im Orchester jenes Walzermotiv bahn, mit welchem der Baron Ochs auf Lerchenau im dritten Aufzug aus dem Beisl stürmt. Und in dem Dazwischen, da liegt die ganze wienerische Maskerad’.
Die Inszenierung also: nach Otto Schenk. Rudolf Heinrich ersann die Bühnenbilder, Erni Kniepert entwarf die prachtvollen Kostüme (die Robe der Feldmarschallin im dritten Aufzug!).
Angel Romero, seit Dezember 2022 als Ein Sänger abonniert, wußte bei seinem sechsten Antreten noch immer nicht, wohin sich wenden für die Wiederholung seiner Arie (unser Tip: zum Baron). Dargeboten ward jene untermittelprächtig, mit verebbenden Phrasen sowie in der Höhe engem Ton; — und, wie’s heute Gepflogenheit ist, ohne Konnex zur unteren Oktave der Stimme. Warum man an der Staatsoper einen überforderten lyrischen Tenor als Gast engagiert, wenn man einen besseren im Ensemble hat, zählt jedenfalls zu den vielen unergründlichen Geheimnissen — nein, nicht eines Mädchenherzens, sondern des künstlerischen Betriebsbüros. Jörg Schneider beeindruckte jedenfalls in seinen wenigen Einwürfen als Wirt mehr als der Zweitplatzierte des Operalia-Wettsingens von 2024. ..
…Einmal mehr ein Ärgernis war, daß man an der Wiener Staatsoper nicht nur am Besetzungszettel aus dem kleinen Neger (schauspielerisch erfreulich: Matteo Haudek), wie er in Richard Strauss’ Partitur heißt, den kleinen Mohammed
machte und auf die dunkle Schminke verzichtete. Erstens bleibt Schminke im Theater immer Schminke. Zweitens gibt der kleine Neger Auskunft über den Reichtum im Haushalt der Werdenbergs. (Man darf davon ausgehen, daß es dieser kleine Neger bei den Werdenbergs im Vergleich mit anderen Bedienten über die Maßen gut hatte.) Und drittens kann es niemals darum gehen, die Darstellung von Menschen mit anderer Hautfarbe auf unseren Bühnen zu canceln. Vielmehr sollte gefordert sein, alle Menschen im täglichen Umgang mit derselben, ihnen zukommenden Wertschätzung zu behandeln.
Diesen Unterschied scheinen allerdings weder viele Gutmensch*Innende noch die nach dieser Zielgruppe schielenden Intendanten zu verstehen.
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Thomas Prochazka/www.dermerker.com