WIEN / Staatsoper: DER ROSENKAVALIER am 03.06.2017
Sophie Koch (Octavian). Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Mit der vierten Vorstellung ging eine sehr erfreuliche, aber bestimmt nicht unspektakuläre Rosenkavalier-Serie zu Ende. Umbesetzungen und Hausdebuts sorgten für Spannung und Überraschungen – zum Glück angenehme!
Durch die Erkrankung von Angela Denoke kam Linda Watson zu einem späten, aber sehr erfolgreichen Hausdebut als Feldmarschallin. Ihr souveräner, verlässlicher Sopran, den wir in den hochdramatischen Wagner- und Strauss-Rollen so schätzen, zeigte sich flexibel, lyrisch und einfühlsam. Die große Stimme erlaubte ihr zarte Piani, die bis in die letzte Reihe Galerie reichten und Strauss-Bögen mit schier unendlichem Atem. Der Wechsel von der erfahrenen Bettgenossin, über die philosophisch sinnierende Frau in der Mitte des Lebens, die sich der Endlichkeit des Daseins bewusst wird, bis zur dominanten Hochadeligen gelang nicht nur stimmlich, sondern auch darstellerisch ganz vorzüglich. Bleibt eigentlich nur die Frage, warum man ausgerechnet uns in Wien so eine Feldmarschallin so lange vorenthalten hat?
Auch Sascha Goetzel hatte in dieser Serie sein Rosenkavalier-Hausdebut und erfreute uns mit einer wienerischen Ausdrucksweise und einem rücksichtsvollen Dirigat. Er war in der glücklichen Situation, dass er im 3.Akt–Terzett die hervorragend eingestellten Wiener Philharmoniker frei aufspielen lassen konnte – diese geballte „Frauenpower“ war nicht zuzudecken. Ein kleiner Wermutstropfen war der etwas laue Beginn des Vorspiels. Wenn man bedenkt, dass die Musik den Höhepunkt einer feurigen Liebesnacht beschreibt, müssen wir konstatieren, dass wir hier nur einen vorgetäuschten Orgasmus hörten.
Peter Rose fasziniert uns immer wieder durch seine wienerische Rollengestaltung und durch den passenden Dialekt, der die anmaßende Überheblichkeit des Hochadels und die köstliche Kunstsprache Hugo von Hofmannsthals so trefflich serviert, ohne dabei ins Ordinäre, Strizzihafte abzurutschen. Gemeinsam mit dem Mariandl sorgte er für Spass und gute Laune.
Sophie Koch ist sowohl als Mariandl als auch als Octavian eine singuläre Besetzung. Sie schafft es, als Frau einen Mann zu spielen, der eine Frau spielt – und wirkt dabei wunderbar linkisch, wie man es von einem siebzehnjährigen jungen Mann erwartet. Ihr heller Mezzo harmoniert vorzüglich mit dem mütterlich warmen Sporan der Feldmarschallin und strahlt beeindruckend in der Höhe.
Die Erkrankung von Daniela Fally bescherte Chen Reiss ein Monsterprogramm, das leider Spuren hinterlassen hat. Die Belastung von zwei mal Marzelline und zwei mal Sophie in fünf Tagen ging zu Lasten der zarten, frischen Höhe, die sonst ihre Sophie auszeichnet. So konnte sich der Zauber des letzten Tones im Schlussduett nicht entfalten – wir wurden allerdings schon am Vortag mit der wunderbaren Interpretation der Marzelline entschädigt. Vielleicht hätte sie ihren Verlobten aus dem spanischen Gefängnis ins theresianische Wien mitbringen sollen – Jörg Schneider wäre sicher in der Lage, die schwierige Rolle des „Sängers“ gut und gerne zu singen. Norbert Ernst – der sich redlich mühte – könnte erlöst werden.
Der Edle Herr von Faninal wurde von Jochen Schmeckenbecher dank stimmlicher Präsenz zu einem ernstzunehmenden Großindustriellen, der mit sonorem, schön klingendem Bariton sowohl seinen Zorn, als auch seine Bewunderung für den Hochadel ausdrückte. Regine Hangler gestaltete eine temperamentvolle Leitmetzerin und war stimmlich sicher unterfordert – das wird sich aber als Chrysothemis in der Elektra bald ändern.
Das Intrigantenpaar sorgte temperamentvoll für den Fortgang der Handlung – Thomas Ebenstein als schönstimmiger Valzacchi und Ulrike Helzel als Annina mit guter Mittellage aber diesmal mit ungewohner Schärfe in den Höhen.
Die kleinen Rollen waren zum Großteil mit den bewährten, guten Singschauspielern aus dem Ensemble der Wiener Staatsoper besetzt; Alexandru Moisiuc als devoter Polizeikommissar, Marcus Pelz als kauziger Notar, Lauren Michelle als zickige Modistin, Herwig Pecoraro als stimmgewaltiger Wirt sowie Wolfram Igor Derntl und Benedikt Kobel als verlässiche Haushofmeister.
Ein schöner Opernabend mit großartiger Strauss-Kompetenz und wienerischem Flair an einem traumhaften Frühsommerabend – das Leben ist schön!
Maria und Johann Jahnas