WIEN / Staatsoper: DIE WALKÜRE am 01.05.2017
Robert Dean Smith. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
So spannend, aufregend und schön kann Oper sein, wenn das Genie des Schöpfers dieses Gesamtkunstwerkes geachtet, verstanden und gekonnt umgesetzt wird. Was bei dieser Walküre aus dem Orchestergraben kam, war eine orchestrale Sternstunde, die bis in die tiefsten Regionen des Nervenkostümes wirkte. Schon im Vorspiel hörten wir eine Dynamik, eine Erhabenheit und eine detaillierte Auffächerung der Stimmungen und Gefühle, die auf eine denkwürdige Vorstellung hoffen ließ. Es wäre zu wenig, dafür nur den ewig forschenden, um Wagner’sche Wahrheiten ringenden Kapellmeister Peter Schneider zu loben; man muss auch in allen Instrumentengruppen leidenschaftliche, virtuose Ausnahmekünstler zur Verfügung haben, um ein derartiges Klangerlebnis produzieren zu können. Wir haben den weltberühmten Wiener Streicherklang noch nie so strahlend, so aufwühlend glitzernd und gleichzeitig so durchscheinend klar erlebt; dazu bewirkten die vielen liebevoll ausgearbeieten Details und Zitate bei den Blech – und bei den Holzbläsern eine Verbreiterung UND eine Intensivierung des musikalischen Eindruckes.
Auf dieser Basis wurde der erste Aufzug mit drei Spitzensolisten zum unvergesslichen Erlebnis. Camilla Nylund erfreute uns in den letzten Jahren mit vielen großartigen Leistungen – vor allem bei Wagner und Strauss – diese Sieglinde gelang wieder mit unangestregter, schöner Stimme und berührendem Ausdruck. Edles Vibrato, sichere Höhen und Präsenz in der Tiefe veredelten dieses Wälsungenmädchen, das in dem schönstimmig singenden Robert Dean Smith einen passenden Zwillingsbruder gefunden hat. Seine etwas kleine Stimme wurde von Peter Schneider behutsam durch die gesamte Rolle geleitet und ermöglichte eine beeindruckende Interpretation ohne die Grenzen der stimmlichen Möglichkeiten zu überschreiten. Seine „Wälserufe“ waren verzweifelte Hilferufe und wirkten vielleicht sogar eindringlicher als die üblichen Brüllorgien, die oft als reine Zirkusnummer missbraucht werden. Robert Dean Smith machte aus der sympathischesten Männerfigur des Ringes einen liebevollen Bruder und Geliebten – und somit alles richtig.
Ain Anger war in diesem aussergewöhnlichen ersten Aufzug ein adäquater Hunding. Sein mächtiger, ausdrucksstarker Bass und seine körperliche Präsenz vermittelten den brutalen, rücksichtslosen Macho, der nur mit göttlichen Tricks besiegt wird. Eine tolle Entwicklung des ehemaligen Ensemblemitglieds der Wiener Staatsoper, der an den Ausspruch von Eberhard Waechter erinnert: „Es interessiert mich nicht, woher einer kommt, interessant ist, wohin er von uns geht!“
Leider war es für uns nach der ersten Pause mit dem ungetrübten Vergnügen vorbei. Petra Lang macht seit ihrem Fachwechsel vom Mezzo zum hochdramatischen Sopran einen zwiespältigen Eindruck. Ihre kraftvollen Höhen kamen imponierend und so klang auch das „Hojotoho“ beeindruckend, wenn auch mit etwas ungewohnter körperlicher Unterstützung. Erstaunlicherweise verlor die Stimme der ehemaligen Mezzosopranistin ausgerechnet bei den tieferen Tönen an Klang und Präsenz. Die in der Höhe schön vorbereiteten Passagen wurden regelmäßig beim Lagenwechsel nach unten „entzaubert“. Besonders in der Szene der Todesverkündigung wurde dadurch die sinnliche Stimmung empfindlich gestört.
Seit seinem Wechsel vom Alberich zum Wotan versuchen wir uns mit dem Gesangsstil von Tomasz Konieczny anzufreunden – gibt es doch viele Bewunderer des kraftvollen Bassbariton mit dem unverwechselbaren, kehligen Timbre. Es ist uns aufgefallen, dass er uns bei den lieblosen Partien wie Alberich, Telramund, Jochanaan, Don Pizarro und Jack Rance am besten gefällt – Gier, Hass, Wehleidigkeit und Brutalität lässt sich mit einer kalten Stimme hervorragend gestalten; für den Ausdruck der Liebe – auch der Vaterliebe – ist ein Mindestmaß an Wärme unverzichtbar – genau deshalb kann uns Tomasz Konieczny bei Wotans liebevollem Abschied von seiner Lieblingstochter nicht zu Tränen rühren.
Mihoko Fujimura zeigte eine Hüterin der Ehe mit stimmlicher und gestalterischer Durchschlagskraft, ließ beeindruckende Mezzo-Töne hören und vermittelte sowohl noch Zuneigung für den treulosen Wanderer durch die (Damen)Welt als auch tiefe Kränkung. Eine interessante, in 15 Jahren gereifte Rollengestaltung – Kompliment!
Die Walküren – Regine Hangler, Caroline Wenborne, Hyuna Ko, Margaret Plummer, Ulrike Helzel, Monika Bohinec, Bongiwe Nakani und Rosie Aldridge – jagten temperamentvoll über die Bühne und zeugten mit stimmlicher Qualität sowohl in den Soli als auch als gut zusammengestellte Gruppe vom hohen Niveau des Ensembles der Wiener Staatsoper.
Nach dem fulminanten Feuerzauber gab es großen Applaus für die Sänger und Jubel für den Kapellmeister, der uns dieses Erlebnis beschert hat.
Maria und Johann Jahnas