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WIEN/ Staatsoper: DER RING DES NIBELUNGEN – „DAS RHEINGOLD“ – der ganze Wagner!!

02.05.2017 | Oper

Wiener Staatsoper: Vorabend „DER RING DES NIBELUNGEN“

30.4.: „DAS RHEINGOLD“ – der ganze Wagner!

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Norbert Ernst (Loge), Jochen Schmeckenbecher (Alberich). Copyright: Michael Pöhn/ Wiener Staatsoper

Fast um das Staatsoperngebäude herum reichte die Stehplatzschlage vor diesem 1. Abend der beiden „Ring“-Zyklen, die sich über 5 Wochen erstrecken und als ausverkauft gelten. Dass der seit langem angekündigte Wotan, Bryn Terfel, alle Termine abgesagt hat, war für die Mehrheit der Wagner-Interessenten offenbar kein Grund, die Karten zu retournieren. Da auch die übrige Sängerbesetzung nicht mit wirklichen Star-Namen aufwarten konnte, gilt der große Andrang auf diese „Ringe“ entweder generell dem Wagnerschen Mammutwerk oder – unter Kennern – vielleicht auch dem Dirigenten? Peter Schneider hat im letzten Jahrzehnt hier nur 2 „Walküre“-Vorstellungen (Juni 2014) geleitet.  Nun endlich hatten wir mit ihm wieder einen profunden Kenner und Könner am Pult, der allen Aspekten des Monsterswerks gerecht wird, vor allem aber das ebenso kontrastreiche wie kontinuierlich spannende Drama Klang werden lässt.

Das bedeutet beim „Rheingold“: Das Mysterium „in der Tiefe des Rheines“ hörbar zu machen, den Göttern ihre Hoheit zu geben, den Riesen ihre polternde Wucht, den Nibelungen ihre Perfidie, den Nixen ihren Charme und dem listigen Feuergott Loge seine unterhaltsame Umtriebigkeit. Alle Figuren zeigen sich farbenreich und bis zu einem gewissen Grad – in ihrer Überheblichkeit oder Dummheit, Naivität oder Raffinesse – auch amüsant. Wenn das musikalisch zum Ausdruck kommt, durch entsprechende Wortdeutlichkeit unterstützt und auch noch gut und schön gesungen wird, dann ist für vollkommenes Wagner-Glück gesorgt. Ich habe oft gelacht, fand die brutalen Momente (Alberichs Gefangennahme, seinen Fluch, die Tötung Fasolts) aufrüttelnd  und das crescendierende Walhall-Motiv vor Beginn des 2. Bildes. das Auftauchen der Erda oder Wotans positivste Reaktion „Zu mir, Freia…“ so erhebend, dass das dazugehörige Quäntchen Gänsehaut nicht ausbleiben konnte, und war einmal wieder vom gesamten Werk überwältigt.

Das philharmonische Staatsopernorchester realisierte mit Bravour (und ohne Orchesterproben) nichts weiter als sozusagen „klassischen Wagner“ mit allen Höhen und Tiefen, immer das Bühnengeschehen bzw. die Sänger zugleich tragend oder im Dialog begleitend und kommentierend. Wie der Dirigent dabei den Zusammenhalt des gesamten Apparats und die Hervorkehrung wichtiger Details mit wenig gestischem Aufwand zuwege brachte, bleibt sein Geheimnis – wie bei allen großen Dirigenten. So wurden die Götter zwar mit voller Orchesterpracht in Richtung Walhall geleitet, aber da gab es kein falsches Pathos, dafür aber verspürte man dank der gebotenen orchestralen Transparenz die Fragwürdigkeit dieser vermeintlich – seitens Wotan & Co  – auf Dauer gewähnten Machtergreifung…

Dass die gesamte „Rheingold“-Aufführung einfach schön war, spricht wohl nicht gegen ihre Interpreten. Es kommen ja – siehe unseren Leitartikel! – in diesem Meisterwerk Dinge zur „Sprache“, die sich eben nur mit Mitteln des  Gesanges und der Instrumentalkunst unter entsprechender Führung glaubhaft einem Theaterpublikum vermitteln lassen.

Unter den Sängern avancierte Norbert Ernst als Loge zum Star des Abends. Man hatte den Eindruck, dass er sich selber grenzenlos amüsierte bei seinem mit tenoralem Wohlklang und exzellenter Wort-Ton-Gestaltung präsentierten Intrigenspiel. Von den langen, fliegenden  Haaren und dem weiten Mantel, die ihm die Regie zugesteht, in seinen schweifenden Bewegungen assistiert, springt er zwischen den weißen Sitzbänken (oder Steinblöcken?), auf denen die Götter zu ruhen belieben,  so gewandt umher, dass man ihm oft kaum so rasch mit den Blicken folgen kann – er dünkt einen allgegenwärtig. Die mimische und vokale Vielgestaltigkeit dieses Feuergotts lässt zugleich die orchestrale Aussage zu dieser raffinierten Persönlichkeit, die unter den diversen Göttern, Helden, Riesen, Zwergen, Nixen, Nornen etc. eine Ausnahmestellung einnimmt, erst so richtig zur Geltung kommen. Musikdrama heißt eben: es muss alles zusammenpassen.

Im übrigen Götterkreise gebührt den Damen die Erstnennung. Die an der bayerischen Staatsoper beheimatete Okka von der Damerau war bei ihrem Hausdebut (das hoffentlich Folgen hat…) eine prachtvolle Erda – nicht nur mit ihrem wunderschönem Mezzo-Alt eine Freude, sondern auch eine attraktive Person und spürbar starke Persönlichkeit, die Wotans Zuneigung verständlich machte, und auch als spätere Mutter Brünnhildes begrüßte man sie  gern vorweg. Aber auch die Göttergattin Fricka fand in Mihoko Fujimura eine repräsentative Verkörperung – mit würdiger Erscheinung, schlank geführter, geschmeidiger Stimme und fraulicher Raffinesse im Einsatz. Caroline Wenborne war mit jugendlich dramatischem Sopran und intensiver Präsenz eine starke Freia. Noch an Stimmkraft zugelegt seit seinen letzten Donner-Auftritten hat Markus Eiche, der die göttliche Macht über die Sphären nun wirklich glaubhaft macht. Als Einspringer neu hinzugestoßen zum leichtsinngen, lustgierigem Göttergelichter: Thomas Ebenstein als Froh: schlank und schön mit beträchtlichem Höhenpotential. Der gleichfalls als Einspringer herbeigeholte Egils Silins ist ein wetlweit erprobter Wotan mit nicht übermächtig großem Bassbariton, aber gekonnter Phrasierung und gutem Auftreten.

Zwei imposante Riesen vervollständigten das Ensemble der Überirdischen: Ain Anger ist ein geradezu prachtvoller Fasolt mit unbegrenztem Stimmvolumen und fabelhafter Deklamation seiner profunden Mitteilungen. Sein Basskollege Sorin Coliban ergänzte gekonnt mit den noch tiefer gelagerten Aussagen.

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Wolfgang Ablinger-Sperrhacke. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Und wie sah es in den realen Wagnerschen „Tiefen“ der Welt aus – in Nibelheim und im Rhein? Durchaus beachtlich! Jochen Schmeckenbecher schien nur bei seinen allerersten Äußerungen (wobei er sich im Rheinwasser verschluckt haben könnte) noch stimmlich etwas unsicher, aber dann wurde er zu einem Alberich, der einen wahrlich das Fürchten lehren konnte. Eine solche deklamatorische Prägnanz, samt genussvoller Auskostung der Wagnerschen Stabreime, lässt vergessen, dass man den machtlüsternen Zwerg auch mit schönerer Stimme singen kann. Und daneben der weit geschmeidiger singende kleine Bruder: Wolfgang Ablinger-Sperrhacke – ein Mime, den man mehr bedauert als man ihm seine Hinterfotzigkeit anhört, was durchaus auch in der Rolle drinnen ist.

Bleiben noch die 3 hübschen, schlanken Rheinmädchen zu loben: Ileana Tonca, Stephanie Houtzeel und Zoryana Kushpler, die, jede auf ihre Weise, mit raffiniertem Verführungsspiel vokal und physisch das ganze „Ring“-Unglück heraufbeschwören.

Gott sei Dank unterstützt die im Großen und Ganzen geglückte Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf in Rolf Glittenbergs Bühnenräumen und Marianne Glittenbergs Kostümierung Wagners Anliegen auch akustisch und lässt dem Bühnenpersonal viel Freiraum zu persönlicher Entfaltung.  Es ist der optisch beste Teil der hiesigen „Ring“-Inszenierung.
Dass es bessere und einfallsreichere gibt, wissen wir. Aber auch weit schlechtere.

Starker, langer Applaus und viele Bravos für alle, deutlich anschwellend für den Maestro!

Sieglinde Pfabigan

 

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