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Wien/ Staatsoper: DER FREISCHÜTZ – Derniere der Premierenserie

Eine hervorragend gearbeitete Themenverfehlung

29.06.2018 | Oper

„DER FREISCHÜTZ“ am 29.6.2018- Eine hervorragend gearbeitete Themenverfehlung.


„Samiel“ Hans Peter Kammerer. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Die Regiearbeit von Christian Räth ist eine gute Mischung aus vielen derzeitigen „Modeerscheinungen auf der Opernbühne“. Man findet die Laufbänder, Klaviere, viele Sessel, konzertant aufgereihten Chor und vieles mehr, auch die Freude am Zündeln ist vorhanden. Die Personenführung ist genau und prägnant, aber es wurden andere Figuren zum Teil daraus entwickelt. Max, ein Komponist und Hobbyjäger ?

Einzig bleibt Samiel, der immer, wie man es bereits aus anderen Inszenierungen gewohnt ist, mitmischt, sei es als „schöner böser roter Vogel“ oder als Agathendouble, beeindruckend auf alle Fälle ist sein schwebender Auftritt in der Wolfsschlucht, er bleibt das Böse all über all. Mit dem Original und der Vorstellung der Autoren Johann Friedrich Kind und Karl Maria von  Weber hat diese Inszenierung aber nur noch in homöopathischen Dosen zu tun.

Dazu trägt natürlich die Ausstattung von Gary McCann bei. Das hingestellte Bühnenbild ist wirklich sehr schön, ein wunderbarer Wintergarten, schöne Kleider, auch ein Klavier spielt mit, schließlich ist Max doch Komponist. Er trifft sich mit dem Teufel, um Freikugeln zu gießen, da brennt das Klavier, fühlt es sich verlassen? Oder ist es beleidigt, weil Caspar darauf spielt? 

Für die musikalische Umsetzung sorgte Tomas Netopil forsch und nicht sehr sensibel am Pult. Was hier auf der Strecke blieb, war die Romantik.

Sehr gut, eigentlich wie immer der Chor unter Thomas Lang, der eine große Rolle in dieser Oper spielt. Er sei somit als Erster gelobt.

Es war die erste Premiere von Andreas Schager an der Wiener Staatsoper. Ob der Max tatsächlich ein sogenannter Heldentenor sein soll, bezweifle ich sehr. Das Stimmfach gab es zu der Zeit noch nicht! Auch wenn der Künstler es im Interview betonte, dass der Max immer „zu leicht“ besetzt wird, so muss ich dem doch sehr widersprechen. Schager singt den Max wie schweren Wagner, also nicht im Stil der Zeit der Komposition, dies ist eine Frage des Geschmacks. Ein Sänger, der ersten Riege  im dramatischen deutschen Fach ist er zweifelsohne, eine Idealbesetzung bei Weber nicht. Seine Prosa ist durch die Operettenvergangenheit sehr geschult und wird auch vom Künstler sehr gut eingesetzt. Dass manches oft wie „Fledermausprosa“ klingt, ist wohl Absicht im Regiekonzept.

Die angebetete Agathe ist hier keine „Försterchristl“, eher eine sehr elegante Salondame,  also vom verträumten Mädchen sehr weit entfernt. Camilla Nylund singt und spielt diese Dame an eine sehr reife Arabella erinnernd. Die Stimme flackert im Piano bedenklich, allerdings sind auch die Fortehöhen im Klang gefährdet. Ihre Kostüme sind tatsächlich sehr schön, wenn nicht gerade Negligé angesagt ist. Ihren besorgten Vater Cuno, den Oberförster, tatsächlich immer in Festtagstracht,  spielt Clemens Unterreiner gekonnt, wirkt aber eher wie Agathes Bruder. Gesanglich ist er einfach erste Klasse. Ich denke, man könnte  ihm den Caspar anvertrauen. Caspar, irgendwie Max `s zweites schwarzes Ich singt Alan Held nicht gerade intonationssicher. Nach dem wirklich guten Jochanaan enttäuschte er als Caspar sehr. Darstellerisch gibt er alles und macht dadurch wieder einiges wett. Adrian Eröd ist Ottokar, er tritt herrisch und trotzdem irgendwie unsicher auf. Wenn er auch fast zu übersehen ist, so lässt er sich nicht überhören. Albert Dohmen ist der Eremit im Luster. Soll so Max die Erleuchtung für seine Komposition kommen. Warum er zuvor schon mit Samiel ein Treffen auf der Parkbank hat, ist unklar. Im Original findet sich nichts davon! Gabriel Bermudez war der farblose Kilian, das sehr gute Spottlied ging komplett unter. Eine Sonderleistung bot Hans Peter Kammerer als Samiel. Fürs erste ist er ausgezeichneter Sprecher, und kopfüber von oben hinunter hängend eine ungefähr fünf Minuten langes Gespräch mit „Teufelspathos“ zu führen, das kann sicher nicht so bald wieder jemand. An spielfreien Abenden könnte er als Stuntman arbeiten. Einfach eine tolle Leistung, Bravo!

Auch in dieser Premierenserie schlägt noch einmal der Umbesetzungsteufel zu. Statt Daniela Fally ist nun Evelin Novak als Ännchen mit Hausdebüt dabei. Ihre Regie ist sehr weit von der üblichen Sichtweise des Ännchens entfernt. Da sieht man fast ein Zwischenwesen, Kobold (Pumuckl in weißblond?), oder doch eine in Agathe verliebte Frau? Stimmlich und darstellerisch bot sie eine sehr gute Leistung. Eine sehr angenehm timbrierte lyrische Stimme, nie soubrettig und überaus flexibel und in alles Lagen gut fokusiert und sehr tragfähig. Erstaunlich, wie gut sie sich in die Regie einfügte, und wieder tritt die Frage auf, warum sechs Wochen proben, wenn es drei Tage tun? Ein überaus gelungenes Hausdebüt

Sehr hübsch und mit schönen frischen Stimmen singendie vier Brautjungfern aus dem Chor:

Also von der ersten romantischen deutschen Oper blieb wenig über. Eines muss man aber schon bemerken, die Arbeit des Teams ist hervorragend. Die Kostüme, wenn auch nicht immer passend, sind schön und den Anzukleidenden gut angepasst. Also was könnte man in dem Bühnenbild spielen ? Für den „Freischütz“ wäre ja ohne Probleme die Lohengrin Dekoration verwendbar, wo auch die richtigen Dirndln und Lederhosen vorhanden sind.

Elena Habermann         

 

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