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WIEN/ Staatsoper: DAS RHEINGOLD – zweiter Ring-Durchlauf gestartet

WIEN / Staatsoper: „DAS RHEINGOLD“ – 21.05.2022

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Jörg Schneider, Jochen Schmeckenbecher. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

 Am Donnerstag ging mit der „Götterdämmerung“ die erste Gesamtaufführung von Wagners „Der Ring des Nibelungen“ zu Ende und bereits am Samstag begann nun mit dem „Rheingold“ der zweite Zyklus.

John Lundgren, der schon im ersten Zyklus in der „Rheingold“-Aufführung ausgebuht worden war und sich dann vor dem 3. Akt der „Walküre“ als indisponiert entschuldigen ließ, sagte schließlich seine Mitwirkung im „Siegfried“ ab. Aber auch in der nun zweiten „Rheingold“-Aufführung musste man leider feststellen, dass er den stimmlichen Anforderungen des Göttervaters Wotan in keinster Weise gewachsen ist. Er besitzt keinen Heldenbariton, vielmehr eher einen Charakterbariton, dazu ist die Stimme auch im Volumen sehr begrenzt, besitzt wenig Stahlkraft und wird mit viel Vibrato geführt. Dazu kommt noch, dass er offensichtlich mit der Bewältigung der stimmlichen Probleme derart beschäftigt ist, dass er keine Zeit hat sich auf eine überzeugende Darstellung des Gottes konzentrieren zu können. Textunsicherheit und eine sehr undeutliche Artikulation sind zusätzlich negative Aspekte seiner Gesamtleistung. Im Verlauf des Abends konnte er eine Überanstrengung der Stimme kaum noch verbergen, immer öfter wurden Töne nur noch gehaucht statt gesungen, gelegentlich versagte ihm die Stimme total. Vielleicht hätte er niemals vom Alberich, den er 2012-2014 noch am Grand Théâtre de Genève gesungen hat, zum Göttervater wechseln sollen? Ich habe jedenfalls in 45 Jahren an der Wiener Staatsoper keinen schwächeren Wotan erlebt. Man kann nur hoffen, dass er die „Walküre“ am Sonntag absagen wird.

Hingegen geglückt ist Daniel Behles Umstieg vom Froh, den er noch 2017 bei den Bayreuther Festspielen gesungen hat, zum Loge. Diese Partie kann ja entweder von einem Charaktertenor (unvergleichlich: Heinz Zednik), einem Heldentenor oder auch von einem lyrischen Tenor (ebenfalls unvergesslich: Peter Schreier) interpretiert werden. In die letzte Kategorie fällt nun Daniel Behle. Stimmschön und mit außerordentlicher Textverständlichkeit präsentierte er diesen aalglatten Intriganten. An diesem Abend schlug der Halbgott Loge bei weitem die gesamte Götterwelt.

Erik Van Heyningen, Mitglied des Opernstudios, fehlte auch als Donner (wie bereits als Jochanaan, den er einmal als Einspringer für John Lundgren übernommen hat) das nötige Stimmvolumen für die Wiener Staatsoper, zumindest derzeit noch. Ab der nächsten Spielzeit wechselt er in das Ensemble der Oper Frankfurt. Dies ist bestimmt der richtige Schritt. Die Stimme des jungen amerikanischen Baritons soll Gelegenheit haben langsam zu wachsen und nicht durch Forcieren überfordert zu werden.

Daniel Jenz konnte mit dem kurzen Solo des Froh („Zur Burg führt die Brücke“) auf seine schöne Stimme aufmerksam machen.

Ebenfalls gewechselt hat Monika Bohinec von der Erde zur Fricka, wobei man festhalten kann, dass ihr die resolute Göttergattin stimmlich weit mehr liegt als die Ur-Wala.

Die liebliche Göttin Freia wurde von Regine Hangler mit scharfer Stimme und vielen schrillen Tönen gesungen. Da haben wir auch schon viele bessere Sängerinnen in dieser Partie gehört.

Ungetrübte Freude hingegen bereitete Noa Beinart als Erda. Endlich haben wir wieder eine echte Altistin im Ensemble. Diese Partie sollte eigentlich nur von Altistinnen und nicht von Mezzosopranistinnen, die dann nur in der Tiefe drücken, gesungen werden. Noa Beinart ließ ihre warme Stimme pastos strömen. Wundervoll!

Jochen Schmeckenbecher ist schon seit langer Zeit ein bewährter Alberich, auch an diesem Abend konnte er seine bekannten Qualitäten zum Einsatz bringen.  

Ebenfalls erfolgreich gewechselt (vom Froh zum Mime) hat Jörg Schneider. So schön gesungen mit geschmeidigem Tenor hört man den Zwerg wahrlich nicht alle Tage.

Sehr schön, um nicht zu sagen zu schön, hat Artyom Wasnetsov aus dem Opernstudio den Fasolt gesungen. Ob diese Partie wirklich einem jungen Anfänger anvertraut werden sollte? Da erwartet man sich doch eher einen stimmgewaltigen Bass wie Matti Salminen, Karl Ridderbusch oder Kurt Rydl. Ähnliches gilt übrigens auch für Dmitry Belosselskiy als Fafner.

Sehr gut waren die Rheintöchter mit Joanna Kędzior, Patricia Nolz und Stephanie Maitland besetzt.

Leider nicht in bester Verfassung war diesmal das Orchester der Wiener Staatsoper. Zu viele Unsauberkeiten besonders bei den Blechbläsern lassen vermuten, dass die erste Besetzung wohl an diesem Wochenende unter Riccardo Muti im Wiener Musikverein spielt.

Axel Kober ist gewiss kein großer Gestalter wie etwa Christian Thielemann (werden wir in Wien jemals wieder einen Ring unter ihm hören dürfen?). Aber der Generalmusikdirektor der Deutschen Oper am Rhein ist ein ausgezeichneter Kapellmeister der alten Schule, wie es heute nicht mehr viele gibt, und das ist als Kompliment gemeint. Mit raschen Tempi steuert er mit sicherer Hand das Orchester vom kaum vernehmbaren Beginn der Kontrabässe im Vorspiel bis zum Finale, wenn das Walhall-Motiv in das strahlende Regenbogen-Motiv mündet. Er ist ein rücksichtsvoller Begleiter, der die Sänger (fast) nie zudeckt und das Orchester nur in den Zwischenspielen zur höchsten Lautstärke animiert.

Von den vier Ring-Opern ist das „Rheingold“ die noch am wenigsten misslungene Inszenierung des Leading Teams Bechtolf/Glittenberg.

Am Ende gab es viel Beifall, aber auch einige Missfallenskundgebungen. Die meisten Buhs kassierte John Lundgren. Ob es eine richtige Entscheidung war, viele bewährte Sänger nicht mehr zu beschäftigen und stattdessen Sänger mit zu kleinen Stimmen zu engagieren oder Sänger in Rollen, in denen sie überfordert sind, einzusetzen? Wir haben doch jetzt einen Casting-Direktor?

Walter Nowotny

 

 

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