Bei Roščić gibt es eine Neuproduktion von Così fan tutte — in der von ihm und seinen Angängern so geliebten Regisseurs-Theater-Manier. Die Blamage, daß in der Welt größtem Repertoire-Opernhaus ob der behaupteten Komplexität dieser Inszenierung ein herbeigerufener Tenor nur aus dem Orchestergraben singen konnte, gab’s man als Zuwaag’ obendrauf.
So waren, in aller Kürze, die Begebenheiten.
Der Abend ward szenisch von Barrie Kosky verantwortet. Gianluca Falaschi schuf Bühnenbild und Kostüme; d.h., er ließ letztere bis auf fünf in den Bekleidungsgeschäften der Stadt erwerben: Jeans, Cargo-Hosen, T-Shirts, Tops, Hoodies, Sneakers, einen schlecht sitzenden Anzug, Militärklamotten … Alles Kleidungsstücke also, deren eine Produktion, welche als » zeitgemäß « gelten will, heute für ihre Ausstattung dringend bedarf. Franck Evin beleuchtete das Ergebnis: ein armseliges Theaterportal auf einer Drehbühne, Stühle (alles Einzelstücke), zwei Tische zum Umwerfen, Daraufspringen und Herumtollen, ein wenig abseits ein paar rollbare Theaterscheinwerfer. Und Philippe Jordan ließ einmal mehr hören, daß seine Bestellung zum Musikdirektor des Institutes auf einem fundamentalen Mißverständnis fußt.
(Im Laufe der Begebenheiten wird das klar werden.)
Besagter Abend: die gefühlt längste Vorstellung dieses Werkes meines Lebens. Mehrmals ertappte ich mich im ersten Akt bei der Überlegung, welche Szenen denn noch bis zur Pause zu absolvieren seien…
…Im Finale stoben die vier Jungen wütend auseinander, obwohl Mozarts Musik und Da Pontes Text zur Erkenntnis einladen, man solle die Dinge nicht zu schwer zu nehmen. Zuvor knallten die sich düpiert fühlenden Liebenden Don Alfonso ihre Klavierauszüge zu Così fan tutte auf den Regietisch. Sie hatten recht: Der Spielvogt hat sie für seine Zwecke mißbraucht, Così fan tutte sah man an diesem Abend nicht. Aber das, so steht zu vermuten, war ja auch niemals Koskys und Roščićs Absicht.
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Thomas Prochazka (www.dermerker.com)