WIEN/ Staatsoper : Cosi Fan Tutte
Wiener Staatsoper, 25.10.2025

Theaterzettel der Uraufführung
„Cosi“ ist wahrscheinlich die am wenigsten populäre Mozart/Da Ponte-Oper – aber ich finde, dass sie für den Zuseher die Spannendste ist. Jeder Regisseur findet (zumindest in den letzten 30 Jahren) immer einen anderen Zugang zum Ende des Stückes – bleiben die Original-Paare schlussendlich zusammen, finden sich die neuen Paare wider oder endet alles desillusioniert und jeder geht seines eigenen Weges.
Barrie Kosky, der mit dieser Inszenierung seinen Da Ponte-Zyklus an der Staatsoper fertigstellte, lässt das Stück in der Gegenwart spielen, mit dem nicht mehr neuen „Bühne auf der Bühne“-Konzept. Don Alfonso gibt den Regisseur, Despina seine Assistentin und Mädchen für alles, während die vier Hauptdarstellerinnen und Hauptdarsteller als Schauspieler auftreten. Das alles von Gianluca Falaschi in eine farbenfrohe Bühne (von hellgrau bis dunkelgrau) gepresst, mit einem Stufengerüst, das sämtlichen Akteuren doch einige Kondition abverlangt (Es ist wirklich interessant, wie sehr sich in den letzten Jahrzehnten die Ansprüche an die Darsteller gewandelt haben – von der „Stehoper“, wo der Gesang das Ein und Alles war hin zu einem quasi Gesamtkunstwerk, wo vielleicht für Stimmenthusiasten die Qualität früherer Jahre nicht mehr gegeben ist, auf der anderen Seite für das Publikum die Aufführung nicht nur den Hörsinn, sondern auch den Sehsinn in Anspruch nimmt).
Das auf der Bühne (der Inszenierung) geprobte Stück befindet sich noch in der Erarbeitung (wie man den Textbüchern, aus denen manchmal die Protagonisten lesen, entnehmen kann). Während des Stückes kommt es aber immer mehr zu einer Vermischung zwischen dem zu probenden Stück und der Realität (was auch kein unbedingt neues Konzept ist) und kulminiert letztendlich darin, dass Don Alfonso von allen anderen als Ränkeschmied durchschaut und allein zurückgelassen wird. Wie schon oben erwähnt ist das ein durchaus legitimes Ende.
Ich bin mir nicht ganz sicher ob man die „Cosi“, wie von anderen Rezensenten angedacht, als reines Lustspiel sehen kann. Ich denke, dass im Vergleich zum Don Giovanni oder der Nozze dieses Stück am Tiefgründigsten ist – und vielleicht die menschliche Komponente am meisten auslotet. Don Alfonso ist ein desillusionierter und zynischer Mensch, der sicherlich durch diverse Enttäuschungen geprägt ist. Die beiden Soldaten sind zu Beginn selbstherrliche und naive junge Männer, die aber im Laufe des Stückes von Selbstzweifeln geprägt werden, Dorabella und Fiordiligi sind vielleicht keine Philosophinnen, sondern romantische Mädchen, die auch durch einen Selbstfindungsprozess laufen. Despina ist trotz ihres jungen Alters schon sehr abgeklärt und pragmatisch. Bei ihr sehe ich keine Entwicklung. Und ja, was den Schwestern angetan wird, ist bösartig von allen vier anderen Beteiligten und sie haben meiner Meinung nach von Anfang an keine Chance sich gegen die geballte Kraft der Intriganten zu wehren. Aus allen diesen Gründen ist dieses Stück für mich kein Lustspiel…
Zu musikalischen Teil – mit Adam Fischer wurde für diese Serie ein Mozart-Dirigent par excellence verpflichtet, der das Stück in- und auswendig kennt (und es dementsprechend auch mit geschlossener Partitur dirigierte), der das durch einige Substituten angereicherte Orchester der Wiener Staatsoper wunderbar leitete und die Partitur exakt auslotete.
Der Chor der Wiener Staatsoper, einstudiert von Thomas Lang, ist in dieser Produktion nur zu hören und hinter einer Art Paravent platziert.
Von den Sängern machte auf mich Dovlet Nurgeldiyev den besten Eindruck. Ein lyrischer Tenor, dessen Stimme langsam aber sicher schon in Richtung eines Duca tendiert (nicht umsonst wird er demnächst als Max debütieren). „Un aura amorosa“ war sicherlich der Höhepunkt des Abends. Schauspielerisch konnte er nicht mit der Behendigkeit von Markus Werba mithalten, aber das machte er mit einer klaren Diktion mehr als wett. Werba wusste schon in der Juni-Serie zu überzeugen, und zeigte, dass er neben seines „Papagenos“ auch alle drei Bariton-Rollen der Da Ponte-Opern quasi intus hat.
Luca Pisaroni ist ein verlässlicher Don Alfonso, war aber nicht immer deutlich zu hören. Das kann daher kommen, dass doch einige Szenen am vom Publikum gesehen ganz rechten Bühnenrand spielen – und dadurch ein Besucher, der auf der Galerie rechts oben sitzt, die „Action“ weder sehen noch 100%ig hören kann.
Was von Anfang an auffiel war, dass sämtliche Sängerinnen ziemlich gleich klangen – was man ihnen allerdings nicht vorwerfen kann. Die Stimmen waren recht ähnlich (da gab es in der Vergangenheit schon Paarungen, die leichter zum Auseinanderkennen waren). Ruzan Mantashyan überzeugte als Fiordiligi, die Felsenarie war wunderbar interpretiert, bei Alma Neuhaus hätte ich mir etwas mehr Tiefe gewünscht. Isabel Signoret war eine spielfreudige, jugendliche Despina mit einem etwas helleren Timbre.
Insgesamt fand ich die Aufführung sehr gut, das Publikum bedankte sich mit heftigem, aber kurzem Applaus. Mantashyan und Fischer waren die Protagonisten mit dem meisten Zuspruch.
Kurt Vlach

