WIEN / Staatsoper: COSÌ FAN TUTTE – Ein zweiter Blick auf Koskys Umsetzung der Mozart-Oper
7. Aufführung in dieser Inszenierung
18. Oktober 2024
Von Manfred A. Schmid
Nicole Car, Cecilia Molinari. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
Mitte Juni, zum Ausklang der Saison, fand Barrie Koskys Mozart/Da-Ponte-Zyklus mit Così fan tutte seinen Abschluss. Eine solide, vom im Regietheater längst überstrapazierten und allgegenwärtigen Theater-im Theater-Regiekonzept etwas eingeengte, dafür mit einigen Späßen aufgepeppte Inszenierung in einer – im zweiten Akt – öden, als Klettergerüst verwendeten Hinterbühne. Von einer „Weltsensation auf der Bühne der Wiener Staatsoper“, wie eine leicht zu begeisternde Plattform damals vermeldete, jedenfalls weit entfernt. Diesen Befund bestätigt auch der Besuch der Vorstellung zum Auftakt der derzeitigen Aufführungsserie. Wie bei der Premiere ist es auch diesmal das sechsköpfige Gesangsensemble, das am meisten überzeugen kann. Von Stimmen versteht der derzeitige Staatsoperndirektor, der zuvor jahrelang als Chef einer weltweiten Plattenfirma wirkte und gut vernetzt ist, tatsächlich viel und hat auch bei der Wahl der Dirigenten meistens eine gute Hand.
Adam Fischer, der musikalische Leiter, ist im Haus am Ring, vor allem als Mozart-Dirigent, bestens bekannt. In letzter Zeit eher selten zu Gast, wird er schon am Beginn freundlich und erwartungsvoll beklatscht. Er bedankt sich dafür mit einer gut ausbalancierten Aufführung, die die sinnlich-erotischen Spannungen des Geschehens, wie sie in der Partitur festegehalten sind, fein auslotet, ohne dabei die humorvoll-ironische Note in den fragwürdigen Beteuerungen und Vortäuschungen aus dem Blick zu verlieren. Mozart in Wien, mit Fischer und dem philharmonischen Staatsopernorchester, ist eine sichere Bank.
Zu bewundern gibt es drei Rollendebüts von Künstlerinnen und Künstlern, die man an der Staatsoper aber schon recht gut kennt und denen man viel zutrauen kann. Am bekanntesten ist die australische Sopranistin Nicole Car, die hier u.a. schon als Tatjana in Eugen Onegin sowie als Marguerite in Faust, als Mimi in La Bohème zu erleben war und in der laufenden Saison noch als Antonia debütieren wird. Die auch darstellerisch vielseitige Sopranistin, die sich jüngst als Donna Elvira in Don Giovanni als blendende Mozart-Sängerin präsentiert hat, ist nach einem in der Tiefenlage etwas zögerlichen Beginn eine hervorragende Fiordiligi. Die herausfordernden Intervallsprünge in der Felsen-Arie „Come scoglio“ bewältigte sie mit ebenso bravouröser Leichtigkeit wie die Triolenkoloraturen.
Dass die italienische Mezzosopranistin Cecilia Molinari nicht nur eine hervorragende Belcanto-Stimme hat, wie sie in Wien schon als Rosina in Barbiere di Siviglia 2022 an der Seite von Juan Diego Flórez demonstrieren konnte, sondern auch eine gute Mozart-Sängerin ist, zeigt sie nun in der Rolle der Dorabella. Ihre Dorabella ist eine authentische, ungekünstelte junge Frau, etwas wankelmütig, aber sehr sympathisch in ihrer Natürlichkeit, mit der sie sich von ihrer Schwester Fiordiligi abhebt.
Der Dritte im Trio der Rollendebüts ist der österreichische Bariton Markus Werba als frohgemuter, leichtsinniger Guglielmo. Der beliebte Papageno-Darsteller, bekannt für possenhaftes Auftreten, tritt vor allem in den Streitszenen mit Ferrando mit seinen komödiantischen Fähigkeiten in Erscheinung und wird damit zu einer ernsten, besser: spaßhaften Konkurrenz für Maria Nazarova, der als quirlige, boshafte Dorabella in dieser Oper eigentlich die Komik anvertraut ist und die sich a la longue auch durchsetzt. In einem dramma giocosoa, noch dazu in der Regie von Kosky, dem Spaßmacher unter den Regisseuren, ist für beide Platz.
Nicole Car, Markus Werba, Cecilia Molinari, Bogdan Volkov. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
Bogdan Volkov, der bei der Premiere dem Ferrando noch im Orchestergraben für den gehandikapten Tenor Filipe Manu auf der Bühne die Stimme bereitstellen musste, ist in dieser Inszenierung mit dieser Rolle inzwischen längst auch schon auf der Bühne vertraut geworden. Der fabelhafte Don Ottavio in Don Giovanni ist in einer so komikbehafteten, kunterbunten Produktion wie der vorliegenden wohl nicht die Idealbesetzung, macht seine Sache aber gut, fügt sich tadellos in das Geschehen ein und ist vor allem stimmlich mehr als zufriedenstellend. Nicht alle Mozart-Tenöre, Tamino einmal ausgenommen, müssen unbedingt große Stimmen sein.
Mit dem erfahrenen, prächtig singenden wie auch spielenden Luca Pisaroni steht ein Garant für einen überzeugenden Strippenzieher, wie Don Alfonso einer ist, auf der Bühne. Zufriedener Applaus im ausverkauften Haus nach dreieinhalb Stunden mit Mozart und Kosky, wobei letzterer sich zuweilen doch als recht langatmig und breit erweist.