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WIEN/ Staatsoper:  „CAVALLERIA RUSTICANA“/“PAGLIACCI“ Lockdown – und dann noch der Terroranschlag


Pagliacci (Roberto Alagna). Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

WIEN/ Staatsoper:  „CAVALLERIA RUSTICANA“/“PAGLIACCI“

Lockdown – und dann noch der Terroranschlag

2.11. – Karl Masek

„Wir stehen selbst enttäuscht und sehr betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen“: Mit diesen Worten aus dem Epilog des Brecht-Stückes „Der gute Mensch von Sezuan“ trat der Direktor der Wiener Staatsoper, Bogdan Roščić, vor den Vorhang. Mit klaren Worten gab er seiner Betroffenheit über den neuerlichen Lockdown  Ausdruck. Er versicherte gleichzeitig, man sei ab sofort bereit, auch während der Theatersperre die Probenarbeit für die kommenden Produktionen in vollem Umfang fortzusetzen, und den Spielbetrieb sofort wieder aufzunehmen, wenn es keinen Lockdown mehr gebe. Er wurde mehrmals durch demonstrativen  Applaus unterbrochen.

Damit nicht genug. In der Pause verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer, es habe in der Innenstadt einen Terroranschlag gegeben. Am Ende der Vorstellung trat der Direktor abermals auf die Bühne,  diesmal, um m dem Publikum mitzuteilen, dass man aus Sicherheitsgründen  unter keinen Umständen das Haus verlassen dürfe. Knapp vor Mitternacht wurden dann jene Besucher, die mit der Linie U4 nach Hütteldorf fahren konnten/wollten, mit Hilfe der Polizei zur Station Karlsplatz eskortiert…

Unter diesen dramatischen Umständen ist es diesmal schwierig, eine Rezension zu verfassen!

Es war ein besonderer Abend, diese Vorstellung vor der „großen Generalpause“,  wie verschiedentlich getitelt wurde! Es war eine elektrisierende Anspannung im Haus und das Bestreben der Künstlerinnen und Künstler, mit Totaleinsatz für diesen Abschiedsabend das Allerbeste zu geben, war mit Händen zu greifen.

Marco Armiliato am Dirigentenpult war einmal mehr Fels in der Brandung und begeisterte durch mitreißendes Temperament und eine furiose Gangart in beiden Verismo-Reißern. Das Orchester der Wiener Staatsoper ließ sich ebenfalls nicht lumpen und spielte inspiriert und mit Klangpracht. Erstklassig der Chor (Einstudierung: Thomas Lang).

Die Inszenierung des Jean-Pierre Ponnelle ist auch nach 35 Jahren noch intakt und keineswegs abgespielt. Sein detailverliebter Realismus und die übersprudelnde Fähigkeit, „Ideen für mehrere Werke“ in einem Stück  unterzubringen, seine „Theaterpranke“, macht immer noch Eindruck.

In der „Cavalleria“ war  Brian Jagde als Turridu ein Höhenjäger mit sängerischen Überfliegerqualitäten und stählerner Kraft. Eva-Maria Westbroek war eine hochdramatische Santuzza. Ambrogio Maestri war der wuchtige Fuhrmann Alfio, Zoryana Kushpler (für die absagende Mara Zampieri ans Haus am Ring zurückgeholt)  die relativ jugendliche Mamma Lucia, und Isabel Signoret eine Lola mit guter Bühnenerscheinung.

„Pagliacci“ hatte mit Roberto Alagna in der Titelrolle einen Canio, der mit zunehmender Raserei an absolute mentale Grenzen ging. Sein Impetus trug den zweiten Teil des Abends. Aleksandra Kurzak steigerte sich, war erst einmal das „Vogellied“ vorbei, zu singdarstellerischer Intensität als Nedda/Colombina. Ambrogio Maestri führte mit seinem Toni/Taddeo eindrucksvoll vor, dass er nicht nur den Falstaff draufhat. Gut macht sich das neue Ensemblemitglied Andrea Giovannini als leichtfüßiger Beppo/Arlecchino). Nur Sergej Kaydalov fiel mit dumpfem Bariton etwas ab. Starker, dankbarer Applaus!

Auf Wiedersehen im Dezember? So manche Stammbesucher wirkten skeptisch!

   Karl Masek

 

 

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