Elina Garanca (Santuzza). Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
Wiener Staatsoper: CAVALLERIA RUSTICANA/ I PAGLIACCI
Elina Garanca als Santuzza – eine Sensation (15.3.2019)
Man vermeinte den Schluss der „Cavalleria Rusticana“ zu kennen – Turridu ist tot und Santuzza fällt mit einem Schrei aus Angst und Verzweiflung zu Boden. Nicht so bei Elina Garanca, die nun ihren Fachwechsel mit Pietro Mascagni auch in Wien präsentierte. Beim finalen hohen C steht sie da wie die griechische Göttin Nemesis – die Göttin des gerechten Zorns – mit erhobenen Kopf ! Sie wollte garantiert nicht den Tod ihres ungetreuen Liebhabers erreichen, aber die „Sizilianische Bauernehre“ verlangt offenbar ihren Tribut. Insbesonders in der Rollenauffassung der lettischen Mezzo-Sopranistin. Elina Garanca hat ihr Pariser Konzept auch in der Regie von Jean-Pierre Ponnelle untergebracht. Nicht die Niederlage einer ältlichen Freundin gegenüber einer viel jüngeren Konkurrentin ist demnach die Haupthandlung von „Cavalleria Rusticana“: der vitale „Desperado“ Turridu – der fesche Koreaner Yonghoon Lee – steht zwischen zwei Frauen: Lola – Svetlina Stoyanova -ist „Weibchen“, das sich freiwillig unterordnet, hübsch, aufreizend und raffiniert Und Elina Garanca als Santuzza: sie ist stark, attraktiv und dominant – ein „Alpha-Weibchen“, vor dem sich viele Männer fürchten. Ein Motiv für die Eskalation der Gefühle ist die gekränkte Eigenliebe, die zur Katastrophe heranwächst. Glücklicherweise hat der „Reifeprozess“, das Hineinwachsen zu Rollen wie Eboli und nächstes Jahr zu Amneris, nichts am Qualitätscharakter ihrer Stimme verändert. Die Stimme der lettischen Star-Sängerin ist größer und dunkler geworden, die Höhe strahlend und „goldglänzend“. mühelos wie eh und je – und die Tiefe ist passabel. Dazu kommt eine echt komödiantische Begabung und Zielstrebigkeit, die ihresgleichen sucht.
Jedenfalls wurde auch bei der 1.Reprise der aktuellen Serie klar: hier steuert eine Sängerin der Extraklasse ihrem Karriere-Höhepunkt zu. Vielleicht wird das die erste Kundry in der nächsten Direktion der Wiener Staatsoper sein? Was muss noch über die „Cavalleria Rusticana“ berichtet werden? Der neue Turridu – er war schon in Paris vor 2 Jahren ihr treuloser Partner – war besser bei Stimme und sang sich nicht heiser. Ein sizilianischer Dorf-Don Juan, der dennoch nicht so stark forcieren bräuchte. Etwas zu bieder ist mir der der gehörnte Ehemann von Lola: Paolo Rumetz macht aus dem Fuhrwerkbesitzer und Pferdehändler Alfio eine Charakterstudie beleidigter männlicher Eitelkeit, gerät in der kurzen aber stückentscheidenden Rolle an seine stimmlichen Grenzen, komplettiert eine Aufführung, die in die Annalen der Staatsoper eingehen wird. Der Dirigent Graeme Jenkins hat nach wie Kontaktschwierigkeiten zum Chor der Wiener Staatsoper (Leitung Thomas Lang); ausgezeichnet die Mama Lucia, die Mutter von Turridu: Zoryana Kushpler.Unaufgregt aber mitfühlend!
Fabio Sartori (Canio), Marina Rebeka (Nedda). Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Als gediegene Vorstellung muss man dann nach der Pause die Realisierung der Oper „I Pagliacci“ von Ruggero Leoncavallo (Regie wieder Jean-Pierre Ponnelle) bezeichnen. Star der Truppe war noch eine weitere Lettin: Marina Rebeka war eine grandiose Nedda, freiheits-versessen im „Vogellied“, erotisch im Duett mit Silvio (zu lyrisch Orban Yildiz) und dramatisch in der Finalszene. Vokal erst-klassig ihr Ehemann Canio: Fabio Sartori hält die Balance zwischen der Wehmut der großen Arie und dem mörderischen Finale; George Petean ist ein eindrucksvoller, „lüsterner“ Tonio und Jörg Schneider ist als Beppo ein Tenor. der Sonderklasse. Zusammen mit dem britischen Dirigenten Graeme Jenkins (der auch in „I Pagliacci“ Wackelkontakte zum Chor der Wiener Staatsoper zu reparieren hatte) kommt man zur Schlussnote „gut“ bis „ordentlich“-die Sensation fand jedenfalls vor der Pause statt.
Peter Dusek