Elina Garanca, Yonghoon Lee. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Sizilianische Wälse-Rufe und ein Triumph für Elina Garanca
Cavalleria Rusticana / Pagliacci
Wiener Staatsoper, 23.3.2019
Nach langer Zeit besuchte ich wieder einmal drei Vorstellungen der gleichen Aufführungsserie. Vor knapp 15 Jahren war eine „Cavalleria“ mit Agnes Baltsa de facto mein „Erweckungserlebnis“, das meine Liebe zu der Kunstform „Oper“ entfacht hat. Seitdem ist diese Oper eine, zu der ich ein besonderes Verhältnis habe.
Nach fünf Jahren wurden wieder einmal beide Verismo-Klassiker in den wunderbaren Bühnenbildern von Jean-Pierre Ponnelle auf den Spielplan gesetzt. Diese Produktion MUSS auf jeden Fall zu denen gehören, die niemand verändern darf. Alleine die Beleuchtung, die eine mediterrane Stimmung aufkommen lässt, ist um so viel besser und stimmungsvoller als diejenige, die man heutzutage bei Neuinszenierungen vorgesetzt bekommt. Eine ähnlich stimmungsvolle Kulisse fand man in den letzten Jahren eigentlich nur noch bei „Les Troyens“.
„Suche Karte“-Schilder bei einer Repertoire-Vorstellung wiesen schon darauf hin, dass ein Superstar an diesem Abend sang – und Elina Garanca rechtfertigte die in sie gesetzten Erwartungen. Ihr fehlt zwar noch die Ausstrahlung, die zum Beispiel eine Baltsa oder eine Dolora Zajick in dieser Rolle hatten, aber das machte sie mit einer überragenden schauspielerischen Leistung mehr als wett. In dieser Inszenierung muss die Santuzza ununterbrochen auf der Bühne stehen, und Garanca erfüllte jede Sekunde mit kleinen und großen Gesten, die auf ihren Seelenzustand schlossen. Wut, Verzweiflung, Hoffnung, Rache – das alles war fast körperlich spürbar. In dieser Rolle hat Elina Garanca eine weitere Paraderolle gefunden – und meiner Meinung nach wirkt sie da überzeugender als in der letzten Produktion, in der sie in Wien zu sehen war. Diese Santuzza ist nicht nur ein Opfer, sondern in gewisser Weise auch eine Täterin. Man hat das Gefühl, dass sie von Anfang an ihre Rache plant (obwohl ihr schlussendlicher Verrat doch eher „passiert“).
Garancas Stimme ist etwas dunkler geworden, sie hat eine großartige Mittellage, eine tolle Höhe. Dass die tiefer gelegenen Passagen nicht unbedingt zu ihrer Stärke zählen ist bekannt, aber diese kleine Einschränkung soll nicht die überragende Leistung schmälern.
Um sie herum fand man leider hauptsächlich Mittelmaß – was aber teilweise nicht unbedingt den Sängern anzulasten ist. Ein Opfer des Besetzungsbüros ist sicherlich Paolo Rumetz, der zwar ein guter Bartolo ist, aber in dieser Produktion total fehlbesetzt ist. Ich habe noch nie so einen „gemütlichen“ Alfio erlebt. Da war keine Durchschlagskraft – und seine Auftrittsarie war leider total verschenkt. Sorry, aber kein Wunder, dass sich Lola wieder ihrem ehemaligen Liebhaber zuwendet.
Vor fünf Jahren noch als Lola auf der Bühne fand sich in dieser Serie Zoryana Kushpler plötzlich als Lucia wieder. Am besten hat sie mir noch bei der dritten Aufführung gefallen – es scheint, dass ihr Mezzo für diese Rolle bereits zu tief ist.
So überzeugend Svetlina Stoyanova im Jänner in der Cenerentola war, so blass wirkte sie als Lola. Sie hat eine hübsche Stimme, allerdings verglichen mit Rollenvorgängerinnen (Garanca, Kushpler oder Roxana Constantinescu) fehlte ihr noch das gewisse „Etwas“, das Turridu wieder zu ihr zurückkehren ließ. Sie wirkte einfach zu „brav“.
Was die Gestaltung des Turridu von Yonghoon Lee angeht, so hatte ich das Gefühl in einer Wagneroper mit vollem Orchester zu sein. An allen Abenden agierte er mit eine Einheitslautstärke ohne jedwede Nuancierung. Er spielte gut und überzeugend, aber um warum, um Gottes Willen, musste er die „Siciliana“ so plärren? Und er sang diese nicht hinter der Bühne (wie man es normal sieht), sondern stellte sich noch dazu mitten auf den Marktplatz?!? Man muss Lee aber zu Gute halten, dass er bombensichere Höhen hat und keinerlei Ermüdungserscheinungen zeigte.
Graeme Jenkins ließ das Staatsopernorchester extrem laut spielen (besser wurde es bei den Pagliacci) – auch Verismo-Opern können mit mehr Gefühl dirigiert werden.
Das Publikum bejubelte Elina Garanca zu Recht – ich hoffe, sie noch oft in dieser Rolle zu hören und zu sehen.
Fabio Sartori (Canio), Marina Rebeka (Nedda). Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Nach der Pause dann die Pagliacci. Auch hier überzeugte eine Lettin. Marina Rebeka sang und spielte die Nedda überzeugend, auch wenn ihr schon die gewisse Leichtigkeit in der Stimme fehlt, die man meistens in dieser Rolle gewohnt ist. Das soll ihre Leistung aber nicht schmälern.
Der Canio wurde von einem Routinier, Fabio Sartori, gesungen. Wie auch bei Yonghoon Lee hatte man niemals das Gefühl, dass er Probleme mit seinen Höhen bekommt. Schauspielerisch etwas beschränkt konnte er auch nicht die Rage des gehörnten Liebhabers so intensiv auf die Bühne bringen, die man von Rollenvorgängern gewohnt ist. „Vesti la giubba“ sang er korrekt, mit einem Schluchzer zum Schluss – aber irgendwie ließ die Arie das Publikum kalt. Insgesamt solide, aber nicht außergewöhnlich.
George Petean sang einen überzeugenden Prolog und stellte den Tonio sehr glaubwürdig dar, Von allen männlichen Protagonisten überzeugte er mich an allen drei Abenden am meisten.
Als Gewinn muss man auch Jörg Schneider als Beppo sehen. Gerüchteweise soll er in der nächsten Saison den Herodes singen – da kann man positiv gespannt darauf sein!
Sehr blass wirkte Orhan Yildiz als Silvio. Die höheren Passagen bereiteten ihm Mühe, insgesamt wirkte er ein wenig zu leichtgewichtig.
Das Zusammenspiel zwischen Orchester und dem von Thomas Lang einstudierten Chor der Wiener Staatsoper wurde von Abend zu Abend besser – und die Damen und Herren überzeugten mit präzisen Einsätzen.
Eine kleine Bemerkung – die Übersetzung des Ausdrucks „ventitre ore“ ist mit 18:00 angegeben – wahrscheinlich eine „Hilfsübersetzung“, da dies ein Ausdruck ist, der eigentlich „eine Stunde vor Sonnenuntergang“ bedeutet.
Schlussendlich hoffe ich, wie schon oben bemerkt, dass es nicht wieder 5 Jahre dauern wird, bis man diese „unverzichtbare Inszenierung“ im Haus am Ring sehen wird.
Kurt Vlach