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WIEN/ Staatsoper: CARMEN. Übertragung auf 3 SAT

Wien Staatsoper, Bizet CARMEN, 3 Sat Übertragung am 13.3.2021

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Über CALIXTO BIEITOs Inszenierung ist in diesem Medium schon viel geschrieben worden, zuvor gab es diese sehr erfolgreiche Inszenierung u.a. in Paris, wo sie mir weniger differenziert als in dieser Wiener Fassung in Erinnerung ist. Wirklich anfreunden mit  dem künstlichen Realismus mag man sich ästhetisch dann doch nicht. Einerseits wird die Handlung in ein Heute gezogen, vermag aber dann nicht natürlich zu wirken, sondern bleibt seltsam steril. Den Darstellern, die sich alle in ihre Rollen hinein geben, kann das keinesfalls angelastet werden. Viele Details sind angelegt und es mangelt nicht an originellen Ideen. Aber es fehlt eine flirrende Atmosphäre, was auch am sehr offenen Bühnenraum liegen mag.

Musikalisch vermag die Übertragung nur bedingt zu überzeugen.

Sehr schleppende Tempi, zum Beispiel im Torerolied, aber auch schon in der Eröffnungsnummer mit Michaela und den Soldaten versprühen kein französisch- leichtes Flair einer Opera comique, sondern werden schnell schwerfällig. ANDRES OROZCO-ESTRADA am Pult gelingt es zu wenig, Impuls und Antrieb zu sein und so werden manche Nummern in sich noch einmal langsamer. Wo ist der Schwung, fast meint man, eine gewisse Unerfahrenheit mit der Bühne läßt den Orchestergraben eher reagieren statt agieren. Die Wiener Philharmoniker klingen allerdings enorm farbenreich und gehaltvoll. Wunderbar zum Beispiel das Vorspiel zum dritten Bild mit herrlichen Flöten- und Englischhornsoli und samtigen Streichern.

Gesungen wird auf hohem Niveau.

PIOTR BECZALA ist als Don Jose stimmlich in Bestform. Geschmeidig und souverän klingt sein Tenor und in jeder Sekunde merkt man ihm auf positiver Weise große Rollenerfahrung an. Eine große Leistung, wobei er die Figur mehr als Getriebenen denn als Opfer Carmens sieht. Seine Angebetete, Carmen, wird von ANITA RACHVELISHVILI mit sinnlichem Engagement gesungen. Ihre wunderbar kolorierte, dunkelsatte Stimme ist gelegentlich intonatorisch gefährdet, bleibt aber  eine akustische Wonne. Im Vergleich mit ihrem Scala-Debüt in der Rolle vor Jahren unter Barenboim ist auch sie erfahrener geworden, auch klanglich reifer, nicht ganz mit der jugendlichen Frische von einst.

VERA-LOTTE BOECKER ist eine  stimmschlanke Michaela. Ihr gut geführter Sopran ist vielleicht nicht mit größter Weichheit und Breite ausgestattet, aber sie füllt ihre Rolle überzeugend aus. Den Torero Escamillo verkörpert etwas stereotyp gockelhaft ERWIN SCHROTT. Vokal liegt ihm die Rolle sehr gut in der Kehle, wobei sein Auftrittslied ein wenig routiniert wirkt und kaum mit interpretatorischen Besonderheiten gesegnet ist.

Sehr chargierend wird der Zuniga von PETER KELLNER gespielt:  am Rande eine Macho-Karikatur sich szenisch bewegend, singt er aber gut. Von den beiden coolen Schmugglern überzeugt MICHAEL ARIVONY (Dancairo) stimmlich noch etwas mehr als CARLOS OSUNA (Remendado). Rollendeckend sind die beiden Zigeunerinnen Frasquita ( mit fokussiertem Koloratursopran: SLAVKA ZAMENCNIKOVA) und Mercedes ( mit fülligem Mezzo: SZILVIA VÖRÖS). Auch der die Handlung eröffnende Sergeant Morales ist bei MARTIN HÄSSLER in sehr guten Händen.

Der Staatsopernchor bildet ein grundiertes Fundament mit klanglicher Ausgewogenheit und spielt engagiert mit.

Insgesamt eine lohnenswerte Übertragung, allein wegen eines stimmlich wie darstellerisch hochexplosiven Paares (Piotr Beczala /Anita Rachvelishvili), dass sich einen dramatischen Finalkampf bis aufs Messer liefert.

Christian Konz

 

 

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