Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

WIEN/ Staatsoper: CARMEN – ein Mord aus Liebe. Triumphales Beczala-Debüt als Don José

24.01.2018 | Oper

Carmen_105824_GRITSKOVA_BECZALA
Margarita Gritskova, Piotr Beczala. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

WIENER STAATSOPER: CARMEN. Ein Mord aus Liebe. Triumphales Beczala-Debüt als „Don José“ (23. 1. 2018)

Die Erwartungen lagen vermutlich allzu hoch: Bizet’s „Carmen“ wurde rundumerneuert, Margarita Gritskova sang erstmals in Wien die Titelpartie und dazu kam das „weltweite“ Rollendebüt von Piotr Beczala als Don José (so der Pressetext der Staatsoper).

Carmen_105823_BECZALA_BEZSMERTNA
Piotr Beczala, Olga Bezsmertna. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Um die Spannung nicht weiter hinauszuzögern: man erlebte eine kompakte Aufführung des Meisterwerkes von Georges Bizet, die leider darunter litt, dass Jean-Christophe Spinosi am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper entweder zu schnell oder zu langsam dirigierte. Der „Star des Abends“ war also zweifellos der polnische Tenor, der längst in die erste Reihe seiner Kollegen avanciert ist. Für den Don José bringt er alle Voraussetzungen mit. Er ist in den beiden ersten Akten perfekt: das Duett mit Micaela – sehr anständig Olga Bezsmertna als Micaela  – hat man noch selten so mühelos erlebt und auch die „Blumenarie“ war in ihrer Mischung aus Belcanto-Schmelz und überbordender Liebe unnachahmlich. Leider merkte man im dritten und vierten Akt, dass Piotr Beczala als Don José doch an die Grenzen seiner vokalen Möglichkeit stößt. War es der „holprige“ Dirigent, der als Barock-Spezialist und Fan von Original-Instrumenten zu wenig Erfahrung mit Bizet hat; oder war es einfach noch die Unerfahrenheit mit dieser „teuflischen“ Partie? Dazu kommt, dass man diesem Don José nicht wirklich zutraut, dass er aus Verzweiflung einen Mord begeht. Er ist einfach zu sympathisch, zu wenig „rasend vor Eifersucht“.  Und er achtete obendrein darauf, dass er sich nicht „übersingt“. Aber bei den Schlussvorhängen war Beczala der triumphale Held, daran gibt es nichts zu deuteln.

Margarita Gritskova darf sich rühmen, neben diesem Superstar voll bestanden zu haben. Dass ihre „Carmencita“ in den beiden ersten Akten Furore machen würde, war zu erwarten: Habanera, Seguidilla und vor allem das „Chanson  Bohéme“ werden geträllert, als „vokaler Köder“ vorgetragen und runden die optische Wirkung der in St.Petersburg geborenen Mezzo-Sopranistin ab. Aber wie würde sich die tiefe Karten-Arie und das Finale bei ihr anhören? Nun: ich war erstaunt, wie viel  Stimm-Material in der zweiten Hälfte der „Carmen“ zu vernehmen war; jedenfalls steht ihr  eine große internationale Karriere bevor. Großer Jubel auch für Carlos Alvarez, der den Escamillo schon  2012  3 mal im Haus am Ring gesungen hat: er verfügt über die nötige Tiefe und Höhe, um diese „gefährliche“ Rolle mit Bravour zu meistern. Ein richtiges „Mannsbild“ mit Prachtstimme! Ein Wort noch zur Inszenierung von Franco Zefirelli: sie war schon vor 40 Jahren (mit Carlos Kleiber am Pult) verbaut und stimmungstötend; diese negative Wirkung hat noch zugenommen!

Bleibt zu resümieren: ein Abend mit dem Rollendebüt eines Weltstars, eine Repertoire-Vorstellung, die unter dem Dirigenten litt. Und viele begabte Nachwuchskräfte in den kleineren Rollen – etwa Orhan Yildiz als Morales, Ayk Martirossian als Zuniga oder Carlos Osuna und Igor Onishchenko als Remendado und Dancairo sowie Simina Ivan und Margaret Plummer als Frasquita und Mercedes.

Ein Sonderlob einmal mehr dem Chor der Wiener Staatsoper (Leitung Thomas Lang). Ein kompakter Repertoire-Abend mit allzu hohen Erwartungen! Immerhin ein „weltweites“ Beczala-Rollendebüt.

Peter Dusek

 

 

Diese Seite drucken