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WIEN / Staatsoper: CARMEN

04.09.2013 | Oper

WIEN / Staatsoper: CARMEN von Georges Bizet
4. September 2013
151. Aufführung in dieser Inszenierung

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Rinat Shaham. Foto: Website Wr. Staatsoper

Jö! Eine Carmen mit wirklich dunkler Stimme. Mehr noch – mit einer geradezu aufregenden Tiefe. Einer klangvollen Mittellage. Leider nimmt die Qualität des Timbres gegen die Höhe ab. Dennoch hat man in Wien in Gestalt der uns bisher unbekannten Israelin Rinat Shaham eine stimmlich genuine Carmen erlebt, die als positive Draufgabe in den Dialogen nicht durch die französische Sprache stolperte, sondern sie inmitten zweier ganz- bzw. halb-französischer Partner souverän meisterte.

Mehr noch – diese Frau hat keine Sekunde Mühe, die berühmte Zigeunerin zu sein. Nicht im Hochglanz-Glamour-Format nach dem Motto: „Weltstar singt Carmen, schaut her, wie ich das mache.“ Bei Rinat Shaham muss man nicht groß reflektieren, was sie wann macht, so selbstverständlich geht sie in diese Figur hinein und „stimmt“, wenn auch das eine oder andere verschenkt wird (wie die applauslos gebliebene Kartenarie).

Stellenweise agiert sie mit einer Leidenschaftlichkeit, die man auf der Bühne lange nicht erlebt hat – was im zweiten Akt zwischen ihr und Alagna abging, erzeugte wirklich Siedehitze. Und im letzten Akt hat sie um ihr Leben gekämpft, ohne gegen José wirklich gemein oder ordinär zu werden. Eine starke Leistung fürwahr. Natürlich muss man alles in Relation setzen: Wer immer sagt „Aber die Baltsa!“ bekommt natürlich sofort Recht. Aber in einer Opernwelt von heute, wo die echten Carmen mehr als rar sind (einst in den sechziger Jahren hatten wir die Resnik, die Bumbry, die Ludwig nebeneinander!!!), begrüßt man Rinat Shaham im Club der eindrucksvollen Interpretinnen der Rolle.

Weniger gut fiel das Hausdebut des französischen Bassbaritons Laurent Naouri aus – knochentrockene Stimme, die in der großen Arie nicht einmal übers Orchester kam, als Persönlichkeit kaum vorhanden.

Hingegen hatte Roberto Alagna einen wirklich ganz großen Abend. Als er auf die Bühne kam, wirkte er noch jünger und schlanker und energiegeladener als zuletzt vor dem Sommer (wofür es ja erfreuliche private Gründe geben kann): Wenn er der Welt und seinen Damen (etwa der Gegenwärtigen und der Ehemaligen, beide in Wien ganz nahe) beweisen wollte, was die eine an ihm hat, die andere an ihm verloren hat – es ist gelungen. Nun war und ist der José immer eine besonders gute Rolle für ihn, aber auch er kann nicht immer auf solcher Höhe beweisen, welch enormes Edelmetall er in der Stimme hat – und es durch alle Phasen dieser so hochdramatischen Rolle verlustlos und glanzvoll verströmen. Die Blumenarie war ein Meisterstück an konzentriertester Lyrik-Dramatik, sein Kampf um Carmen am Ende alles, was Verismo auf der Bühne erreichen kann. So gut seine Partnerin war (mit der er prächtig korrespondierte) – er war ja doch der Held des Abends.

Anita Hartig versuchte nicht zum ersten Mal, sich der Micaela zu nähern. Wenn sie in ihrer großen Arie ihre Stimme beherrscht, Piani und Mezzovoce zum Klingen bringt, ist sie auf dem rechten Weg – und immer wieder reißen ihr die Fortissimo-Höhen aus, die sich wie Messer gnadenlos ins Trommelfell bohren.

Neben den bewährten Damen – der Sopran von Ileana Tonca als Frasquita zwitscherte über den Ensembles, Juliette Mars als Mercédès ergänzte gut und richtig – gab es eine Überfülle neuer Herren, zum Glück nicht alle so quakend wie Gabriel Bermúdez als Morales, der – wie auch sein Vorgänger in der letzten „Carmen“ – gleich den Beginn verhaute. Als Zuniga wanderte Jongmin Park tapfer, aber nicht sehr nachdrücklich herum. Als Remendado und Dancairo sah man Sebastian Kohlhepp und Mihail Dogotari, bisher noch nicht aufgefallen, hübsche und sehr übermütige junge Burschen, die sich durch ihre Rollen besser blödelten, als sie diese sangen. Das Schmuggler-Quintett war übrigens eine wacklige Sache, wie andere Ensembles auch, womit man bei dem Dirigenten wäre.

Dan Ettinger hat geradezu liebevoll die zahllosen Möglichkeiten der „Carmen“-Musik von der lockeren Spritzigkeit bis zur Hochdramatik ausgereizt – dass nicht alles exakt verlief, auch nicht mit dem immer vorzüglichen Chor, kann man gut und gern der ersten Vorstellung zuschreiben: Das wird im Lauf der der Serie sicher noch besser und besser. Den verdienten Applaus für alle gab es schon bei dieser ersten Aufführung für einen Opernabend, der wirklich „zündete“.

Renate Wagner

 

 

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