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WIEN /Staatsoper: CARMEN

Die Ergänzung zum fulminanten Doppelpack - mit minimalster Eintrübung

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Elina Garanca (Carmen) und Piotr Beczala (Don José). Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn.

WIEN / Staatsoper: CARMEN

15. Aufführung in dieser Inszenierung

6. September 2022

Von Manfred A. Schmid

Der aufsehenerregende Saisonauftakt an der Staatsoper geht nach der gefeierten La Bohème mit einer wiederum ausgezeichnet besetzten Carmen in die zweite Runde. Elina Garanca wird nach der Pause vom Staatsoperndirektor zwar als indisponiert angekündigt, infolge anhaltender Sommergrippe, kann aber die Partie ohne größere stimmliche Einbußen zu Ende singen. Schon in den beiden Akten davor war eine Beeinträchtigung ihrer Leistung kaum zu registrieren gewesen.  Nur in der tieferen Stimmlage gibt es Anzeichen dafür, dass diesmal nicht alle Voraussetzung optimal sind. Die lettische Sängerin, die eben erst als Carmen in der Arena von Verona Triumphe gefeiert hat, mag für die von latenter, immer wieder eruptiv ausbrechender Gewalt und Brutalität geprägte Inszenierung von Bieito Calixto nicht die ganz ideale Besetzung sein, da hat die in der Premiere eingesetzte erdnahe, animalisch-sinnliche Anita Rachvelishvili mit ihren elementaren, Angst einjagenden Zornausbrüchen vielleicht besser hineingepasst. Dass die Garanca zu den ganz großen Sängerinnen/Darstellerinnen dieser Figur gehört, ist aber auch an diesem Abend weder zu übersehen noch zu überhören.

Piotr Beczala, unter den führenden Tenören der Gegenwart der unspektakulärste, dafür aber vermutlich vielseitigste und zudem ungemein sympathisch, war schon bei der Premiere dabei. Mit seinem hellstrahlenden Tenor und Dank perfekter Stimmtechnik arbeitet er einfühlsam den vielschichtigen, labilen Charakter von Don José heraus. Im Duett mit Micaela klingt er authentisch und zart, die Blumenarie ist voll stiller Verzweiflung und dennoch eine starke Liebeserklärung, in den Eifersuchtsszenen brechen Frust und Ängste aus ihm heraus: Ein Mann, der Ordnung gewohnt ist und verbindliche Regeln braucht, aber in ein Gefühlschaos hineingerät, in das er sich immer mehr verstrickt und aus dem es kein Entkommen gibt.

Mit Roberto Tagliavini kommt ein ausdrucksstarker Bass als Escamillo zum Einsatz, der sich auch in den hohen Tonregionen gut entfalten kann. Ganz an die Leistungen großer Kollegen kommt er noch nicht heran. Für den großen, Aufmerksamkeit heischenden, selbstbewussten Macho-Auftritt als Toreador mangelt es (noch) an Brillanz.

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Slávka Zámencniková (Micaela).

Alle weiteren Rollen sind Hausbesetzungen, beginnend mit Slávka Zámecniková, die als Micaela einen hervorragenden Eindruck macht und für ihre eindringliche Arie „Je dis, que rien ne m´épouvante“ Applaus bekommt. Dass sie einmal zunächst den Abgang in die falsche Richtung wählt und dann ihrem Geliebten Don José nacheilen muss, kann bei einem Rollendebüt passieren und sorgt für Heiterkeit.

Hervorzuheben sind Michael Arivony als umtriebiger Dancaire und Carlos Osuna als tadelloser Remendado. Ilja Kazakov (Zuniga)und Stefan Astakhov (Moralès) sind zwei lüsterne, stets zu Gewaltexzessen bereite Offiziere.

Maria Nazarova (Mercédès) und Isabel Signioret (Frasquita) bilden ein gutes, spielfreudiges und auch gesanglich perfektes Duo.

Hohes Lob gebührt dem Staatsopernchor, der auch darstellerisch gefordert ist, und dem wie immer putzmunteren Kinderchor der Opernschule. Yves Abel ist ein achtsamer muskalischer Leiter mit einem hellen Ohr für die Bedürfnisse der Solisten auf der Bühne und hat auch die großen Chorszenen stets gut im Griff.

Begeisterter Applaus und unzählige Bravorufe – schon während der Vorstellung. Das Publikum feiert einen fulminaten Start – für manche sogar im Doppelpack. Die Latte ist hoch. Das wird schwer zu toppen sein. Ob dafür die heutige Zauberflöte gute Karten hat?

 

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