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WIEN/ Staatsoper: BORIS GODUNOV

07.05.2016 | Oper

WIENER STAATSOPER: „BORIS GODUNOV“ am 6.5.2016


Norbert Ernst (Schujski). Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

 Seit der Wiederaufnahme dieses Werkes vor vier Jahren wird ja die sogenannte Urfassung gespielt wird (die ihre Uraufführung erst mehr als 50 Jahre nach der revidierten Fassung erlebte) und bisher war das russische Reich fest in der Hand Ferruccio Furlanettos, der auch einsprang, als eine Alternativbesetzung geplant war. (Ein einziges Mal musste er selbst krankheitsbedingt seine Zarenwürde abgeben). Nun erfolgt  also doch ein Wechsel auf dem Zarenthron. Erstmals sang René Pape den Boris in Wien. Die Krönungsszene blieb stimmlich ziemlich blass und in der Folge schien ihn die merkwürdige Langhaarperücke sehr zu irritieren, denn er war hauptsächlich damit beschäftigt, sich die Haare aus dem Gesicht zu streichen. (Meine Großmutter hätte wahrscheinlich noch gesagt: „Nimm doch ein Spangerl“) Allerdings hatte er sich bis zum Schlussbild offensichtlich daran gewöhnt und gestaltete eine ergreifende Todesszene – und da ja der letzte Eindruck am meisten haften bleibt, ist das Debut trotz der eher hellen Stimme als gelungen zu bezeichnen. Gar nicht neu war der Pimen von Kurt Rydl, aber seit er seine Auftritte stark eingeschränkt hat, ist auch das extreme Vibrato deutlich geringer geworden. Er lieferte eine sehr nuancierte musikalische Gestaltung, die voll aus dem Text entwickelt wurde. In der dritten großen Basspartie gab Ryan Speedo Green seinen ersten Warlaam. Eigentlich wäre das eine Partie, die ihm liegen müsste, da sie großes Stimmvolumen und wenig Schöngesang erfordert. Leider versenkte er aber seinen „Reißer“ über den Fall Kazans vollkommen. Da auch der Schenkwirtin von Aura Twarowska in der Urfassung ihr einleitendes Lied gestrichen ist, bleibt von diesem Bild nichts haften, außer dass Alfred Šramek leider absagen musste und der junge Igor Onischenko den Hauptmann übernahm.

Apropos Umbesetzung: Kurzfristig sagte auch David Pershall ab und der „Bariton für alle Fälle“, Clemens Unterreiner übernahm den Schtschekalow, der ihm zwar wenig Möglichkeit gibt, seine Spielfreude auszuleben aber umso mehr seine stimmliche Möglichkeiten zu demonstrieren. Für Marian Talaba bleibt als Grigori in der Urfassung nicht viel mehr, als Stichworte zu geben, die beiden neuen Zarenkinder Ilseyar Khayrullova und Aida Garifullina werden von Zoryana Kushpler als Amme bestens betreut und müssen in dieser Fassung auch keinen Ringelreihen tanzen. Mit scharfer, prägnanter Stimme zeichnet Norbert Ernst den Intriganten Schuiskij, der es auch historisch schaffte, nach dem falschen Dimitri selbst zum Zaren gekrönt zu werden. Mit schön geführtem Tenor sang Pavel Kolgatin den Gottesnarren, der vor der Wassily-Kathedrale auf den Zaren trifft und seine pessimistischen Prophezeiungen für Russland macht. Warum Boris da schon geistesverloren auftritt, ist mir nicht ganz klar.

Allerdings ist die eigentliche Hauptpartie des Werkes das Volk, das gebraucht wird, für die Wahl des Zaren zu beten, ihm bei der Krönung zuzujubeln und schlussendlich festzustellen, dass auch unter dem neuen Zaren sich nichts zum Besseren gewendet hat. Diese Rolle wird vom blendend disponierten Staatsopernchor, der durch den Slowakischen Philharmonischen Chor verstärkt wird, eindrucksvoll verkörpert. (Chorleitung: Thomas Lang)

Die musikalische Leitung lag in den Händen des Slowenen Marko Letonja, der den Sängern ein aufmerksamer Begleiter war, es insbesondere bei der Krönung auch ordentlich krachen ließ und die fahlen Farben im Orchester gut herausarbeitete.

Wolfgang Habermann

PS: Da jetzt die schöne Jahreszeit kommt, hat die Gebäudeverwaltung die Terrasse wieder gesperrt, weil einige Bodenplatten noch immer locker sind.

 

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