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WIEN / Staatsoper: ARIADNE AUF NAXOS mit Camilla Nylund

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Camilla Nylund (Ariadne). Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: ARIADNE AUF NAXOS mit der ausgezeichneten Camilla Nylund

30. Aufführung in dieser Inszenierung

9. November 2022

Von Manfred A. Schmid

Wäre der Opernabend diesmal nicht ganz im Zeichen Camilla Nylunds gestanden, die im Anschluss an die Vorstellung mit dem vom Solistenverband der Wiener Staatsoper verliehenen Lotte Lehmann-Gedächtnisring ausgezeichnet wurde, hätte sich das allgemeine Publikumsinteresse mit ziemlicher Sicherheit auf Herbert Föttinger konzentriert. Der Direktor des Theaters in der Josefstadt „debütierte“ im Haus am Ring Premiere nämlich in der Sprechrolle des Haushofmeisters: Das ist die hinsichtlich ihrer Bedeutung – nach der Buhlschaft im Salzburger Jedermann – gewiss am meisten überschätzte Rolle im Showgeschäft.

So aber beginnt, wie es sich gehört, die Rezension mit der Würdigung der Leistung der aus Finnland gebürtigen Kammersängerin, die an der Wiener Staatsoper  in dieser fordernden Partie schon vor vierzehn Jahren erstmals zu erleben war. Dass ihr lyrischer Sopran inzwischen gereift und hochdramatischer geworden ist, hat Nylund in Rollen wie Chrysothemis, Salome, Elsa und Rusalka sowie in Die Frau ohne Schatten dem dankbaren Wiener Publikum vor Augen – und Ohren – geführt. Die betörenden Gesangsbögen gelingen ihr ausgezeichnet, fein zeichnet sie die melancholische Stimmung ihrer Figur, die mit dem Leben schon abgeschlossen hat und sich in sich zurückzieht, bevor so von Bacchus wieder wachgeküsst wird und ins Leben zurückfindet. Ihre traurige, apathische Grundstimmung hindert sie aber nicht daran, erregt auf die Arie der von ihr verachteten Zerbinetta zu reagieren. Sie tritt an die Rampe und verleiht ihrem Unmut mit drastischen Gesten beredten Ausdruck. Dennoch bleibt von diesem Abend der Gesamteindruck, dass Camila Nylund diesmal etwas verhaltener wirkt als gewohnt.

Eric Cutlers Hausdebüt als Bacchus fällt nicht sehr überzeugend aus, was – angesichts seiner bemerkenswerten Gestaltung der Titelpartie in Peter Grimes 2019 am Theater an der Wien – der Tagesverfassung geschuldet sein mag. Zerbinettas neckische  Prophezeiung, „Kommt der neue Gott gegangen“ bleibt diesmal jedenfalls unerfüllt. „Jung“, so eine weitere Zuschreibung Zerbinettas, ist amerikanische Tenor zwar, wenn man an Vorbilder wie Botha oder Gould denkt, stimmlich aber kommt er an sie nicht heran. Seine „Circe“-Rufe verhallen im Irgendwo, und auch darstellerisch hat er wenig zu bieten.  

Ein spielerisch und stimmlich Aufmerksamkeit heischender, agiler Musiklehrer ist Jochen Schmeckenbecher, mehr Impressario  als nur Musiklehrer. Auch der Tanzmeister von Thomas Ebenstein ist weder zu überhören noch zu übersehen. Wie er im Vorspiel herumscharwenzelt und später treppauf-treppab tänzelnd in Erscheinung tritt, macht ihm in dieser Rolle nicht so leicht einer nach.

Wie Schmeckenbecher schon bewährt in dieser Inszenierung hat sich auch Kate Lindsey, die einen kämpferischen Komponisten gibt, der sich alsbald in Zerbinetta verschaut und sich mit den widrigen Verhältnissen rund um die Aufführung seiner Oper recht gut zu arrangieren weiß. Ein feines Detail der in mancherlei Aspekten doch sehr gelungenen Inszenierung von Sven Eric Bechtolf aus dem Jahr 2012.

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Szilvia Vöros, Aurora Marthens, Jochen Schmeckenbecher, Herbert Föttinger, Bryony Dwyer und Serna Sáenz.

Die junge Spanierin Serena Sáenz tritt als Zerbinetta in die nicht zu kleinen Fußstapfen von Daniela Fally, die dieser Rolle in den letzten Jahren ihren farbenfrohen Stempel aufgedrückt hat. Die Sopranistin bekommt bei ihrem ersten Auftritt in der Staatsoper für Rondo mit dem „stumm… stumm“-Finale viel Applaus und scheint auf dem besten Weg zu sein, in diese Partie hineinzuwachsen.

Gutes zu berichten gibt es von der Gaukler- und Spaßmachertruppe rund um Zerbinetta. Michael Arivony (Harlekin), Carlos Osuna (Scaramuccio), Ilja Kazakov (Truffaldin) und Hiroshi Anmako (Brighella) brillieren nicht nur auf den Scootern, mit denen sie sich schlängelnd über die mit zum Teil zerlegten Konzertflügeln übersäte Bühne radeln, sondern sind auch komödiantisch und gesanglich ein gut aufeinander abgestimmtes Quartett. Das trifft auf das Damen-Terzett, bestehend aus Bryony Dwyer (Najade), Szilvia Vörös (Dryade) und Aurora Marthens (Echo) leider nicht zu. Sie klingen inhomogen, in der Höhe scharf und unausgewogen. Am besten gelingt ihnen noch das in tieferer Lage angesiedelte „Töne, Töne, süße Stimme“. Offenbarung ist das aber keine.

Das Orchester unter der Leitung von Thomas Guggeis gibt sich spielfreudig und beweist erneut, dass Richard Strauss zu den im Repertoire der Wiener Staatsoper am meisten gepflegten und gehegten Komponisten gehört. Die Tempi stimmen, nur die Dynamik neigt diesmal dazu, an manchen Stellen die Stimmen auf der Bühne zu überdecken, wovon neben der etwas gedämpft singenden Nylund auch das Frauenterzett betroffen ist.

Und der Haushofmeister?  Wenn Herbert Föttinger sich etwas zurück- und sich und die Rolle, die er zu spielen hat, nicht zu ernst nimmt und lockerer an die Herausforderung herangeht, wird er ein guter Haushofmeister sein. Noch versucht er, aus der Rolle mehr herauszuholen, als in ihr tatsächlich drin steckt. Damit ist er – eine Folge von Overacting –  immer in höchster Anspannung. Eine gewisse ironisch-arrogante Lässigkeit gehört bei dieser Figur aber einfach dazu.

Viel Applaus für einen eher nur durchwachsenen Opernabend im nicht ganz gefüllten Haus. Alle sind geblieben und feiern die wohlverdiente Ehrung von Kammersängerin Camilla Nylund mit und freuen sich mit ihr: Lotte Lehmann, Leonie Rysanek, Hildegard Behrens, Waltrad Meier, Camila Nylund. Ist ja auch wirklich eine ehrwürdige List großer Namen und strahlender Persönlichkeiten.

 

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