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WIEN/ Staatsoper: ARIADNE AUF NAXOS – „ich sage dir, nun hebt sich erst das Leben an

16.03.2016 | Oper

WIEN/ Staatsoper: 15.03.2016: „ARIADNE AUF NAXOS“ – „Ich sage dir, nun hebt sich erst das Leben an

 für dich und mich.“


Sophie Koch, Hila Fahima. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

 Viele Opernliebhaber werden bei Isoldes Liebestod in höhere Sphären versetzt, mich ergreift es in der „Ariadne“ an oben zitierter Stelle. Ungeahnte Wandlung in ein neues Leben, in eine neue Wirklichkeit in diesem Leben und später einmal über das irdische Leben hinaus.

„Cardillac“ und die „Ariadne“ sind die beiden Arbeiten von Sven-Eric Bechtolf in diesem Haus, die ich schätze, abgesehen von der umständlichen, linkischen Begegnung Bacchus – Ariadne. Mir gefällt das Neuschöpferische, Berührende  in seiner Regie, wenn am Ende mit Zerbinetta und dem Komponisten ein zweites Paar sich findet. Harmonisch werden Bechtolfs Ideen vom Ehepaar Rolf und Marianne Glittenberg, was Bühne und Kostüme betrifft, unterstützt.  

Im Vorspiel erleben wir zwei herausragende Künstlerpersönlichkeiten. Der Schauspieler Peter Matić schreibt mit seiner charakteristischen Stimme, so paradox sich das liest, Operngeschichte. Sophie Koch mir als wunderbare Massenet-Interpretin in schönster Erinnerung wird in der Rolle des Komponisten auf andere Art gefordert. An dem Abend erreichten ihre dramatischen Höhenflüge und Temperamentsausbrüche eine Raumfülle, die das im Text Ausgesagte geradezu übersteigt.

Auf den Boden der Realität zurückgeholt wurde ich durch die weiteren Personen des Vorspiels. Für einen Bariton ist ein schönes Timbre besonders wichtig und ausschlaggebend. Dieses vermisste ich bei Jochen Schmeckenbecher als Musiklehrer. Seine Stimme wirkte verbraucht. Norbert Ernst, derzeit auf Erfolgskurs in „Tri Sestri“, gab den Tanzmeister zu beiläufig. Interessant, dass es vor etwa zwei Jahren Gerhard Reiterer gelang in der winzigen Rolle als Perückenmacher mir aufzufallen, was er diesmal nicht wiederholen konnte. Marcus Pelz sprang für Alfred Šramek ein, was uns in dem Fall Sorgen bereitet. Den Offizier sang Daniel Lökös.

Die Damen des Nymphen-Terzetts haben noch nicht ihren idealen „Sound“ gefunden. Manchmal scheppert es ein wenig an der „Quelle“ (Andrea Caroll) und in der „Baumkrone“ (Rachel Frenkel), die man sich halt in dieser Inszenierung mit Fantasie vorstellen muss. Das Echo (Caroline Wenborne) wünsche ich mir feinstimmiger, zarter, verklingender.

Wenn Ariadne (Gun-Brit Barkmin) die Nymphen in die Schranken weist, sollte das mit mächtigerer und hoheitsvollerer Stimme geschehen. Mag bei Frau Barkmin die eine oder andere Stelle vollauf entsprechen, der Gesamteindruck ist nicht beglückend. Ich kann meine Erinnerungen an eine Rysanek, eine Janowitz, an eine Faulkner nicht zurückhalten.  

Schon im Vorspiel wurde ich angenehm überrascht. Ohrenzeugen unter meinen Freunden ließen mich eine zu kleine Stimme erwarten. Als Najade hatte mir Hila Fahima noch keinen großen Eindruck hinterlassen. Aber jetzt! Eine ihrer Kolleginnen arbeitete in dieser Inszenierung bei der großen Arie der Zerbinetta mit Persiflage und ich hatte damals den Verdacht, um sich dadurch Druck und die Angst vor einem etwaigen Missgeschick zu nehmen, als wäre ein Patzer eingeplant. Da war Fahima fairer – und siegte. Sie heimste an diesem Abend den größten Erfolg ein. Ihre Truppe ist nicht klassisch nach der Commedia del´arte gekleidet. Ich tat mir anfangs schwer Scaramuccio (Peter Jelosits) und Brighella (Joseph Dennis) zu unterscheiden. Beide klangen markant, Wolfgang Bankl als Truffaldin war eine Nuance zu verhalten, der Harlekin Manuel Walser klang zu Beginn sympathisch, war jedoch im Duett mit Fahima zu wenig präsent, auch wenn diese Rolle nicht wie schon gehört heldenbaritonal angelegt werden sollte.

Und dann die Erscheinung des Bacchus. Herbert Lippert fehlte jede Spur von Göttlichkeit. Ich frage mich, ob bei einem solchen Mangel an adäquater Besetzungsmöglichkeit „Ariadne“ überhaupt angesetzt werden darf. Andrerseits wäre Fahima und Koch ihre Chanche genommen worden sich in so schönen Rollen zu präsentieren und Freude zu bereiten. Recherchen im Internet zeigen, es mangelt an Bacchus-Interpreten. Andreas Schager zum Beispiel hat anscheinend leider den Bacchus noch nicht im Repertoire. Den Sigmund und den Siegfried aufzubauen ist für einen Sänger dankbarer. „Das „Töne, töne, süße Stimme“ der Naturgeister musste darüber hinwegtrösten.

Was das Genie Richard Strauss mit der kleinen Orchesterbesetzung der „Ariadne“ final an symphonischem Wunder vollbringt! Doch trotz des philharmonischen Einsatzes an der Wiener Staatsoper fällt dieser letzte, große Eindruck von Abend zu Abend sehr unterschiedlich aus. Unter Cornelius Meister stand an diesem Abend „die Säule des Stimmungsbarometers“ auf drei Viertel. Das Herabsenken der Luster muss den Kronenwurf  in den nächtlichen Himmel zu den Sternen ersetzen.                               

Lothar Schweitzer                                                                                          

 

 

 

 

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