Jochen Schmeckenbecher (Musiklehrer). Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
WIEN / Staatsoper: Ariadne auf Naxos am 13.09.2018
Mit dieser dritten Vorstellung ging eine Serie zu Ende, die zu Beginn unter keinem guten Stern stand. Stephen Gould, der derzeit wohl beste Interpret des Bacchus, musste krankheitsbedingt absagen und auch die als Zerbinetta bewährte Daniela Fally war bereits in der ersten Vorstellung angeschlagen und stand dann für den Rest der Serie nicht mehr zur Verfügung. „Zum schlechten Schluss“ kam auch Patrick Lange mit dem Meisterwerk von Richard Strauss in Salonorchesterbesetzung nicht gut zurecht. Undifferenziert und laut tönte es aus dem Graben und weder der Schwung im Palais des reichsten Mannes von Wien, noch die hochemotionale Stimmung auf der wüsten Insel wollten sich einstellen.
Doch manchmal wird man für die Geduld belohnt: Für die Derniere stand mit dem amerikanischen Tenor Charles Workman ein würdiger Interpret für diese anspruchsvollen Partie zur Verfügung. Er gestaltete sein Rollendebut klug und mit Vorsicht; seine Mozart-Kompetenz bewirkte eine geradlienige, edel klingende Interpretation der lyrischen Passagen und die Schlüsselstellen, wie: „Weh! Bist du auch solch eine Zauberin?“ und ganz besonders das Finale mit wohl einer der schönsten Liebeserklärungen der Opernliteratur: „und eher sterben die ewigen Sterne, eh‘ denn du stürbest aus meinem Arm!“ gelangen technisch perfekt und mit enormem emotionalem Ausdruck.
Auch Hila Fahima, die Einspringerin als Zerbinetta, erwies sich als Glücksgriff. Sie sang die Stegreif-Komödiantin zwar noch nicht mit der lockeren Selbstverständlichkeit, die aus der Erfahrung kommt; ihre Interpretation war aber technisch perfekt bis in die höchsten Höhen – ohne schrill zu werden. Die angenehme Stimme und das jungmädchenhafte Auftreten ergaben eine sympathische Zerbinetta und sie bezauberte nicht nur den Komponisten.
„Zum guten Schluss“ hatte der Kapellmeister bis zur letzten Vorstellung zu einer passablen Interpretation dieser fröhlichen, traurigen, hektischen und zärtlichen Musik des bayrischen Klangzauberers gefunden und die Lautstärke sängerfreundlicher gestaltet. Somit waren die „Baustellen“ beseitigt und es konnte doch noch zumindest eine Ariadne in der geplanten und erhofften Qualität genossen werden.
Die Besetzung stellte eine gelungene Mischung aus bewährten Kräften und ambitionierten Rollenneulingen dar. Der Haushofmeister wurde inzwischen zu einer Paraderolle für Peter Matic – man will sich gar nicht vorstellen, dass er diese Charakterstudie eines fernen Tages nicht mehr spielt. Der Lakai von Markus Pelz erreicht mit der Zeit auch schon Kultstatus!
Der Musiklehrer von Jochen Schmeckenbecher besticht durch stimmlich dominantes Auftreten und durch imponierende Wortdeutlichkeit. Thomas Ebenstein erzielt durch seine überdrehte Darstellung des Tanzlehrers eine skurrile Wirkung, die alle Klischees dieses Berufes bedient. Gesanglich bildet er mit schönem Tenor eine Luxusbesetzung.
Sophie Koch bereitet als Komponist immer wieder Freude und dominierte mit großem, technisch perfektem Mezzosopran das Vorspiel. Sie hatte sich wegen einer allergischen Attacke ansagen lassen, musste den Bonus aber nicht in Anspruch nehmen.
Die Oper wurde von einer sensationellen Adrianne Pieczonka geprägt. Mit großer, wunderschön strömender Stimme vermittelte sie die Verzweiflung, den Ärger, die freudige Erwartung und die Liebe gleichermaßen eindrucksvoll. In ihrer ausdrucksstarken, aber wie selbstverständlich wirkenden Gestik und Mimik zeigt sich die imponierende Bühnenpersönlichkeit. Eine Ariadne der Luxusklasse!
In der Zusammenstellung der Gruppen war man bei dieser Serie besonders erfolgreich: So bildete der universell einsetzbare Wolfgang Bankl als Truffaldin, gemeinsam mit den temperamentvollen Kollegen Jinxu Xiahou als Scaramuccio, Pavel Kolgatin als Brighella und Rafael Fingerlos, der mit schönem, jugendlichen Bariton versuchte, die traurige Prinzessin aufzuheitern, eine unterhaltsame „Commedia dell’arte“ – Gruppe. Auch die drei Nymphen – zwei bewährte Hauptrollensängerinnen und eine Debutantin – harmonierten hervorragend und klangen wie aus einem Guss. Maria Nazarova als Najade, Svetlina Stoyanova als Dryade und Olga Bezsmertna als Echo machten besonders die „Schubert-Leihgabe“ „Töne, töne, süsse Stimme“ zum Erlebnis.
Mit dieser Vorstellung ist die beeindruckende Strauss-Kompetenz der Wiener Staatsoper glücklicherweise wieder hergestellt.
Maria und Johann Jahnas