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WIEN/ Staatsoper: ANNA BOLENA

Wiener Staatsoper, 16.02.2022: ANNA BOLENA

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Ekaterina Semenchuk. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Im 16. Jahrhundert war es eine Zeitlang für eine englische Königin quasi unmöglich, ein auch nur einigermaßen so gesegnetes Alter zu erreichen wie die derzeit amtierende Elizabeth II. Wie das kam, ist dieser Tage wieder einmal am Ring in der Fassung von Gaetano Donizetti zu erleben, wobei sich Erwin Schrott erstmals in der Rolle des Königs vorstellt, der für die kurze Lebenserwartung seiner Ehefrauen verantwortlich ist. Und er tut dies mit durchwegs dominantem Auftreten und forschem Einsatz seines dunklen Baritons – ein Alpha-„Tier“, das seine Eroberungen nicht mit romantischen Schmeicheleien macht.

So erreicht die Faszination, die von ihm ausgeht, wohl eher jene Damen, die es lieber „auf die harte Tour“ haben, und ein halbwegs ebenbürtiges energisches Temperament und stattliches Auftreten zeigt Ekaterina Semenchuk als Giovanna Seymour. Die Weißrussin bewältigt nach einem etwas wackeligen Beginn die Partie mit ihrem satten Mezzo souverän, obwohl sie eigentlich sehr hoch liegt. Doch versteht sie gerade die exponierten Passagen effektvoll zu nutzen und setzt ihren persönlichen Höhepunkt in der Konfrontation mit der Königin im Kerker (Beginn 2. Akt), wo sie ihrem Gegenüber zeigt, wo der „vokale Hammer“ hängt.

Dem gegenüber kann Diana Damrau als Anna leider nicht mithalten. Dabei versteht sie es durchaus, mit ihrem Porträt einer nervlich bereits belasteten Frau zu berühren, die durch die Intrigen, von denen sie umgeben ist, immer mehr in Bedrängnis gerät und zuletzt wie ein gejagtes Tier zwischen den Eindrücken und Visionen hin und her hetzt, deren Realität sie nicht mehr unter Kontrolle hat. Doch ist ihre Stimme für das Haus einfach nicht tragfähig genug, oder die Partie kommt auch zu spät – jedenfalls klingt manches scharf, in der Intonation unklar, forciert, was in der großen Schlussszene „Piangete Voi“ akkumuliert, als die Kraftreserven zur Neige gehen.

Pene Pati ließ mit weichem Timbre und nobler Phrasierung als ansprechender Percy aufhorchen: ein junger Tenor mit großem Potential, wenn es ihm gelingt, in der (durchaus vorhandenen) Höhe die Neigung zur Engführung zu überwinden. Sonor, wenn auch ein bisschen behäbig verkörperte Dan Paul Dumitrescu den würdigen älteren Bruder Annas. Die junge Ungarin Szilvia Vörös sang den Smeton. Sie könnte dabei darstellerisch vielleicht noch etwas souveräner auftreten, stimmlich überzeugt sie (wie gewohnt) mit ihrem kräftigen, homogenen Mezzo. Die diversen schlechten Botschaften zu überbringen hatte Carlos Osuna als Sir Hervey.

Am Pult stand der italienische Jungdirigent Giacomo Sagripanti und präsentierte eine eher konventionelle, bedächtige Lesart der Partitur, wobei es speziell mit Schrott auffallend häufig zu Auffassungsunterschieden in der Taktgebung kam, woran auch immer das gelegen haben mag.

Valentino Hribernig-Körber

 

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