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WIEN/ Staatsoper: ALCESTE – Lasset die Kleinen zu mir kommen

14.06.2016 | Oper

Wiener Staatsoper am 14.6. 2016 – „ALCESTE“ Lasset die Kleinen zu mir kommen

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Veronique Gens, dahinter Maria Nazarova und Juliette Mars. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Christoph Willibald Gluck hat an der Wiener Oper einen festen Platz. Seit 1869 schmückt seine Büste die Loggia gemeinsam mit anderen Komponisten. Allerdings findet man dort auch Boieldieu und Dittersdorf und deren Werke sind schon lange vom Spielplan getilgt. Von Gluck wurden seit der Wiedereröffnung 1955 immerhin noch vier Werke gespielt, wenn auch nur an insgesamt 50 Abenden.

Die Wiener Erstaufführung der französischen Fassung fand erst 2012 statt, nachdem 1956/57 noch einige Male die ursprüngliche Wiener Fassung gespielt worden war. Sie ruhte für fast fünf Jahre im Depot und wurde nun wieder aufgenommen, wobei die Besetzung der Hauptpartien unverändert war. Dafür saßen im Graben ungefähr 50 Hausdebutanten, denn statt des Freiburger Barockorchesters sind nun Les Talens Lyrique unter ihren Gründer und Leiter Christophe Rousset aufgeboten. Dieses Ensemble verwendet eine historische Stimmung, die um mehr als einen Halbton tiefer liegt als die heute übliche Stimmung. Der damit entstehende Orchesterklang ist damit weniger brillant, kommt aber vermutlich dem Originalklang näher. Zu den schönsten Stellen zählt die Pizzicato-Begleitung bei „Parez vos fronts“.

Eigentlich sind in der französischen Fassung die Kinder Alcestes zu stummen Partien geworden, aber bei Christoph Loy ist der gesamte Chor zu Kindern (Mes enfants, wie die Herrscher immer wieder singen) geworden. Die Deutung der Handlung aus der kindlichen Sicht, die dem Regisseur vorschwebte, wirkt aber leider manchmal auch etwas kindisch. Mit Veronique Gens steht eine Alceste auf der Bühne, die ihre Karriere mit alter Musik begann und mit ihrem gut durchgeformten Sopran auch die tiefliegenden Passagen im „Divinité de Styx“ problemlos meistert. Auch optisch ist sie eine glaubwürdige Königin, die ihre Sorge um den todkranken Gatten, ihren Entschluss zur Selbstaufopferung und die aufkeimenden Zweifel und Ängste transportieren kann. Ihr Gatte Admete ist der kanadische Tenor Joseph Kaiser, der neben guter Erscheinung einen klaren Tenor aufbieten konnte und durch intensives Spiel überzeugte. Der Oberpriester des Apollo (im Kostüm eines christlichen Geistlichen) war Clemens Unterreiner mit voll tönendem Bariton. Dankenswerter Weise ist er von der Regie in seinem Bewegungsdrang etwas gebremst und auch den ziemlich tief liegenden Auftritt als Gott der Unterwelt bringt er sehr sonor. Den Geschenke verteilenden Onkel aus Amerika, der sich Hércule nennt, verkörpert Adam Plachetka. Leider hat er außer der Arie „C’est envain“ nicht sehr viel zu singen. Bei den kleinen Rollen gibt es mit Ausnahme von Juliette Mars als 2.Koryphäe neue Besetzungen. Die erste Koryphäe, die auch das erste Kind verkörpert ist Maria Nazarova, die auch in dieser kleinen Rolle ihre Spielfreude ausleben kann und die einzige auf der Bühne ist, die als Kind glaubwürdig wirkt. Als Evandre ist Jason Bridges zu hören und Manuel Walser darf außer einem Chorführer auch den Herold und Apollo verkörpern. Die kurze Stelle des Orakels wird von Gebhard Heegmann (offenbar ein Chormitglied) gesungen. Dieser Gustav Mahler Chor )einstudiert von Martin Schebesta) hat höchstes Lob verdient. Nicht nur, dass die vielen Chorstellen ausgezeichnet gesungen werden, sind sie auch als Bewegungschor, der die Ballettmusiken zu illustrieren hat, sehr engagiert. Dass sie nicht gerade wie Kinder aussehen, aber so gekleidet sind, ist ihnen nicht anzulasten.

Das wohltuend einfache Einheitsbühnenbild (Dirk Becker) zeigt die Ecke eines großen Saales. In der Mitte ist eine Schiebetür, die sich in den einzelnen Akten zu verschiedenen Nebenräumen öffnet. Die Kostüme von Ursula Renzenbrink sind wohl dem Anfang des vorigen Jahrhunderts zuzuordnen.

Im ersten Akt verbirgt sich das Sterbezimmer hinter der Schiebetür und man sieht Alceste, Ärzte und Krankenschwestern aus und eingehen, ehe die von Alceste und dem Priester des Apoll zu Gebet und Opern aufgeforderten Kinder ihre Teddis und Puppen opfern. Im zweiten Akt eine festlich hergerichtete Veranda. Im dritten Akt zunächst wieder das Schlafzimmer, aus dem Alceste und Admète für ihre große Aussprache nach vorne kommen. Nach dem „Caron t’apelle“ wird der Blick freigegeben auf etwas, das offensichtlich den Hades darstellen soll. Nachdem das Apoll spielende Kind aber den glücklichen Ausgang verkündet hat und dem obligaten Dankchor öffnet sich die Türe nochmals und präsentiert ein schwarzes Loch, in das während der beschließenden Ballettmusik alle Sänger nach und nach verschwinden.

Der Rest ist Schweigen …

Wolfgang Habermann

 

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