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WIEN/ Staatsoper: „COSÌ FAN TUTTE“ – Mozarts „Wahlverwandtschaften“

19.02.2016 | Oper

17.01.2016: „COSÌ FAN TUTTE“ – Mozarts „Wahlverwandtschaften“


Maria Nazarova (Despina). Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

 Wie wirkt diese burleske Faschingsoper mit seinen Maskeraden – gedacht für die freizügige Adelsgesellschaft des Rokoko – heute auf uns? Das Bürgertum der damaligen Zeit zeigte eher eine Neigung zu hehren Themen, wie sie in der „Zauberflöte“ angesprochen werden. Als ich in meiner Studentenzeit vor einem halben Jahrhundert an der Staatsopernkasse Karten für eine Così-Aufführung im Redoutensaal der Hofburg holte, traf ich einen ehemaligen Schulkameraden, der sich für „La Bohème“ anstellte und mir gegenüber äußerte, diese Mozart-Oper sei frivol.  

Ist das Frauen verachtende Tuttè noch akzeptabel? Korrekter müsste die Oper nach Despinas Ausspruch „Son tutti quanti“ („Alle sind gleich“) benannt werden. Aber dieser Titel klänge, so bemerkte der Komponist, Dirigent und Musikwissenschaftler Kurt Pahlen, weniger elegant. Im Gespräch mit jungen Leuten brachte ich in Erfahrung: die vorgetäuschte Vergiftung wird den beiden jungen Männern als Erpressung übel genommen. Was die Unwahrscheinlichkeiten der Handlung betrifft,  bei Witzen ist strenges logisches Denken immer ein Spaßverderber, da nach Sigmund Freud  die Wirkung von Witzen darauf zurückzuführen ist, dass zwei ganz verschiedene Ebenen miteinander verbunden werden.

Der Vorhang geht auf. Das Stück wurde von Roberto de Simone (Regie), Mauro Carosi (Bühne) und Odette Nicoletti (Kostüme) nicht in unsre Zeit versetzt. Wir haben es also mit zwei Damen zu tun, denen nach der Sitte der Zeit ihre Verlobten zugeführt, unverblümt gesagt, eingeredet wurden.

In Anbetracht der Tatsache, dass leider kein eingespieltes Mozartensemble zur Verfügung stand, konnten die SängerInnen den Ansprüchen einigermaßen gerecht werden. Wie viele von einem Wiener voraussetzen, dass er Wiener Walzer tanzen kann, so nimmt man vom Dirigenten Tomáš Netopil mit biografischen Verbindungen zu Prag an, dass er für Mozartopern berufen ist. Der Unterschied in den Männerterzetten, zuerst die gereizte Spannung, dann nach Eingehen einer Wette die gelöstere Stimmung vermisste ich allerdings ebenso wie die geheimnisvollen Farben, wenn sich die „Vergifteten“ im Götterhimmel sehen. Man muss kein Harnoncourt-Fan sein, aber ein bisschen mehr Kanten hätte seine Leitung des Orchesters der Wiener Staatsoper schon vertragen.

Der Auftritt der Freunde und späteren Rivalen Guglielmo und Ferrando durch Markus Eiche und Benjamin Bruns begann, was die Charakterisierungskunst betrifft, vielversprechend.  In Eiches Trostarie mischten sich leider geschriene Töne. Der als Mozarttenor angesehene Benjamin Bruns hat zwei Arien zu singen, die der Mozartbiografin Eva Gesine Baur folgend eine kaum wahrgenommene Seite des Komponisten offenbaren. Mit dem Don Alfonso hat Wolfgang Bankl diesmal nicht eine seiner vielen „polternden“ Partien übernommen. Er singt den Philosophen trocken. Don Alfonso ist eben kein herzlicher Charakter. Das war das Manko des unvergessenen Paul Schöfflers, dass er in dieser Rolle zu sympathisch wirkte.

Die Damen aus Ferrara führen sich liebevoll, frohsinnig und im Gleichklang ein. Caroline Wenborne hat sich in die Rolle der Fiordiligi eingelebt, es gibt aufblühende Höhen, nur vermisse ich schmerzlich den Stimmumfang von über zwei Oktaven im tieferen Bereich. Der ständige Standortwechsel während der Felsenarie wirkt störend und widerspricht der besungenen Standhaftigkeit. Die Soloauftritte von Annalisa Stroppa als anders geartete Schwester zeigen wenig von ihrem flexibleren Charakter. Die Stimme weist immer wieder Härten auf, klingt manchmal kehlig.

Als letzte der Figuren wird Despina eingeführt. Maria Nazarova versteht es, sich in ihrer ersten gleich längeren Soloszene glänzend zu präsentieren. Ihre Unruhe im Spiel sollte sie ablegen. Als die gelungenste Szene der Aufführung empfand ich Despinas Auftritt als Arzt. Eine herrliche Persiflage auf selbsternannte Kapazunder.

Der Chor der Wiener Staatsoper (Leitung Martin Schebesta) erfüllte die ihm zugewiesenen Aufgaben.

Allgemein wird mehr als notwendig durch Rampensingen das Publikum als Partner einbezogen, ich vermisste genügend Mienen- und Gebärdenspiel als Zeichen nonverbaler Wechselbeziehungen zwischen Dorabella und Guglielmo, Fiordiligi und Ferrando. In keinem Augenblick bekam ich das spannende Gefühl vermittelt, aus dem Spiel könnte Ernst werden. Der Spagat zwischen echten Gefühlen und Parodie konnte ebenfalls nicht bewältigt werden. Das bleibt die Herausforderung an zukünftige Inszenierungen und Ensembles.

Lothar Schweitzer

 

 

 

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